HOK Lesen/Schreiben/Reden: Bibliotheca Universalis – Reloaded?

Der Traum von der Weltbibliothek ist nicht neu, auch nicht, die Vorstellung, dass dank Internet dieser Traum doch noch Wirklichkeit werden könnte. Peter Haber hat in verschiedenen Aufsätzen (in der NZZ oder in der Basler Zeitung), bereits die Wiederkunft des Traums von einer Bibliotheca Universalis thematisiert – noch vor dem Aufstieg Wikipedias.

Nun hat die Weltwoche in Ausgabe 27 einen Aufsatz von Kevin Kelly veröffentlicht, der bereits im Mai in der New York Times unter dem Titel „Scan this Book!“ erschienen ist. Darin legt Kelly diesen Traum noch einmal neu auf, bringt aber zusätzlich ein paar aktuelle und (wie ich finde) bedenkenswerte Details darin unter, die aktuelle Entwicklungen spiegeln.

Kelly (Futurologe, Mitbegründer des bekannten Magazins „Wired“ und Autor zahlreicher Bücher über die Zukunft unserer Gesellschaft) beginnt seine Betrachtungen mit der Feststellung, dass an unzähligen Orten dieser Welt gedruckte Bücher eingescannt und damit digital verfügbar werden. Das geschieht in ambitionierten Millionenprojekten von Bibliotheken ebenso wie in privaten Haushalten oder in Büros.

Kelly sinniert über das Potential, das Wissen der Welt in einigen Jahren online auf der ganzen Welt verfügbar zu haben. Dies wirke sich vor allem positiv für Einwohner/innen in Entwicklungsländern aus, die gar nicht über die finanziellen Mittel verfügen, sich Wissen aus gedruckten Mittel anzueignen, da deren Anschaffung viel zu teuer sei. Dafür genüge in Zukunft ein Internet-Anschluss. (Ob das wirklich so sein wird, oder ob die millionenteuren Kosten für Scannen und Vorhalten der Informationen nicht vergütet werden wollen und letzlich wieder einen Graben zwischen Reich und Arm öffnen, sei einmal dahingestellt).

Kelly führt dann die Potentiale der Hypertext-Technologie aus: die Verlinkung von Dokumenten (dank der die Bücher nicht mehr „isolated items, independent from one another […] fixed and finished“ wären – ein etwas technischer Blick auf das Medium Buch, wie ich finde) und die Anbringung von „tags“ (davon hatten wir es hier auch schon). Während die Links Verbindungen bis zum letzten, sonst unbekannten Buch herstellen sollen (ist es nicht eher so, dass die Google-isierung des Internets dazu führt, dass immer die gleichen Informationen verlinkt und gefunden werden?), helfen die von den Benutzer/innen erstellten „tags“ – virtuellen Haftnotizen gleich -, die Informationen schneller zu gruppieren und zu finden.

Soweit wiederholt Kelly bekannte Positionen. Auch die Aussage, wonach „tags“ „will be assigned faster, range wider and serve better than out-of-date schemes like the Dewey Decimal System“ passt in die hochgesteckten Hoffnungen an Social Software. Stutzig wurde ich bei folgender Passage:

The link and the tag may be two of the most important inventions of the last 50 years. They get their initial wave of power when we first code them into bits of text, but their real transformative energies fire up as ordinary users click on them in the course of everyday Web surfing, unaware that each humdrum click „votes“ on a link, elevating its rank of relevance. You may think you are just browsing, casually inspecting this paragraph or that page, but in fact you are anonymously marking up the Web with bread crumbs of attention. These bits of interest are gathered and analyzed by search engines in order to strengthen the relationship between the end points of every link and the connections suggested by each tag. This is a type of intelligence common on the Web, but previously foreign to the world of books.

Um ehrlich zu sein, war mir zwar klar, dass das Einrichten von Links auf andere Seiten für die Bewertung in Google relevant ist – aber das blosse Anklicken von Links? Es ist mir bewusst, dass immer mehr Websites nicht mehr direkt auf das Zielobjekt verlinken, sondern einen Umweg über den eigenen Server machen, mit der Absicht, besser zu wissen, aus welchem Artikel welcher Link wie oft angeklickt wurde. Das ist besonders für Werbeanzeigen relevant. Die Vermessung des User-Verhaltens (auch hier wieder: Stichwort „Gläserner Bürger“) nimmt in der Darstellung von Kelly aber doch ungeahnte Dimensionen an.

Fortsetzung

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