Die Neue Zürcher Zeitung berichtete in ihrer Samstagsausgabe von einem interessanten Forschungsskandal in Innsbruck. An der dortigen Medizinischen Universität sollen ein paar Mediziner nicht nur Forschungsergebnisse frisiert haben, sondern nun soll auch noch der Rektor, der dieser Sache auf den Grund gehen will, abgewählt werden.
Auslöser war eine an der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführte Studie, bei der eine neuartige Therapie gegen Blasenschwäche erprobt werden sollte. Zuerst schienen diese Ergebnisse sehr erfolgversprechend und wurden in der renommierten Zeitschrift «The Lancet» publiziert. Dann aber stellt sich heraus, dass bei diesen Versuchen wohl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war: Der Studienleiter Hannes Strasser soll weder über die notwendigen Genehmigungen verfügt haben noch sind die Patienten offenbar hinreichend über die mit ihnen durchgeführten Versuche informiert worden. So weit so schlecht.
Interessant an dieser Geschichte ist, dass der nun bekannt gewordene, aber offenbar nicht veröffentlichte Untersuchungsbericht nur Strasser, nicht aber dessen Chef, den Leiter der Urologischen Klinik, Georg Bartsch, belastet. Dieser Bericht wurde von der staatlichen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) durchgeführt. Bartsch ist nicht nur der Vorgesetzte von Strasser und insofern mitverantwortlich, sondern er war auch Mitautor der in «The Lancet» publizierten Studie. Die Zeitschrift «Nature», die bereits früher kritisch über die Innsbrucker Versuche berichtet hatte, zitierte Bartsch, Strasser habe ihm die Autorschaft aus Respekt ehrenhalber angeboten:
Although the Lancet paper lists him as one of five co-authors who did “all investigations and treatments”, and includes his signature of agreement, Bartsch insists he did not request authorship but that Strasser included him “in honour of my seniority”
Uns interessiert natürlich weniger der medizinische Skandal, den wir ja nicht beurteilen können, sondern die Tatsache, dass es in gewissen Wissenschaftskulturen einen auctor honoris causa zu geben scheint.
Wir fragen uns: Handelt es sich hier um ein medizinwissenschaftliches Phänomen? Oder gibt es auch in den Geisteswissenschaften diesen Typ des Autors? Als hermeneutische Wissenschaft kennt die Geschichtswissenschaft keine Versuche im Sinne der Medizin. Und die multiple Autorschaft, die in den medizinischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen häufig anzutreffen ist (und die nicht mit einem Prozess des kollaborativen Schreibens verwechselt werden sollte!) ist in den Geisteswissenschaften die grosse Ausnahme.
Die Frage also ist, wie die «honour of seniority», wie es Bartsch formuliert hat, sich in den Geschichtswissenschaft manifestiert.
Und noch ein zweiter Aspekt scheint uns am Innsbrucker Wissenschaftsskandal interessant: Clemens Sorg, der Rektor der Medizinischen Universität, der entschlossen war, die Hintergründe der Affäre aufzudecken, muss nun um seinen Job fürchten. Laut NZZ wird der Universitätsrat am kommenden Donnerstag über die Verlängerung von Sorgs Vertrag entscheiden, der 2009 ausläuft. Ihm wird Pflichtverletzung vorgeworfen … Ist das nun also die vielbeschworene Autonomie der Universität?
AutorInnen h.c. sind in der Geschichtswissenschaft wohl wirklich unüblich; ganz anders sieht das aber mit der HerausgeberInnenschaft aus, wo ein solches wie das genannte Phänomen durchaus auftreten kann.