Sache gits!* oder: Product Placement im Hörsaal?

*«Sache gits» (Variante: «Sache git’s» ist ein im deutschsprachigen Teil Helvetiens gebräuchlicher Ausruf, der Erstaunen, Verwunderung, mithin auch Fassungslosigkeit zu verbalisieren sucht. Auf Standard-Deutsch übersetzt lautet der Text: «Sachen gibt es».

«Sache gits» ging auch mir heute durch den Kopf, als ich auf meiner Leib- und Lieblingsliste Inetbib las, was einigen Verlagsmenschen so alles in den Sinn kommen kann, wenn sie zum Beispiel Verträge und Richtlinien formulieren. Der Oldenbourg-Verlag, ein speziell auch in der Historikerzunft hochangesehener Verlag, plant ein Online-Lexikon zum Thema Wirtschaftsinformatik. In der dazugehörigen Autorenrichtlinie steht folgender Passus:

Autoren weisen in ihren Lehrveranstaltungen auf das Lexikon als Standardquelle zu allen Wirtschaftsinformatik-Fragen hin.

Eberhard Hilf, emeritierter Physik-Professor der Universität Oldenburg und Geschäftsführer des Institute for Science Networking in Oldenburg (der Verlag Oldenbourg ist in München zu Hause) schrieb dazu treffend:

das ist unter Professoren als zu unabhaengiger Lehre Berufenen schlichtweg sittenwidrig und damit nichtig, es widerspricht dem Sinn ihres Dienstvertrages

Treffend war auch bereits das Betreff der Anfrage an die Liste: «Spammerklausel in Autorenverträgen?».

Was mir in den letzten Monaten immer wieder aufgefallen ist: Die Wissenschaftsverlage im deutschen Sprachraum verströmen eine immer auffälliger werdende Nervosität. Und das wohl mit gutem Grund:

Der «Open Access»-Gedanke ist innert weniger Jahre soweit salonfähig geworden, dass grosse Fördereinrichtungen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder der Schweizerische Nationalfonds gezwungen waren, Richtlinien zu erlassen, die für immer mehr Bereiche den freien Zugang zu den öffentlich geförderten Forschungsergebnissen verlangen.

Die Aufhebung der Buchpreisbindung in der Schweiz hat den Druck auf Verlage fern des Mainstreams enorm erhöht.

Und der Aufbau von professionellen Publikations- und Archivierungsservern durch die Hochschulen hat in den letzten Jahren auch eine neue Qualitätsstufe erreicht.

Das alles zusammen lässt sich als Menetekel lesen – nicht für das Ende der Gutenberg-Galaxis, wie einige vorwitzige Propheten bereits vor Jahren meinten verkünden zu müssen. Aber als das Ende des wissenschaftlichen Publikationswesens, wie es sich im 20. und zum Teil im 19. Jahrhundert etabliert hatte.

Ein Gedanke zu „Sache gits!* oder: Product Placement im Hörsaal?“

  1. Das Verhältnis zwischen Wissenschaftlern und Verlagen war auch immer einseitig. Man hatte keine große Wahl, wenn man etwas veröffentlichen wollte und es auch ein gewisses Gewicht im wissenschaftlichen Dialog haben sollte. Es scheint jetzt aber auch so, als sind die Verleger nervös, weil sie nicht wissen, wo sie die Ketten nun anbringen sollen und nicht weil sie eingesehen haben, dass man mit einer gleichberechtigten Partnerschaft weiterkommt. Verlage sind ja alles andere als nutzlos und überflüssig. Genau wie die Archive müssen sie ihren Platz neu finden.

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