Eine sehr gute Übersicht über Motive, Absichten und Risiken des Open Access-Ansatzes liefert Ulrich Herb in einem zweiteiligen Artikel in Telepolis. In „Schöne neue Welt des Open Access“ stellt er zu Beginn die Unverträglichkeits-Stelle zwischen Neuen Meidum Internet und der Welt der etablierten Wissenschaftspublikationen fest: Wissenschafter publizieren in Journalen, Journale wollen Lizenzgebühren.
Da aber keine Hochschulbibliothek der Welt die Lizenzgebühren für alle wissenschaftlichen Journale entrichten kann, bleiben die Verheissungen des Internets unerfüllt und sein Potential für die wissenschaftliche Kommunikation liegt brach.
Ein Glück, gibt es den Journal Impact Factor (JIF): ein Faktor, der feststellt, wie oft in wissenschaftlichen Abhandlungen Artikel aus den verschiedenen Fach-Journalen zitiert werden. Je öfter ein Journal genannt wird – umso besser für’s Image. Darum haben viele Verlage nichts dagegen, wenn die Autoren ihre Artikel auch noch umsonst im Netz zur Verfügung stellen: Ihre Journale (wo die Erstveröffentlichung stattfand, wie auch auf dem Gratisdokument vermerkt) gewinnen auch bei Zitaten, die sich auf die Gratisversionen beziehen, an JIF.
Im zweiten Artikel „Journale, Impact Factor, radikale Monopole und Karriere“ bringt Herbig auf den Punkt, weshalb sich der Widerstand in der Scientific Community in Grenzen hält:
Wer als Wissenschaftler Karriere machen will, muss nicht nur Talent haben, sondern auch in den richtigen Journalen, die über einen hohen Journal Impact Factor (JIF) verfügen, publizieren. Andernfalls wird die Karriere scheitern, die Devise lautet: Publish or Perish.
So nährt sich das System selbst, nur langsam geht der Glaube an die „wichtigen Journale“ verloren – damit bleiben aber Open Access-Publikationen Veröffentlichungen mit minderem Wert. Dabei wäre das nicht nur einer Erleichterung für den vereinfachten, kostenlosen Zugang zu Wissen, sondern auch für das Publizieren von wissenschaftlichen Inhalten, was besonders für Wissenschaftler der so genannten Dritten Welt Chancen böte, sich der Scientific Community anzuschliessen.
Passend dazu auch das Interview bei Golem.de mit Hal R. Varian, der das bestehende Urheberrecht für „skandalös ineffizient“ hält, da es die Vorteile der schnellen weltweiten Verfügbarkeit von Informationen nicht nutzen lässt. Dies gilt insbesonder für so genannte „orphan works“, also Werke, deren Urheber (oder Inhaber der Urheberrechte) sich nicht ausfindig machen lassen. Zur Rolle von Open Source (auch eine Variante des OpenAccess-Gedankens) meint Varian:
Google wäre beispielsweise ohne Open Source praktisch nicht denkbar. Google nutzt mehrere hunderttausend Server und es wäre ziemlich teuer, wenn Google für jeden neuen Server Lizenzgebühren abführen müsste. So kann Google Software wirklich ausreizen und erweitern, um sie an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Open Source ist dadurch ein Kernbestandteil des Geschäfts.
Dazu passt die Meldung bei Heise, wonach die Zeitungsverleger in Zukunft verhindern wollen, dass die Suchmaschinen ihre kostenlos zugänglichen Seiten abgrasen und indexieren können. Die Medien der letzten Jahrhunderte wehren sich gegen das Medium dieses Jahrhunderts (siehe noch einmal den Eintrag zu EPIC 2015) – gegen das Aggregieren und Syndizieren.
Übersicht: HOK Lesen: Suchen und Finden
Laufende Berichterstattung zu Open Access in http://archiv.twoday.net
Danke für den Hinweis. Noch genauer (für alle Interessenten): http://archiv.twoday.net/topics/Open+Access