100 Jahre Bundesordner oder: Leidenschaften der Bürokratie

Politiker sind seltsame Wesen. Samuel Schmid, seines Zeichens wohl demnächst wegen Nachlässigkeiten bei der Amtsführung demissioniert habender Verteidigungsminister der Schweiz, schlägt sich bis zu seinem Rücktritt die Zeit mit dem Verfassen von launischen Reden um die Ohren.

So verschickte die Bundeskanzlei gestern eine Rede von Schmid, die er aus Anlass der Hundertjahrfeier für den Bundesordner gehalten hat:

Meine Damen und Herren, wir leben in einem Land bar jeglicher Sorgen! In welchem anderen Land würde sich die Regierung bei der Feier für einen Ordner vertreten lassen? Die Feier hier im Bundesarchiv mit bundesrätlichem Grusswort hat denn auch da und dort mediale Häme ausgelöst. Ich habe die betreffenden Artikel gelocht und in einem Bundesordner abgelegt. So hat alles seine Ordnung, selbst die Häme. Als Jurist bin ich ohnehin nach dem Grundsatz erzogen worden: „Was nicht schriftlich in den Akten ist, ist nicht in der Welt.“ So verschaffe ich der medialen Häme ausnahmsweise eine etwas längere Existenz. Wobei ein Bundesordner nichts aussagt über die Qualität seines Inhalts. Ich will ja nicht die Kritiker kritisieren. Aber sie haben wohl übersehen, dass es um viel mehr geht als um ein Kartonkonstrukt mit den Massen 28 mal 32 mal 7 Zentimeter.

Wir empfehlen zur Weiterlektüre das wunderbare Buch «Bürokratische Leidenschaften. Kultur- und Mediengeschichte im Archiv» von Sven Spieker (Kadmos Verlag, Berlin 2004) und wünschen Samuel Schmid viele geruhsame Stunden beim Ordnen seiner Personalakten …

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