Beiträge zur Archäologie der Kindheit

radio

Angeregt von Kollega Hodels Recherchen in der eigenen Kinderstube fiel mir heute ein Buch mit dem völlig unmöglichen Titel «Radiobasteln für Jungen» in die Hände. Das Buch stand im elterlichen Bücherregal und ich erinnere mich, dass ich als Kind öfters darin gelesen habe. Das kleine Bändchen trug den verheissungsvollen Untertitel «Empfänger gut gebaut und gut verstanden». Ich weiss, dass ich mir weder je einen Radioempfänger gebaut habe, noch jemals verstanden habe, wie sie wirklich funktionieren. Aber seit meiner Kindheit faszinieren mich diese Geräte und fasziniert mich die Technik des Radios.

«Ein leichter Druck auf einen Schalter oder eine Taste zaubert strahlende Musikklänge und neueste Meldungen in unser Heim. Hätte das jemand vor sechzig Jahren prophezeit, so wäre er ausgelacht worden. Heute ist uns das ‚Radio‘ eine Selbstverständlichkeit.»

So lautete der erste Satz der Einleitung. Das Buch erschien in den 1960er Jahren in mehreren Auflagen, mir stand die «7., verbesserte Auflage» zur Verfügung und gelesen hatte ich das Buch wohl zu Beginn der 1970er Jahre.

Wie ein Radio funktioniert, habe ich seit diesem Buch viele Male nachgelesen. Verstanden habe ich es immer noch nicht. Meine früheste Erinnerung an das Radio ist ein kleines, graues Gerätchen, so gross wie eine aufgeblähte Schachtel Zigaretten, in einem braunen Kunstleder-Etui. Eingebaut war ein plärrender Lautsprecher, viel interessanter aber war ein Ohrstöpsel, den man einstecken und mit dem man unbesorgt unter der Bettdecke stundenlang Radio hören konnte. An zwei Arten von Sendungen kann ich mich noch erinnern: Hörspiele und Fussballübertragungen. Mit diesem kleinen Gerät entdeckte ich damals neue Klangwelten und fand es faszinierend, dass das kleine Wundergerät mir jederzeit und überall Musik und Sprache ins Ohr zaubern konnte.

Wie umständlich ist damit verglichen Internet-Radio. Eine ganze Armada von Geräten und eine Vielzahl von Einstellungen sind notwendig, bis ein bisschen Schall ertönt. Radio ist heute nur noch Hintergrundgeräusch und kleine Radioempfänger aus Plastik kleben auf den Mickey Maus-Heftchen als Beigabe.

Aber hätte jemand vor vierzig Jahren prophezeit, dass das Radio dereinst von einem Computernetzwerk abgelöst werden könnte, so wäre er ausgelacht worden. Damals war uns das Radio eine Selbstverständlichkeit.

Ein Gedanke zu „Beiträge zur Archäologie der Kindheit“

Schreibe einen Kommentar