In Wien brennt die Uni. Na und?

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Seit Wochen wird in Wien und anderswo gestreikt, werden Hörsäle besetzt und ein Ende der Ökonomisierung des Bildungswesen gefordert. Das finden auch wir digitale Historiker im fernen Basel ganz toll. Schon alleine deshalb, weil eine zünftige Portion Neid mitschwingt: Mit unserem Studienbeginn in den 1980er Jahren waren wir irgendwie zu jung für die 1968er Bewegung und sind wohl zu alt für die 2009er Unruhen.

Dezidiert weniger toll – um nicht zu sagen: ziemlich geschmack- oder zumindest hirnlos – finden wir das Motto der Wiener Jungspunte: «Die Uni brennt». Hallo? Die Uni brennt? Ist das ein schlechter Scherz? Oder österreichische Tradition?

Ja, richtig: was passiert, wenn die Uni brennt? Dann brennen auch die Bücher. Nix Neues im glückseligen Österreich. Und wenn wir schon dabei sind: Das passt doch bestens zum 9. November. Nein, nicht Mauerfall, da war doch noch etwas. Richtig, Reichspogromnacht Reichskristallnacht (das tönt irgendwie weniger böse).

Wir nehmen also zur Kenntnis: «Wien bleibt Wien» (klicken auf eigenes Risiko!).

3 Gedanken zu „In Wien brennt die Uni. Na und?“

  1. Hmmm, in den 1980er Jahren hat die Teenie-Neue-Deutsche-Welle-Punk-Pop-Band „Extrabreit“ (!) bereits die Parole „Hurra, Hurra, die Schule brennt“ ausgegeben (siehe YouTube). Dort war die Logik (?) aber „Schule brennt = schulfrei“ – ob das hier bei der Uni auch so gemeint sein soll? Ach ja, und die Jugendunruhen von 1980 (die auch Kollega Haber mitbekommen hat, die aber damals an den Unis keine Spuren im Sinne von Aula besetzen hinterliess) hatten auch mal so eine Parole: „Züri brännt“, da gibt es sogar einen Film gleichen Namens. Auflehnung – Protest – Feuerzeug: Gehört wohl irgendwie zusammen. Dabei gäbe es genügend problematische Beispiele des politisch relevanten Zündelns, wie Kollega Haber zurecht bemerkt. Mir fällt da spontan noch Fahrenheit 451 von Ray Bradbury ein (verfilmt von François Truffaut: Dort rückt die Feuerwehr aus, um Bücher zu verbrennen. Die sind nämlich allesamt in der zukünftigen Gesellschaft verboten.
    Ich selber habe übrigens an den Studi-Protesten, die 1988 durch die damalige BRD rauschten (also eigentlich vor allem durch Berlin) noch selbst aktiv mitgewirkt. Damals haben wir nicht nur die Aula besetzt, sondern mit Rollkommandos auch aktiv Lehrveranstaltungen gesprengt und den Streik auch gegen „wissensdurstige“ Streikbrecher durchgesetzt. Naja, was das gebracht hat. Damals waren die schlechten Studienbedingungen auch ein Thema, eher ausserhalb (Wohnungssituation), aber durchaus auch innerhalb der Uni (Studien- und Prüfungsordnungen).

  2. Wir danken Kollega Hodel für diesen persönlichen Beitrag und freuen uns, dass es ihm so elegant gelungen ist, vom eher allgemeinen (aber offenbar nicht allgemein für relevant gehaltenen) Thema Unsensibilität (um es höflich auszudrücken) der Wiener Studierenden auf das eher spezifische Thema der Hodelschen Befindlichkeit überzuleiten.

  3. Wenn ich anfinge, hier meine Befindlichkeit auszubreiten, würde das anders aussehen. Aber ich nehme den Ball von Kollega Haber gerne auf, um auf den gerne verdrängten Umstand hinzuweisen, dass die (nationalsozialistisch kontrollierte) Deutsche Studentenschaft (=Dachverband der deutschen Studentenorganisationen) 1933 die berüchtigte Bücherverbrennung organisierte. Damit sei (leider nicht ganz so elegant) die Aufmerksamkeit wieder auf das Thema „Unsensibilität“ bei der Verwendung aktivistischer Parolen zurückgelenkt.

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