Was ist ein Weblog?

Ich vermute, beim Geschichtsblog des Monats, den Kollega Hodel heute vorgestellt hat, müsste es im Text heissen, «dass die Presseschau von Hand erstellt wird» und genau nicht, wie Hodel schreibt, es werde «nicht von Hand erstellt».

So oder so ist dem geschätzten Kollegen bei der Auswahl des monatlichen Geschichtsblogs ein anderer, weiterreichender Fehler unterlaufen. Denn das, was hier präsentiert wird, ist ganz sicher kein Weblog.

Ein Weblog ist ein Journal – sei es ein Tagebuch, ein Arbeitsbericht oder ein Kommentar zu einem bestimmten Thema oder aber auch über G’tt und die Welt. Ein Weblog hat demnach ein inhärentes Narrativ, das sich (unter anderem) durch die rückwärtschronologische Anordnung der Textelemente manifestiert. Falsch hingegen wäre es, eine Website einzig auf Grund der Tatsache, dass eine Weblog-Software verwendet wird, als Weblog zu klassifizieren. Das mag für den Hausgebrauch so funktionieren, aus medienwissenschaftlicher Sicht ist das aber nicht zielführend.

Der NFH, ein Urgestein der Szene, war schon immer eine Presseschau und ist immer noch eine Presseschau. Allerdings kann man sich fragen, was der Wert eines Nachrichtenportals ist, der nebst einiger obskurer Zeitungen die Neue Zürcher Zeitung nicht auswertet.

3 Gedanken zu „Was ist ein Weblog?“

  1. Ja, was ist ein Weblog? Jan Schmidt, eine anerkannte Grösse in der Web 2.0-Forschungsszene, beschreibt das Genre in seiner jüngsten Publikationen (Schmidt, Jan: Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Folgen des Web 2.0, Konstanz 2009) auf S. 24 wie folgt: „Weblogs (auch Blogs) sind relativ regelmässig aktualisierte Webseiten, auf denen die Beiträge (zumeist Texte, aber auch Fotos, Videos oder Audiodateien) in rückwärts chronologischer Reihenfolge angezeigt werden. In der Regel sind die einzelnen Beiträge von anderen Nutzern kommentierbar, sodass Weblogs Merkmale der Homepage und des Diskussionsforums vereinen (vgl. Schmidt 2006). Viele Weblogs basieren auf „stand-alone“-Software wie WordPress (…) Während die Gestaltung und Länge von Blog-Beiträgen keinen Vorgaben unterliegt, erlauben Microblogging-Dienste nur relativ kurze, SMS-artige Einträge (…).“ Von „Journal“ und „inhärentem Narrativ“ kann ich da nichts entdecken. Den kollegialen Vorwurf, hier liege ein Fehler vor, finde ich folglich doch etwas überspitzt.

    Es ist zwar richtig, dass Weblogs vor etwas mehr als 10 Jahren bekannt wurden durch ihre Anwendung als „Web-Tagebuch“, worin sich Durchschnittsbürgerinnen und -bürger der Weltöffentlichkeit mit ihren persönlichen Erlebnissen und Weltanschauungen mitteilten, was zu etwelcher Häme über diese Form der Nabelschau und des Web-Exhibitionismus geführt hat. Dennoch haben auch frühere Definitionen, wie die Definition von Jill Walker im Routledge Encyclopedia of Narrative Theory (Herman, David; et al. (Hg.): Routledge encyclopedia of narrative theory, London 2005.), zwar den Schwerpunkt auf die genannten „typischen“ stilistischen Eigenschaften gelegt, aber bereits eine weite Palette stilistischer Ausprägungen vorgeschlagen: „A weblog, also known as a blog, is a frequently updated website consisting of dated entries arranged in reverse chronological order so that the reader sees the most recent post first. The style is typically personal and informal. (…) Examples of the genre exist on a continuum from confessional, online diaries to logs tracking specific topics or activities through links and commentary.“ (Verfügbar unter http://jilltxt.net/?p=227, Abruf vom 30.6.2010).

    Weblogs, so meine ich, sind vor allem in ihrer Eigenschaft als „Social Media“ zu definieren und zu analysieren. Dazu gehört die Möglichkeit eines Rückkanals: In Weblogs können die Lesenden (wie hier ja auch) mittels Kommentierfunktion auf die Äusserungen reagieren. Ebenso wichtig erscheint mir der in Weblogs sich manifestierende Anspruch, sich als Teil der Netz-Gemeinschaft zu etablieren: Dies streben die Bloggenden dadurch an, dass sie aus ihren Weblog-Beiträgen auf andere Internet-Inhalte verweisen. Das sind zumeist Links zu anderen Blog-Beiträgen (in der Hoffnung, dass ein entsprechender Rücklings folgt), können aber auch Verweise auf andere Inhalte sein, die in den Augen der Bloggenden zur Profilbildung des eigenen Anliegens beitragen. In vielen Weblogs sind Einträge zu beobachten, die nur aus Links zu anderen Web-Inhalten bestehen: sind dann diese Weblogs keine mehr? Oder ist ein Weblog dann keiner mehr, wenn er sich „Presseschau“ nennt?

    Wenn nun jemand für sein eigenes Weblog-Projekt beschliesst, dass er nur Links auf Web-Inhalte publiziert, die ihm interessant erscheinen und der Mitteilung an sein imaginiertes Publikum wert sind, dann ist dies wohl eine sehr extrem reduzierte Form eines Weblogs, die (in diesem betreffenden Fall) der Gestalt einer Presseschau sehr nahe kommt. Doch auch eine Presseschau – wenn sie wirklich von Hand hergestellt wird und (beispielsweise) die NZZ weglässt – stellt durch den Akt der Auswahl, die ja nicht einem Auftrag, sondern einer persönlichen eigenen Vorstellung von verlinkungs-würdigen Inhalten in der Presse entspringt, ein inhärentes Narrativ dar.

    Also: Die Funktonalität ist ein zentrales Kriterium eines Weblogs; der Anspruch, dass die Einträge zwingende Anforderungen an den Stil erfüllen müssten, scheint mir hingegen nicht begründet. Insofern läuft der Vorwurf, hier werde nur aufgrund der Tatsache klassifiziert, dass eine Weblog-Software zum Einsatz komme, ins Leere. Viel eher ein Grund, den NFH nicht als Weblog anzuerkennen, ist meiner Ansicht die fehlende Kommentarfunktion bei den Einträgen.

    Aber wie immer dürfen, sollen und müssen die geneigten Leserinnen und Leser sich zu dieser Frage („Was ist ein Weblog“) eine eigene Meinung bilden.

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