Auf der heutigen Medienseite hat der ostschweizer Verleger Norbert Neininger einige alte Semmelchen aufgewärmt. Das liest sich dann als Einstieg so: «Genau erinnert sich keiner mehr, wann und warum das Internet zum rechtsfreien Raum wurde. Es mag mit der Vervielfältigung von Computerprogrammen und den Musiktauschbörsen begonnen haben oder mit den ersten Manuskripten von noch nicht publizierten Büchern, welche die elektronische Runde machten und gratis gelesen werden konnten.»
Also, lieber Herr Neininger, das Märchen mit dem Internet als einem «rechtsfreien Raum» könnten Sie sich sparen. Das Internet ist so wenig rechtsfrei wie alle anderen Bereiche der Medienwelt. Dass gewisse rechtliche Normen sich so, wie sie heute festgeschrieben sind, nicht einfach so «im Internet» durchsetzen lassen, ist ein anderes Problem.
Aber wir wollen nicht pingelig sein und lesen weiter: Selbstkritisch resümmiert Neininger – immerhin Präsidiumsmitglied des Verbandes Schweizer Presse – dass die Branche lange Zeit die Chancen verschlafen habe, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Jetzt aber, so Neinigner hätten die Verleger die Zeichen der Zeit erkannt und würden «nun auf Paid Content» setzen.
Ach, wie innovativ.
Nun brauche es einen Paradigmenwechsel, so Neininger weiter. Und zwar beim Urheberrecht. Der Verband der Schweizer Presse wolle deshalb die Einführung eines Leistungsschutzrechtes nach deutschem Vorbild forcieren. Das deutsche Vorbild aber ist indes alles andere als unumstritten. Im Gegenteil: Urheber wie Autoren und Medienschaffende sind «not amused» über ihre geplante Entrechtung durch die Verlage. Wer es genauer haben möchte, möge bei Journalist online (Deutschland) weiterlesen. Eine aktuelle und kritische Berichterstattung bietet auch Kollege Graf auf archivalia (einschlägige Hinweise auch bei Twitter, wo Neiniger auch schon Kritik einstecken musste).
Völlig absurd wird es dann gegen den Schluss des Textes, wo Neininger folgende extravagante Behauptung aufstellt:
Mit den von Apple geschaffenen iPhone- und iPad-Apps und dem dahinter liegenden Abrechnungssystem liegt ein erstes einfaches Bezahlsystem vor.
Wie bitte? Apps als das erste einfache Bezahlsystem? Im medienwissenschaftlichen Einführungsseminar würde ich hier tief durchatmen und dann einfach nochmals beginnen. So gesehen ist dann der Schluss fast schon amüsant:
Nachdem klar geworden ist, dass es weder Google noch Wikipedia um die Vermehrung des Wissens, sondern um Marktanteile, Umsatz und Ertrag geht und auch auf den Social-Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook (über Werbung) Milliarden eingenommen werden, verteidigen nun auch Verleger ihre und damit die Interessen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Prüfungsfrage zum Semsterbeginn: «Wieviele sachliche Fehler finden Sie in diesem Absatz?»