Am Sonntagmittag ging in Leipzig die «Critical Point of View»-Konferenz zu Ende. Anders als an den beiden Vorgängerkonferenen in Bangalore und Amsterdam stand diesmal der Dialog zwischen Wikipedisten und Wikipedianern im Vordergrund.
Zur Erinnerung: Wikipedisten sind Forscherinnen und Forscher aller Couleur, die sich mit dem Phänomen Wikipedia befassen, Wikipedisten Wikipedianer hingegen sind die Macherinnen und Macher der Wikipedia. Alle drei Konferenzen sind Teil der Wikipedia Research Initiative.
Die Bilanz nach anderthalb Tagen (den Pre-Workshop nicht miteinberechnet) ist durchzogen. Der Versuch, Wikipedisten und Wikipedianer an einen Tisch zu kriegen, hat ganz offensichtlich nur teilweise funktioniert. Dies wohl in erster Linie deshalb, weil von Seiten der Wikipedisten Wikipedianer kaum Interesse bestand, auf die wissenschaftlichen Diskussionen, die in Leipzig geführt wurden, einzugehen. Dies äusserste sich zum einen in teilweise ziemlich unqualifizierten Diskussionsbeiträgen, zum anderen in einer online praktizierten Diskussionskultur, die als für akademische Gepflogenheiten doch eher unüblich bezeichnet werden muss. Einige Kostproben vom Blog Iberty:
Habe Probleme dem Vortrag von Ramón Reichert zu folgen. Habe den Verdacht, er hält eine Einführung für Soziologen, es würde aber extrem helfen, wenn er sein Publikum ankuckte oder nicht nur ablesen würde, oder kein Nominalstilwunder aufführen würde..
Und sieben Minuten später:
Industriesoziologiediskussion motiviert im Saal sitzende zum Fantasy-Computerspielen. Pfff.
Auch andere kriegen vom anonymen Iberty-Blogger ihr Fett weg:
Dehnübungen im Publikum. Ein Wikipedia-Admin scheint in tiefe Kontemplationen üner die Saaldecke versunken. Borst wechselt das Thema „damit es nicht zu dramatisch wird“.
Wenig zimperlich geht auch Andreas Schmidt mit den Referenten um und twittert:
Ist das Ablesen von Vorträgen, zumal wenn sie klingen wie abgelesene Vorträge, nicht verboten? #cpov
Wieso wir das alles hier auflisten? Zumindest für mich war es ein Novum, dass Twitter an einer Konferenz für eine Art von Feedback eingesetzt wurde, die bisher nicht im öffentlichen Raum ausgehandelt wurde – zumindest nicht in denjenigen akademischen Kontexten, die ich kenne.
Kommentare wie die oben zitierten sind von einer Art, dass man sie niemals zum Beispiel in der Diskussionsrunde im Plenum einbringen könnte. Eher sind das Äusserungen, die man unter guten Kollegen in der Kaffeepause macht. Hier aber – und das ist der springende Punkt – wurden sie im öffentlichen Raum platziert, zum Teil zumindest anonym.
Damit spiegelt sich in den Reaktionen auf die Konferenz ziemlich genau der hämische Pennälerton wider, der auch auf den Diskussionsseiten der deutschsprachigen Wikipedia schon viele Interessenten vertrieben hat.
Die Microblogging-Studie von Interactive Science hat auf die Bedeutung von Twitter bei der Begleitung von wissenschaftlichen Konferenzen und Tagungen hingewiesen. Nicht thematisiert wurde die Möglichkeit, dass an einer wissenschaftlichen Konferenz Twitter von Aussenstehenden eingesetzt wird – so, wie dies an diesem Wochenende in Leipzig der Fall war.
Die mangelnde Dialogbereitschaft der Wikipedianer mit der Wissenschaft hat sich aber nicht nur im Niveau, sondern auch in einem grundlegenden Abwehrreflex wissenschaftlichen Argumentationsweisen gegenüber gezeigt. So gab es in den Diskussionen wie auch in den Tweets und Blogposts hauptsächlich zwei Reaktionstypen: Entweder, dass der Beitrag zu wenig mit Wikipedia zu tun habe oder aber dass er nichts Neues bringe.
Was übersetzt bedeutet: Was zum Wikipedia-Diskurs gehört, bestimmen wir, und das, was wirklich mit Wikipedia zu tun hat, das kennen wir alles schon. Oder noch einfacher: Wir wissen, was wir zu wissen brauchen, und der Rest interessiert uns nicht. Also lasst uns doch in Ruhe.
Vielleicht ist dies ja ein verständlicher Reflex von Beforschten den Beforschenden gegenüber, in der Sache bedeutet dies aber, dass der eigentlich sehr notwendige Dialog der Wikipedisten mit den Wikipedianern weiterhin schwierig bleibt.
Allerdings war auch auf Seiten der Wikipedisten nicht alles aus Gold, was auf den ersten Blick zu glänzen schien. So hatte man tatsächlich bei einigen Referenten den Eindruck, dass ihre «Ahnung von Wikipedia […] vorsichtig gesagt übersichtlich» war. Den Tiefpunkt dabei bildete die abschliessende Podiumsdiskussion, deren Moderatorin nicht nur nicht bei der Tagung anwesend gewesen war (sic!), sondern auch sonst mit einem etwas lückenhaften Bild von Wikipedia auffiel. Solche Fehlbesetzungen, das sei auch in aller Deutlichkeit gesagt, dienen ganz sicher nicht als vertrauensbildende Massnahmen der Wissenschaft gegenüber den Wikipedianern.
Bleibt zum Schluss auf etliche hilfreiche Berichte hinzuweisen, die bereits erschienen sind:
- Ein sehr schöner Bericht erschien auf dem .nkblog.
- heise online berichtete zumindest über einen Teil der Konferenz.
- Berichte (der eher trockenen Art) erschienen auch im offiziellen Blog der Tagung.
- Wohl die meisten Tweets zur Konferenz erschienen mit dem Hashtag #cpov und können zumindest für einige Wochen einfach aufgerufen werden (danach verschwinden Tweets in der Regel aus den Suchergebnissen bei Twitter).
- Bilder aus Leipzig gibt es bereits auf flickr, die Videos der Vorträge sollen in den nächsten Wochen folgen.
Nur der Vollständigkeit halber: Im zweiten Absatz muss es vermutlich bei der zweiten Nennung von ‚Wikipedisten‘ ‚Wikipedianer‘ heißen. Thx für den Bericht.
Hmm, soll »weil von Seiten der _Wikipedisten_ kaum Interesse« vielleicht _Wikipedianer_ heißen? Wäre merkwürdig, wenn die Wissenschaftler nicht auf wissenschaftlichen Diskussionen eingehen wollten …
Und weiter unten muss es vermutlich ebenfalls Wikipedianer statt Wikipedisten heißen?
„Dies wohl in erster Linie deshalb, weil von Seiten der Wikipedisten (-> Wikipedianer) kaum Interesse bestand, auf die wissenschaftlichen Diskussionen, die in Leipzig geführt wurden, einzugehen.“
Was die Beurteilung der „Online-Diskussionkultur“ angeht – ja, es gibt Unterschiede zwischen akademischer Diskussionkultur und Onlinediskussionskultur, wobei beide ihr Gutes haben und ich eine Rückmeldung zum Vortragsstil noch nicht prinzipiell für unqualifiziert halten würde. Die akademische Gepflogenheit, Vortäge zu verlesen statt vorzutragen macht es dem Verständnis ja auch wirklich nicht immer leicht, was innerhalb von Academia selten thematisert wird (warum eigentlich?), obwohl es offensichtlich ist.
In der Microblogging-Studie haben wir (ich = Mitautorin) schon auf die Möglichkeit verwiesen, dass Personen, die nicht vor Ort sind, mittwittern – wir haben dieser allerdings nicht als Außenstehende bezeichnet oder verstanden, weil Partizipation über Twitter und Social Media diese Grenzen aufweicht.
Es wäre auch schwer durchzusetzen, Nicht-Teilnehmenden das Verwenden des Konferenzhashtags zu verbieten. Selbst wenn die VeranstalterInnen selbst nicht twittern oder bloggen, kein Hashtag und kein WLAN anbieten, ist mittlerweile und gerade bei einem Thema wie Wikipedia damit zu rechnen, dass es dennoch passiert. Ob das ein Problem ist ist m.E. eine Perspektivensache – man kann es auch Bereicherung verstehen.
Allerdings würde es sich durchaus lohnen, noch einen Nachtrag zu verschiedenen Kommunikationspraktiken und -kulturen zu verfassen – die sehr unterschiedlich Bewertung von z.B. der Praxis des Livebloggens und Twitterns (für die einen unqualifizierte Bemerkungen Außenstehender, für die anderen Offenheit für Feedback und Transparenz) weist darauf hin.
Ob es letztlich eine spezifisches Problem von Academia und Onlinekultur ist, wäre zu prüfen – diese Art von Irritation findet man überall, wo Leute, die es gewohnt sind, sowohl online über Text als auch Face to face, und das sogar oft parallel oer über Text, obwohl sie im selben Raum sind, auf solche treffen, die dies als unhöflich empfinden oder der Ansicht sind, dass diese Rückmeldung zunächst im öffentlichen Raum und nicht anonym plaziert werden wollte.
Letzter Aspekt: Das mit der Anonymität ist relativ, je nachdem wer es betrachtet – ich habe z.B. fünf Sekunden gebraucht, um herauszubekommen, dass Iberty Dirk Franke ist – sein Twitter-Account ist auf dem Blog verlinkt und dort steht sein Name.
Lieber Prof. Haber,
eine ausführlichere Antwort folgt noch, aber eines möchte ich doch gleich richtig stellen. Iberty ist noch in einer Beta-Phase und deshalb die Selbstdarstellung zugegebenermaßen unvollständig. Dennoch steht unter dem Beitrag „Verfasst von dirkfranke um 09:30“. Der Blog selbst verlinkt deutlich auf einen Twitter-Account southgeist, der ebenfalls mit Dirk Franke, Berlin namentlich gekennzeichnet ist. Jener Name Dirk Franke, der auch durchaus sichtbar auf meinem Namensschild stand.
Ganz oben (bei „Zur Erinnerung“) ein Freudscher! Aber vielleicht ist es auch richtig so. Vielleicht will ja auch ein Wikipedist auch ein bisschen Wikipedianer sein! Schaden würde das auf jeden Fall nicht!
Ein Tippfehler im 2. Absatz? Dort ist zu lesen: „Zur Erinnerung: Wikipedisten sind […], Wikipedisten hingegen sind […]“.
Dieser Kommentar kann noch erfolgter Korrektur gelöscht werden.
Einige Anregungen aus den Tweets von peha64 (=Kollega Haber), die ich lieber hier platziere als im noch flüchtigeren Twitter-Strom:
– Lovinks Anmerkung, die Wikipedia sei ein 50er-Jahre Projekt: Fortschrittsgläubig eine universale Wahrheit abbilden wollend (vermute ich mal). Das hat mich schon lange umgetrieben, dass insbesondere zu wichtigen Lemmata nur ein einziger Eintrag erlaubt sein soll, der dann „alle Sichtweisen“ in sich aufnehmen soll. Das ist gerade bei Geschichte eine schwere, wohl zu schwere Bürde, um noch zu lesbaren Artikel zu gelangen.
– Dies führt zur „Einstiegstext-Legende“ (nach Haber’scher Diktion): Ein dermassen unsystematisch aufgeladener, zusammengebastelter, „das muss aber auch noch rein“-Text kann in der Tat nicht leisten, Anfänger/innen in ein unbekanntes Thema einzuführen. Dennoch kann der Text als Einstieg dienen, weil er sich in einem Kontext verortet und Hinweise enthält, die dann eben doch weiterhelfen können. Ich würde daher eher von einer „Einführungstext-Legende“ sprechen – jaja, pedantisch, ich weiss, aber vielleicht klärend. Generell wäre dann nämlich zu fragen, ob sich Lexika-Artikel als „Einführungstexte“ eignen können.
Na gut, dann lasse ich den zweiten (inhaltlichen) Bericht über die Konferenz aus, nachdem Kollega Hodel nun schon, etwas vorwitzig, meine Notizen (Tweets) geplündert hat. So ist das halt mit der digitalen Allmend: Die Frechen zuerst, die Nachdenklichen müssen halt schauen, wo sie bleiben.
Kann man hier nur kommentieren, wenn man Kollega ist? 😉
Danke, Pete, habs korrigiert!
Liebe Jana Herwig,
nein, hier dürfen alle kommentieren, die schon einmal kommentiert haben. Beim ersten Mal müssen wir aber die Posts händisch freischalten (Spam). Das dauert manchmal einen Augenblick, vor allem wenn ich wie jetzt gerade, unterwegs bin).
Danke für den ausführlichen Kommentar und ich freue mich, dass damit die Diskussion mit einer Mitautorin der wirklich sehr lesenswerten Twitter-Studie eröffnet ist.
Mit „Aussenstehenden“ meinte ich nicht diejenigen, die nicht vor Ort waren, sondern diejenigen, die nicht zum akademischen Feld gehören. Vom Kontext her war die Konferenz nämlich eindeutig eine wissenschaftliche Veranstaltung, eine Veranstaltung also der Wikipedisten. Die Wikipedianer waren, wenn ich das richtig überblicke, im Programm nur auf dem Schlusspodium vertreten.
Ein paar Gedanken zu diesem Blog-Beitrag habe ich in meinem Blog zum besten gegeben: http://wiklin.blogspot.com/2010/09/wikipedisten-und-wikipedianer-forscher.html
Ach ja, die frechen Kolleg/innen (cf. Kommentar 8) … Sie sollten den nachdenklichen Autor aber nicht ernsthaft von einer durchdachten Würdigung und Situationsanalyse abhalten – das wäre ja ein nicht zu verantwortender Verlust…
Also: nur zu, Kollega! Ich bin überzeugt, Du holst da noch viel mehr aus den Überlegungen von Lovink et al. heraus als der in der Ferne nur mitlesende Kollega Hodel…
😉
@Peter Haber, danke fürs Freischalten:) Leider war ich nicht auf der Konferenz, insofern konnte ich nicht beurteilen, wie sich vor Ort die Verhältnisse gestalteten.
Zugleich sehe ich genau in dem sich Überschneiden von TeilnehmerInnen aus dem akademischen Feld und den ‚übrigen‘ (Wikipedianer sehen sich ja auch gutem Grund nicht als Außenstehende beim Thema Wikipedia; siehe auch „verständlicher Reflex von Beforschten den Beforschenden gegenüber“) eine große Chance und ich denke, dass gerade dass Themenfeld soziale Medien beide Seiten braucht.
Allerdings hat mich das ‚Twitterati-Suderantentum‘ auch schon häufiger irritiert (und ich habe mich sicher auch schonmal so benommen) – das scheint mir mit der vorliegenden Kommunikationsstruktur mehr zu tun haben als mit ‚Pennälergeist‘.
Zum einen (das müsste man im Detail überprüfen) scheint es, als würden eher negative als positive angemerkt werden, zum anderen gewinnt das ‚Über die vorne Agierenden stumm kommunizieren‘ sehr schnell eine ungute Qualität, die sich vielleicht nicht mal inhaltlich begründen lässt.
Ich hatte ähnliche Erfahrungen bei einem Versuch gemacht, Twitter im Publikum bei den Festspielen in Reichenau an der Rax einzusetzen – während einige von uns (vom Intendant geladenen und bewirteten) Twitterati versuchten, die Figuren des Stücks in die Microblogosphäre zu erweitern, konzentrierten sich andere auf Kritik, Kritik, die m.E. dem Projekt nicht gerecht wurde. Ich hab das damals etwas frustriert so beschrieben:
„In der Summe führt das (meiner Beobachtung nach) regelmäßig zur klassischen Twittersuderei, einer Akkumulation des Kritikwürdigen, die insofern einer Sache nicht gerecht wird, als eben die Möglichkeit zum Abschätzen der Berechtigung der Kritik fehlt als auch die unbekannte Gegensumme dessen, was ‘eh passte’.“ http://digiom.wordpress.com/2010/07/17/twitter-bei-veranstaltungen-twitter-im-theater-eine-kritik/
(N.B.: Es handelte sich nicht um Wikipedianer, sondern theateraffine Twitterati, die bei dem Projekt mitmachten; sudern: Österreichisch für mecken und motzen)
Ich denke, ich werde mal bei Nentwich nachhaken, ob wir Zeit und Ressourcen haben für ein Update oder einen Nachtrag:)
Die etwas zirkuläre Argumentation der Wikipedianer ist mir wohl auch aufgefallen (entweder: „das gibt’s schon!“ oder: „dann mach es doch selbst!“) – auch wenn ich sie in diesem Zusammenhang nicht „Außenstehende“ nennen würde. Im Gegenteil sind Wikipedianer ja eher „Innenstehende“, was das Spezifische ihrer Perspektive auf Wikipedia ausmacht. Ich lese die „Critical Point of View“-Konferenz als ein Zusammentreffen von Innensichten (Wikipedianer) und Außensichten (Wikipedisten) – und das bringt eben auch diesen spannenden Clash of Diskurskulturen mit sich.
Ein Wort noch zur Moderatorin: Nach meinem Dafürhalten kennt sie sich sehr wohl mit Wikipedia aus. Die Podiumsdiskussion hat einen guten Einblick in den Ton innerhalb der Wikipedia gegeben und war auch gut moderiert (ich habe da schon ganz andere Moderationen erlebt).
Lieber Peter Haber,
Danke für den Bericht.
Aus der Referentinnen-Sicht kann ich sagen, dass ich es schade fand, dass mir die Tweets zu meinem Vortrag nicht direkt zugänglich waren. Eine Twitterwall, auf der alle mitlesen können, was die Menschen im Raum zum Vortrag zu sagen haben ist ein gutes Instrument, ins Gespräch mit dem Publikum zu kommen. So meine Erfahrung aus anderen Veranstaltungen. Jede Art des Vortrags krankt daran, dass die Vortragenden mit unbedingt mitbekommen, wenn sie ihre ZuhörerInnen abhängen. Lösen lässt sich das nur, wenn die Gelegenheit zum Dialog gegeben wird, Twitter ist unter bestimmten Voraussetzungen gut dazu geeignet, diesen zu fördern.
Die Form des Vortrags ist allerdings auch angewiesen auf ein Publikum, das bereit ist, sich einzulassen auf die Themen, Thesen und Gedanken derer, die vorne stehen und den Vortragenden die Chance geben, etwas zu entwickeln – auch wenn das erstmal außerhalb der eigenen Erwartungen liegt.
@Nando, könntest Du den Text auch hier posten, bevor die Debatte vollends verzettelt?
So, ich habe in Iberty mal ausführlich geantwortet. Aber um hier weder die Diskussionsseite vollzuspammen noch alle Lesenden nach drüben zu zwingen, ein kleiner Kurzabriss meiner Argumentation:
– Meinem Verständnis nach war das eine öffentliche Konferenz, auf der u.a. fotografiert und gefilmt wurde.
– Vortragsstil mag unter ernsthaften Akademikern kein Thema sein, unter anderen Menschen ist es das aber generell schon.
– Wenn Wikipediaforschung für sich selbst in Anspruch nimmt, theoretisch auch den allerschlechtesten meiner 50.000 Edits als abschreckendes Beispiel in einer Studie/Konferenz/Buch zu publizieren, sollte sie es aushalten, dass öffentliche Auftritte auch öffentlich wahrgenommen werden.
– Mit „kein Interesse“ fühle ich mich deutlich Mißverstanden. ber das Thema reicht in seiner Komplexität für einen weiteren noch zu schreibenden Beitrag.
Als ich hörte, dass die Herrschaften von WMD an der akademischen Tagung mitorganisieren durften, habe ich das Interesse an der Teilnahme verloren.
Diese Leute sind zu unreif, um Kritik als Feed Back zur Analyse und Optimierung zu erkennen, sondern ticken in einem primitiven Freund/Feind-Schema. Kritiker müssen dämonisiert werden, eigene Leute, welche die Linie verlassen, werden geschnitten.
Dieses personelle Niveau ist angesichts des Filters der Wikipedia-Community, der sich Menschen mit einem Minimum an Selbstachtung allenfalls eine begrenzte Zeit aussetzen, leicht zu erklären.
My 50 Cents: http://www.kanzleikompa.de/2010/09/27/wikipedia-konferenz-in-leipzig/
Dann will ich Peters Wunsch folge leisten und poste hier gemäss Dirks Vorbild eine kurze Zusammenfassung (um den Rahmen der Kommentare hier nicht zu sprengen) meines Blog-Beitrages:
Die beiden Blog-Beiträge von Peter Haber und Dirk Franke offenbaren einige Grunddiskrepanzen zwischen der Wikipedia-Kultur und der akademischen Kultur:
– Akademiker pflegen Kritik in diplomatische Worte zu fassen und sind sich offene Kritik nicht gewohnt. Für Wikipedianer sind harte und offene Diskussionen an der Tagesordnung.
– Viele Akademiker sind sprachlich in ihrer Welt gefangen und haben Mühe, den Inhalt zielpublikumsgerecht zu präsentieren. Wikipedianer bereiten Inhalte für ein Massenpublikum auf und sollten sich deshalb Mühe geben, verstanden zu werden.
– Gemäss Wolf Wagner hüllen viele Akademiker ihre Inhalt gar absichtlich in schwer verständliche Sätze, um sich von der Masse abzugrenzen. Wikipedianer bewegen sich auf der Grenze von Akademie und der Masse und sind sich den Transfer gewohnt.
– Viele Akademiker messen der Didaktik nur geringen Wert bei. Hm, viele Wikipedianer auch 😉
Ich fand das Geschehen auf Twitter eigentlich recht ausgewogen. Es gab natürlich Kritik, wenn der Vortrag einen Mangel an Substanz aufwies oder handwerklich schlecht gemacht war – aber es wurden auch viele interessante Aussagen der Redner zitiert oder als Frage in den Raum gestellt. Hier fand ich gerade Ibertys Liveblogging sehr wertvoll – dort ist der Inhalt der Konferenz viel konkreter gesammelt als in normalen Artikeln, meinem eingeschlossen.
Wikipedianer „Außenstehende“ zu nennen halte ich für unglücklich. Kaum jemand ist näher dran am Geschehen als die Wikipedianer selbst.
Darum finde ich es auch völlig in Ordnung, dass sich die Wikipedianer zur Forschung äußern – zumal sie im Programm selbst unterrepräsentiert waren, obwohl das offizielle Ziel lautete „Wikipedia-ForscherInnen, KritikerInnen und Community-MitgliederInnen […] zusammenzubringen“[1]
Zum generellen Phänomen Wikipedisten vs. Wikipedianer vs. Wikipedia-Nutzer muss man eines immer im Hinterkopf behalten: Keine dieser drei Gruppen _schuldet_ den jeweils anderen irgendetwas.
Ich denke viele Diskussionen degenerieren, weil dies den Beteiligten nicht klar ist.
[1] http://www.cpov.de/?page_id=40
Ich lese, wenig zimperlich, Vorträge häufig ab.
Ich vermute, dass Reicherts interessanter Vortrag zu dicht war für viele Nichtwissenschaftler. Mir, in Teilen offenbar unkonzentriert, auch. Ich bin auf’s Paper gespannt, eben weil es ein so ein umfassender theoretischer Überblick war. (Oder das Video zum Nachhören.)
Mein Tweet eignet sich nicht als Beleg für den vermeintlichen Clash zwischen Wikipedisten und Wikipedianer. Ich bin weder das eine noch das andere.
Mein Tweet eignet sich nicht als Beleg für die Nicht-Beschäftigung für die wissenschaftlichen Vorträge auf der Konferenz. Meine – nicht allzu trocken, hoffe ich – Zusammenfassung und Diskussion der zweiten Session liegt seit 24h bei cpov zur Veröffentlichung.
Twitterwalls sind als Feedback-Channels während eines Vortrages ein heikles Instrument.
http://www.zephoria.org/thoughts/archives/2009/11/24/spectacle_at_we.html
Der richtige Link zur ÖAW-Studie (interessant, thx.): http://epub.oeaw.ac.at/ita/ita-projektberichte/d2-2a52-4.pdf
Einiges von der Kritik hier halte ich für berechtigt, allerdings auch einige der Gegenargumente von Dirk Franke auf seinem Blog. Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass ich kein Verständnis dafür habe, wenn Referenten unter der falschen Rechtfertigung von „Wissenschaftlichkeit“ 30 min Zeit ihrer Zuhörer verschwenden, indem sie einen vollkommen unverständlichen Vortrag halten. Wer einen akademischen Titel erlangen kann, der kann auch frei sprechen lernen, das ist kein Hexenwerk (was die überwiegende Mehrzahl der Referenten auch demonstriert hat).
Für mich war es im Übrigen mein erster CPOV, und ich war fast rundum zufrieden.
Hodel schreibt: „Das hat mich schon lange umgetrieben, dass insbesondere zu wichtigen Lemmata nur ein einziger Eintrag erlaubt sein soll“.
Klar, anders als im Brockhaus oder dem hier immer so hochgelobten HLS mit ihren zig Einträgen zu jedem Thema… Im Ernst: Die Wikipedia ist immer noch zuerst einmal ein Lexikon, und nicht die Lösung für alle Weltprobleme (auch wenn Jimmy Wales & Co. das Projekt gerne derart überhohen).
AndreasPraefcke,
deshalb fand ich den Schneider-Vortrag auch einen der Interessantesten, der sich mit der speziellen Gattung des Enzyklopädieartikels befasste. Der erwähnte zum Beispiel, die spezielle (interdisziplinäre) Gattung des Länder- oder Stadtartikels, die es außerhalb der Nachschlagewerke fast nicht gibt, in Nachschlagewerken selbst aber regelmäßig zentrale Werke werden. Auch führte er aus, dass diverse frühe Enzyklopädien versucht haben, ohne Biographien auszukommen, aber eigentlich immer von ihren Lesern gezwungen wurden, welche einzuführen. Und so sehr ich aus persönlichen Gründen die starke Ausrichtung der Forschung auf Begriffsartikel verstehe – tatsächlich gelesen werden eh Städte und Personen.
Bei Schneider sah ich dann auch einen Unterschied zu diversen anderen Forschungsansätzen: Schneider fragte was ist eine Enzyklopädie, wo liegen ihre Stärken und Schwächen. Bei vielen anderen kam es mir so vor, als verwendeten sie einen Maßstab, der mal für andere Zwecke entwickelt wurde, und kamen dann zum Schluß, dass Wikipedia diesen Maßstab nicht erfüllt. Was jetzt so überraschend nicht ist.
Was fanden Sie denn an dem wenigen, was ich zur Wikipedia selbst gesagt habe, genau lückenhaft?
Ich stimme meinem Vorredner (27.) teilweise zu. Wer sich die naturwissenschaftlichen Veröffentlichungen zu Wikipedia und den Umgang gerade der großen Zeitschriften wie nature oder science anschaut, der gewinnt den Eindruck, dass diese etwas unbefangener mit dem Thema umgehen. Abgesehen einmal davon, dass wir (Geisteswissenschaftler) noch nicht einmal über derart fantastische Online-Auftritte von Zeitschriften verfügen. Das WWW ist nun mal kein Buch und Wikipedia schon gar nicht: nicht statisch und interaktionsreich. Ich denke es sagt eine Menge über die Geschichtswissenschaften aus, wie sie mit Wikipedia umgeht. Und die Maßstäbe von gedruckten Enzyklopädien und den Umgang damit überhaupt als Kategorie für eine WWW-Anwendung zu benutzen ist, nun ja, nicht gerade visionär.
@Anja Krieger
Hellhörig wurde ich, als Sie durchblicken liessen, dass Sie an der Tagung, deren Schlusspodium Sie moderieren, gar nicht dabei waren. Das mag ja ein Fehler der Organisation sein, aber ich würde nie und nimmer die Moderation eines Schlusspanels übernehmen, wenn ich nicht zumindest einen substantiellen Teil der dazugehörigen Veranstaltung mitverfolgt hätte.
Eine gewisse Distanz zu den Umgangsweisen in Wikipedia ist mir in denjenigen Passagen aufgefallen, wo es um die Kommunikation zwischen Wikipedisten und „Öffentlichkeit“ ging. Zum Beispiel, als Sie vorschlugen, Stammtische einzurichten. Dieses Thema wird ja von den Wikipedianern seit Jahren diskutiert. Ganz offensichtlich gelingt es den Wikipedianern nicht, die Leute, die sie ansprechen möchten, zu erreichen. Zugleich wäre für die Wikipedisten diese Stammtischfrage deshalb so spannend, weil hier der hybride Charakter von Wikipedia als Netzprojekt und soziale Bewegung so wunderbar greifbar wird.
Aber vielleicht war ich auch einfach enttäuscht, dass die Tagung mit diesem Schlusspodium einfach so impulsarm „ausfranste“. Ich hatte erwartet, dass zum Schluss nochmals die wichtigsten Kernfragen angesprochen und zugespitzt werden.
Aber ich weiss schon: als Moderator/in macht man/frau es sowieso nie allen recht!
@Peter Haber
Ich hätte sehr gerne an der ganzen Konferenz teilgenommen. Leider habe ich keine Institution im Rücken, von der ich ein festes Gehalt beziehe.
Als Freiberuflerin muss ich mehrere Projekte gleichzeitig jonglieren, die meistens nicht in dem Maße honoriert werden, dass ich dafür einen so großen Aufwand wie die Anwesenheit an einer mehrtägigen Konferenz betreiben kann. Trotz persönlichen Interesse ist es für mich Arbeitszeit, und meist stecke ich mehr Zeit in die Vorbereitung, als ich eigentlich sollte (ökonomisch gesehen).
Die Veranstalter haben sich bewusst dafür entschieden, eine Außenstehende moderieren zu lassen, und sie wussten auch, dass ich nicht an der Konferenz würde teilnehmen können.
Durch die Moderation des diesjährigen Chapters‘ Meeting habe ich einige Einblicke in Wikipedia und Wikimedia. Für die Moderation auf der Konferenz habe ich mich in die Debatte eingelesen und mit jedem der TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion ein ausführliches Telefonat geführt, außerdem weitere Thesen per Email abgeklärt. Auf dieser Grundlage habe ich moderiert. Die wichtigsten Aussagen, die die Beteiligten am Telefon geäußert hatten, kamen auch auf dem Podium zur Sprache. Dass dies die Konferenz nicht abbildete, mag sein, aber es bildete die Positionen der Teilnehmer auf dem Podium und damit wichtige Konfliktlinien und Positionen zum Thema ab.
Den Punkt mit den Stammtischen habe übrigens nicht ich vorgeschlagen – da haben Sie mich mit der anderen Dame in Rot verwechselt.
Ein kurzer Hinweis: die Stammtische an sich gibt es bereits, und trotz aller Kritik und des zugegebenermaßen öfters vorhandenen „Stammtischgehabes“ dort, sind sie einer der wichtigeren Orte, um Gelegenheitswikipedianern den Einstieg in die Kerncommunity zu erleichtern und allgemein soziale Kohäsion zwischen verschiedenen Gruppen Wikipedia-Interessierter herzustellen. Stegbauer redete ja auch davon, dass erstmalige Stammtischbesucher entweder ganz aufhören, oder richtig aktiv werden. Der meines Wissens nächstgelegene regelmäßige Stammtisch in der Nähe von Basel ist übrigens der Wikipedia-Stammtisch Lörrach, der nebenbei auch einer der fleißigsten ist,was eine ordnungsgemäße Dokumentation der Treffen angeht.
@Anja Krieger
Ups, ich war sicher, dass das mit dem Stammtisch von Ihnen eingebracht wurde – da dies offensichtlich falsch ist, entschuldige ich mich hier in aller Form bei Ihnen für meine Bemerkung!
Anwesenheit: Ich kann das sehr gut nachvollziehen, was Sie schreiben, aber ich finde es trotzdem keine glückliche Lösung.
“hämische Pennälerton“ das ist genau das Problem in der deutschsprachigen Wikipedia. Und es wird vergrößert, das einige dieser Pennäler und gegenseitig wählenden Admins sich einer Stürmer-Sprache befleißigen. Letztes Beispiel der Admin S1, der mal locker seinen „Beiträge“ mit Wörtern wie „Projektschädling“ aktzentuierte. Einfach mal nach Thomas7 googlen. Thomas7