Digitale Geschichte der Zukunft (nach William J. Turkel)

Den Weblog Digital History Hacks von William J. Turkel habe ich schon als Geschichtsblog des Monats März vorgestellt. Turkel hat letzthin in drei Blog-Beiträgen seine Vorstellungen von der Zukunft der Geschichtswissenschaften im digitalen Zeitalter erläutert. Die Stichworte: Links, Informationsmenge, Interaktion (Mashups).

Im ersten Post „What It’s About 1: Links and Bias“ weist Turkel auf die Bedeutung von Links hin. Das ist nicht besonders neu, aber dennoch grundlegend – auch und gerade für die Arbeit als Historiker/in. Links steuern unseren Umgang mit Informationen nicht nur dadurch, dass wir mit dem Anklicken dieser Links von einer Information zur anderen gelangen, sondern auch dadurch, dass Links zur Währung des Webs geworden sind. Mittlerweile richten Suchmaschinen ihre Trefferausgaben danach aus. Unser Zugang zu den Informationen im Netz wird durch Links gesteuert und beeinflusst.

I would argue, however, that search engine result ranking is the single most pervasive form of bias that has ever existed.

Auch nicht ein neues Problem des digitalen Zeitalters ist die Informationsmenge, bzw. die Informationsflut. Auch sie wurde früher bereits beklagt. Aber das Problem nimmt im digitalen Zeitalter neue Dimensionen an. Damit beschäftigt sich Turkel in seinem zweiten Blog-Beitrag „What It’s About 2: More is Different„. Gerade in den Geschichtswissenschaften sei mehr Informationen nicht einfach „more of the same“ – mit der Zunahme von Informationen steigt auch die ihnen innewohnende Komplexität (hier verweist er auf Roy Rosenzweigs Essay „Scarcity or Abundance? Preserving the Past in a Digital Era„). Mit dem Zugang zu immer mehr Informationen verändern sich die möglichen Fragestellung, aber auch die methodischen Herausforderungen.

Having more changes our ideas of what history and memory are. […] Having more of everything also means that attention becomes a scarce resource.

Das hatte ich schon beim Eintrag zur (scheinbaren) „digitalen Demenz“ erwähnt: das Problem bei der Informationsbeschaffung ist nicht mehr, an die relevante Informationen, die einem bekannt sind und die man überblicken kann, heran zu kommen, sondern vielmehr, die relevanten Informationen, die man noch nicht kennt, aus der grossen Menge vorbei strömender Informationen herauszufiltern.

Schliesslich beschreibt Turkel im letzten Beitrag „What It’s About 3: Interaction“ die Möglichkeiten, die Web 2.0 für die Geschichtwissenschaften bietet. Er legt dabei weniger Gewicht auf die soziale Interaktion, als auf die Verbindung verschiedener, aus unterschiedlichen Quellen stammender Daten in so genannten Mashups. Um das Prinzip zu erklären, verweist Turkel auf ein Beispiel.

In a sample mashup, the text of Thucydides’ History of the Peloponnesian War was passed through a system that extracts geographic names and projected into an interface that includes an interactive map

Thukidides Werk kann also mit einer Karte verbunden werden. Das ist für sich genommen noch nicht so interessant, doch Turkel weist auf drei Besonderheiten hin:

  • Die Verbindung ist dank Internet ortsunabhängig, habe ich in der Schweiz einen Text und es gibt in den USA eine passende Karte für eine Darstellung, kann ich diese nutzen. Ein Mashup-Bestandteil kann irgendwo auf der Welt bereitgestellt werden.
  • Die Daten werden live zusammengefügt: Ändere ich die Angaben im Text, sind diese im Mashup sofort sichtbar.
  • Die Möglichkeiten der interaktive Datenkombination und -bereitstellung wachsen stetig: Ich kann beispielsweise in eine Karte nebst Text auch Audio-Dateien oder Animationen einbinden.

Historiker/innen werden somit immer mehr zu Datenjongleuren, die Quellen „on the fly“ aufbereiten und in verständlichen, interaktiven Umgebungen dem Publikum in einem interpretierenden Setting zugänglich machen.

Historians, in other words, will become designers of experiences and interactions.

Sind wir dafür bereit?

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