Google, meine Daten und ich

Nicht ich nutze Google – Google nutzt meine Nutzung von Google und ich frage mich: Gehören die Daten, die ich bei der Benutzung von Google generiere, mir – oder Google?

Wenn ich bei Archivalia den Hinweis lese, dass in GoogleBooks neuerdings auch die Einsicht in die Quelltexte möglich ist (Texterkennungsoftware sei dank – obwohl diese (noch?) vor alten Schriften kapitulieren muss), denke ich spontan: wie praktisch! Bald (also in 5 Monaten oder in 5 Jahren, je nachdem), sind alle für mich relevanten Bücher auf dem Netz (Volltextversion und Google-Indizierung sei dank) mit einem Mausklick zu durchforsten. Klar, ich kann auch auf das Prinzip Hoffnung setzen, wie Kollege Turkel: der von ihm dringend benötigte Zeitschriftenartikel war auf dem Netz nicht vorhanden. Die Beschaffung auf dem traditionellen Wege (vermutlich haben die US-Amerikaner schon jetzt keinen Subito-äquivalenten Service) schien Turkel zu aufwendig – also liess er die Recherche vorerst auf sich beruhen. Zwei Tage später war der Text in GoogleBooks erhältlich. Der Schlachtruf „Schafft die Uni-Bibliotheken ab“ kommt zwar noch von Studierenden-Seite (und in einem anderen Kontext, in diesem Falle aus dem Seminar „Zur Medienkultur des Netz-Wissens„, das Peter Haber im vergangenen Sommersemester an der Universität Basel durchführte) – doch wann springt der erste neo-liberale Politiker auf den (bereits vor einigen Jahren einmal im Fahrplan aufgeführten) Zug auf, und übernimmt (ohne ironische Brechung) diese Forderung??

Jedenfalls scheint die Sorge der Bibliothekare (zumindest bei den „Big Five“ der USA) sich vor allem darauf zu richten, dass Google bei seinem Bücherdienst auch ja konsequent Metadaten benutzen soll, um dank klarer Strukturierung einen besser nutzbaren Zugang zu den Daten zu gewährleisten. Somit überlassen die Bibliotheken Google nicht nur die Bücher zum Scannen (samt Verwertungsrechten an den Scans), sondern drängen dem Branchenkönig auch noch ihren entscheidenden Mehrwert gegenüber Internet-Volltext-Recherchen auf: die bibliothekarische Erschliessung von Informationen. Fehlt nur noch der Tipp, einen Online-Helpdesk einzurichten, wo ausgebildetet Cybrarians in verschiedenen Sprachen und rund um die Uhr Fragen zur Informationsbeschaffung beantworten, und die Bibliotheken können (nach erledigter Altpapier-Abfuhr) bald neuen Nutzungen zugeführt werden: Chillout-Oasen, Server-Parks, Buch-Museen.

Bei der Frage nach der Ursache für das Engagement von Google, uns kostenlos soviele wertvolle Informationen zur Verfügung zu stellen, denkt man zunächst an Geld: Google verlangt vielleicht einmal Eintritt. Oder deckt uns bis zum Abwinken mit Werbung zu, immer schon auf die entsprechende Suchanfrage in GoogleBooks zugeschnitten.

Doch eigentlich geht es ja um was anderes: Wenn immer mehr Nutzungen der Informationsbeschaffung unterschiedlichster Art über ein und dieselbe Plattform laufen, ergeben sich enorme Möglichkeiten der Profilbildung. Jede Recherche in GoogleBooks sagt etwas über das Interesse der Leser/innen und ihre konkrete Nutzung von Büchern aus – da ist die Amazon-Funktion „Andere Nutzer, die diesen Artikel kauften, kauften auch…“ altbacken dagegen (wobei Amazon und Google nächstes Jahr ohnehin fusionieren werden, oder?). Und wenn Google diese Information noch mit der Verwendung der gefundenen Informationen in Dokumenten auf GoogleDocs, in Mitteilungen in GoogleMail, in den Weblogs von Blogger oder in Karten GoogleMaps kombinieren kann, ist das eine Goldgrube.

Da beruhigt mich doch das Bestreben der Firma, sich staatlichen Zugriffen auf die Benutzer-Daten zu widersetzen (zumindest, soweit es dem Geschäft nicht schadet). Denn schliesslich ist meine Privatsphäre dem Unternehmen wichtig. Genauso wie der exklusive Zugang zu meinen Daten, die Google alleine auswerten will. Gehören die Daten eigentlich noch „mir“?

Nun, das Stirnrunzeln, dass diese Gedankengänge beim mir hervorrufen, wird bei der nächsten Eingabe eines Suchbegriffs ins Google-Suchfenster oben rechts in meinem Browser eine kurze Denkpause auslösen. Dann werde ich denken: Was soll’s, ich kann’s eh nicht ändern. Dann werde ich „Enter“ drücken.

Hoffentlich lassen Sie in ein paar Jahren in der Universitäts-Bibliothek wenigstens das Café geöffnet. Die Aussicht von der Terasse ist so schön. Aber vielleicht bietet mir das GoogleEarth dann auch schon schnell und virtuell.

5 Gedanken zu „Google, meine Daten und ich“

  1. In Google Books sind schon immer Volltextsuchen möglich, das ist ja der Grund, warum es das überhaupt gibt. Neuerdings ist der Quelltext aber auch sichtbar.

  2. Danke für den Hinweis – habe den Text geändert (Für alle, die sich fragen, worauf sich der Kommentar bezieht). Denn klar, trotz der Bildsuche in Google: es geht um die Erschliessung von Texten für die Suchmaschine. Insofern bezieht sich die Aussage über die Texterkennungssoftware auf die Darstellung alter Schrift.

  3. Und noch ein Nachtrag… Die jüngste Ausgabe von Spiegel Extra widmet sich dem dem „Leben 2.0: Wir sind das Netz“. Darin (online leider nicht zugänglich) sinniert der Spiegel auch über die „Entleibte Bibliothek“, die nach dem Buch-Scan-Projekt Google wohl überflüssig werde. Mehr dazu (und insgesamt zum Spiegel Extra) in den nächsten Wochen und Tagen, falls etwas Lohnendes dabei ist.

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