Hand aufs Herz: Wer erinnert sich noch daran, wie Bill Gates anlässlich der Comdex Keynote den digitalen Alltag im Jahr 2005 sah? Ein Blick auf das historische Dokument stimmt nachdenklich. Die Visionen waren damals schon die gleichen wie heute… und sind vielfach eben immer noch nur das: Visionen.
Sein Ausblick unter dem (mittlerweile zum geflügelten Wort gewordenen) Titel „Information at Your Fingertips“ drehte sich vor allem um das ubiquitous computing. Das wird ja erst mit Geräten wie dem iPhone zur (alptraumhaften?) Wirklichkeit (beim iPhone passt übrigens auch erstmals der eingängige Slogan mit den „Fingertips“). Viel drehte sich um ältlich wirkende Träume wie die Wohnung, die über Displays gesteuert wird, Flachbildschirme an der Wand, die abwechselnd Kunstwerke (samt Hintergrundinformationen) zeigen, die (obligate) Sprachsteuerung (warum nur wollen immer alle mit ihren Computern sprechen?). Ziemlich gute Treffer (Zusammenziehen von vielerlei Infos aus dem Netz und Neukonfiguration; verbreitete Video-Bearbeitung) sind neben eher nebensächlichen Vorhersagen zu finden („long filenames“: „I think in 10 years that will probably be commonplace“).
Interessanterweise war die Rolle des Internets in diesen Visionen noch sehr rudimentär. Die hauptsächlichen Informationsträger waren CD-ROM. Und so wirken die damaligen Gates’schen Visionen heute, im Zeialter von Amazon und Google, von E-Banking und Wikipedia doch eher bescheiden:
Another platform for innovation certainly is network and dial-up. On the Internet we’re seeing an explosion of web-type pages. Even though… the White House has recently come up and did some excellent work. They let you listen to Bill Clinton. Go out and see different government agencies, fill out forms. Everybody’s getting involved. Even small companies. One of my favorites out there is a little company called Virginia Diner, let’s you click and see pictures of their famous peanut brittle. You can even fill in a form and order that and they’ll send it to you right away.
Wo er recht hat, hat er allerdings recht:
People think of it as computing but I think that also misleads us because it’s not really about computing. If it’s about any one thing it’s about communications.
Zum Schluss findet sich noch eine Prise Ironie des Schicksals. Bei seiner Zukunftsvision äussert sich Gates auch zum Telefon der Zukunft und formuliert eine Zeile, die wie eine Legende zum (meiner Ansicht nach besten) iPhone-Werbespot „Calamari“ wirkt:
Taking today’s phone system to a new level where we not only have video but we have the intelligence in the system to help us locate things, to follow links, to store the information so we can get at it when we want to.
Hinweis auf Comdex-Keynote via Eintrag in Helge Städtlers Theta-Blog