Einverstanden, ob man Veronica Sass dazuzählen soll, in diese Reihe von Politikern (Guttenberg) und Politikerinnen (Koch-Mehrin, siehe oben), die aufgrund von Plagiatshandlungen, die ihnen dummerweise nachgewiesen werden, zurücktreten müssen, darf man gerne in Frage stellen. ((Scharfsinnige Leser/innen werden bemerken, dass es sich auch bei Einschluss von Veronica Sass um eine sehr kurze „Reihe“ handelt, aber ohne sie wäre es nur ein Paar. Ausserdem wurde der Fall Sass von Kollega Haber bereits einmal in diesem Blog behandelt.)) Und doch sind alle drei Fälle aufgrund der Net-Community ins Rollen geraten – und haben einen politischen Hintergrund.
Interessante Parallele: Die Kombination von Familiengründung, Politkarriere und akademischer Laufbahnplanung scheinen für Plagiate ein prächtiger Nährboden zu sein – oder doch nur für die Aufdeckung von Plagiaten? Denn man fragt sich halt schon: Sind bürgerliche Politiker/innen (und deren Kinder) eher geneigt, Plagiate zu erstellen? Ist das gleichsam eine Frage der politischen Weltanschauung? Nochmal anders: Sind die Akademiker/innen bei den Grünen und der SPD einfach ehrlicher – oder „verlieren“ sie weniger schnell „den Überblick“? Oder hat der hive mind vorderhand nur mal die Regierungskoalition in den Blick genommen? Und, um noch einmal die Anmerkung Kollega Habers aufzunehmen: Interessiert das ausserhalb dieser politisierten und medial aufgebretzelten Fälle an der Uni irgend jemand?
Ich meine, passiert da in Lehre und Betreuung irgendetwas, was über das Erwägen, eine Plagiatserkennungsoftware anzuschaffen, hinausgeht? Denkt mal vielleicht jemand darüber nach, ob bei Leistungsprüfungen und Abschlussarbeiten die Kriterien etwas justiert werden könnten, um von den Hochleistungs-Massenverschriftlichungs-Banalwissensreproduktions-Bedingungen wegzusteuern? Wohl kaum. Lieber den Studierenden noch etwas mehr Angst machen: Pass auf, sonst endest Du wie Guttenberg, mein Lieber (oder wie Koch-Mehrin, meine Liebe). Unsere akademische Ehre lassen wir uns nicht versauen. Also schreib bitte die 2564ste Abhandlung über die Grundlagen der europäischen Finanzausgleichs, aber bitte in eigenen Worten – und ein bisschen originell, wenn ich bitten darf – aber die wichtigste Grundlagenliteratur muss dann schon berücksichtigt und präzise eingearbeitet sein – und den Termin, nächsten Mittwoch, nicht vergessen!
Mag wohl sein, dass die Geschichtswissenschaften nicht so arg betroffen sind, weil es das Fach ja eher auszeichnet, immer wieder sehr abgelegene Partikular-Themen zu entdecken, deren Bedeutsamkeit sich nur dem engen Kreis der eingeweihten Wissenschaftler/innen erschliesst, und wo daher kaum Vorlagen existieren, aus denen ein Plagiat geschustert werden kann. Aber vermutlich ist diese Vorstellung im Zeitalter des Bachelor-Studiums noch mehr Mythos, als sie es eh schon war.
Die Reihe lässt sich um zumindest einen Namen vorübergehend – ich betone vorübergehend – erweitern: MdL Pröfrock (http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/hochschule_artikel,-CDU-Abgeordneter-fuehrt-Doktortitel-vorerst-nicht-mehr-_arid,133841.html)
und 4 gewinnt und ist damit schon fast ne Reihe
Da war ich wohl zu schnell. In Spiegel Online kommentieren Konrad Lischka und Matthias Kremp unter dem Titel „Im Visier der Plagiate-Polizei“ den Trendsport „Plagiatsjägerei“ kritisch und kommen dabei unter anderem zu folgenden Schlüssen:
„Der Generalverdacht ist ein Problem der Plagiatsjäger, einige Freiwillige scheint eher die Abneigung gegen bestimmte Personen und Posten anzutreiben als ein unvoreingenommener Erkenntniswille. (…) Denn der Lohn für die Mühen der Plagiatsjäger ist allein die öffentliche Aufmerksamkeit. Und öffentliche Aufmerksamkeit gibt es nur, wenn die Schwarmintelligenz etwa einen Minister stürzt. Wenn jemand vage Verdächtigungen widerlegt, gibt es keine Berichterstattung, keinen Ruhm, keine Belohnung für die Arbeit der Freiwilligen. Dieser Mechanismus macht sehr unwahrscheinlich, dass ein Plagiatsjäger-Wiki einer Arbeit tatsächlich einmal nach Prüfung des gesamten Textes einen Persil-Schein ausstellt. Wahrscheinlicher ist, dass die Freiwilligen vorher die Lust verlieren, weil sie nichts finden.
Der Generalverdacht bleibt dann aber im Raum – die Arbeit sei ja schließlich noch nicht umfassend von Plagiatsjägern untersucht worden, argumentieren misstrauische Nutzer: Im Zweifel gegen die Doktorwürde.“
Bei PlagiPedi Wiki sind derweil gut 100 Prominente aufgelistet, deren Doktorarbeit auf Plagiarismus untersucht werden sollen.