Wird Wikipedia doch noch salonfähig?

Erstaunliche Nachrichten erreichen uns in diesen Tagen aus den USA. Zumindest unter den Psychologen scheint dort «Wikipedia-Schreiben» zu den neuen akademischen Betätigungen zu gehören, wie The Chronicle of Higher Education gestern berichtete. Nun mag man einwenden, dass die USA nicht Europa und Psychologen nicht Historiker sind (um es vorsichtig zu formulieren), trotzdem gibt der Bericht zu denken.

Wie lässt sich dieser plötzliche Enthusiasmus verstehen? Ist das Selbstdarstellungsdrang, Marketing oder einfach die Suche nach mehr «Kundennähe». Denn mit Wissenschaft hat das wohl nichts zu tun, es ist nicht Forschung, die da betrieben wird und auch als Teil der Lehre dürfte sich das kaum verkaufen lassen. Es sei denn, für Studierende der Medienpsychologie.

Wird Wikipedia-Schreiben als wissenschaftliche Leistung anerkannt, und diese Gefahr steht ganz offensichtlich im Raum, verliert die Wisseschaft noch mehr an Glaubwürdigkeit. Wenn schliesslich jeder halbwegs alphabetisierte Erdenbürger in der Wikipedia mitwursteln kann (was dann die berühmte «Schwarmintelligenz» ergibt, von der Netzapologeten seit Jahren verzückt schwadronieren), wird doch eine hochbezahlte wissenschaftliche Ausbildung ein Luxus – schlussendlich machen die studierten Wikipedia-Schreiberlinge ja doch das gleiche wie die Wikipedianer: ein Textkonvolut namens Wikipedia bar jeglicher wissenschaftlicher Regeln mit Informationshäppchen zu füttern.

Bild: Das Logo von Wiki-Watch an der Universität in Frankfurt an der Oder.

11 Gedanken zu „Wird Wikipedia doch noch salonfähig?“

  1. Da versteh ich nun aber die Schlussfolgerung nicht: Wikipedia darf jeder -> also wird wissenschaftliche Ausbildung Luxus.
    Die Umkehrung begreif ich: wenn Wikipedia-Schreiben als Wissenschaft anerkannt wird, dann schadet das möglicherweise der Wissenschaft selbst.

    Gruss,
    A.

  2. Der Beitrag mutet wie unfreiwillige Satire an. Kann es sein, dass die „hochbezahlte wissenschaftliche Ausbildung“ von PH den neid fördert? Oder sind es die narzisttischen Kränkungen, die diesen unterdurchschnittlich reflektierten Beitrag entstehen ließen?

  3. Ist es keine wissenschaftliche Leistung, Beiträge für Handbücher und Fachlexika zu schreiben? Die Wikipedia ist – teilweise – auf diesem Niveau. Natürlich ist nicht jeder Wikipedia-Beitrag ein wissenschaftlicher, aber das behauptet ja auch keiner. Nur Haber hat auch nach Jahren der ach so wissenschaftlichen Wikipedia-Begleitung das Wesen dieses Projekts immer noch nicht verstanden, wie schon so oft zuvor.

  4. Die Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Das Verfassen von Beiträgen für Handbücher etc. ist genau dann eine wissenschaftliche Leistung, wenn der Text wissenschaftlich qualitätsbeurteilt wird (mittels Peer Review oder einem anderen Verfahren). Insofern scheint das Missverständnis eher bei Ihnen zu liegen, geschätzter Herr AndreasP.

  5. Natürlich auch in einem Wiki die Qualität wissenschaftlich bewertet werden, zumal, wenn eine Institution der wissenschaftlichen Lehre das Schreiben in Wikis anregt, begleitet, korrigiert, bewertet. Wo ist denn bitteschön dann der Unterschied etwa zu einer Diplomarbeit? (außer dass der Kreis der potentiellen Korrektoren, Reviewer, Plagiatsentdecker etc. ungleich größer ist)

  6. Die APS hat nur einen Aufruf veröffentlicht, in dem steht, dass viele Artikel in der Wikipedia von recht zweifelhafter Qualität sind (was bei den Psychologie-Artikeln auch stimmt) und ihre Mitglieder aufgerufen, das zu ändern und an der Wikipedia mitzuarbeiten. Akademische „Credentials“ erwirbt dadurch erstmal keiner, maximal bekommen ein paar Studenten im entsprechenden Kurs ein paar ECTS-Punkte wie für jeden anderen Kurs auch.
    Daraus kann man einfach keinen Untergang der wissenschaftlichen Kultur ableiten – vor allem, da die Psychologie ein für betroffene Menschen nunmal deutlich wichtigeres und sensibleres Feld ist als die Geschichtswissenschaft. Gerade da in den USA das Gesundheitssystem eher merkwürdig ausgeprägt ist, will ich gar nicht wissen, wie viele Leute versuchen, ihre geistigen Erkrankungen mit Wikipedia und Google zu diagnostizieren und zu behandeln. Wenn diese Artikel auf einem brauchbaren Niveau sind, rettet dies im Endeffekt Menschenleben.

    Im Übrigen erinnere ich mich auch noch an eine gewisse Konferenz in Basel, auf der die Anerkennung von akademischen Leistungen für Blogs gefordert wurde 😉

  7. Die Wissenschaft geht unter, wenn Wissenschaftler das von ihnen und ihren Kollegen ermittelte Grundwissen ihrer Gebiete statt in kostenpflichtigen Lehr- und Handbüchern in der öffentlich zugänglichen, einfach erreichbaren Wikipedia als freies Wissen zur Verfügung stellen? Die Wissenschaft geht unter, wenn sie ihre Ergebnisse nicht nur in der hinterletzten Fachzeitschrift oder Festschrift mit 3-5 Lesern veröffentlicht, sondern anschließend in einer öffentlich zugänglichen Enzyklopädie, die tatsächlich Leser auch außerhalb des allerhöchsten Elfenbeinturms hat, auf die erzielten Ergebnisse hinweist? Den Zusammenhang sehe ich nicht auf Anhieb…

    Dass es übrigens die von Ihnen kritisierte „Schwarmintelligenz“ eben nicht gibt, müssten Sie bei Ihren Wikipedia-Forschungen doch eigentlich herausgefunden haben. Viele Grüße

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