Twitter, Blogs und ein paar Konferenzen in den letzten Tagen

Am Dienstag und am Mittwoch fand in Luxembourg ein kleines, aber feines Symposium zum Thema «Websites as sources» statt. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der Uni Luxembourg und vom Centre Virtuel de la Connaissance sur l’Europe (CVCE) organisiert, treibende Kraft und Master Mind hinter der ganzen Sache war Frédéric Clavert, dem auch an dieser Stelle herzlich für die perfekte Organisation gedankt sei!

Die ersten beiden Sektion befassten sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten von Online-Archiven, das dritte und vierte Panel jeweils mit dem Titel «Web History» thematisierten verschiedene Möglichkeiten, im Netz zugängliches Material für historische Forschungen zu nutzen und im letzten Panel ging es schliesslich um Beispiel von digitaler «Public History». Alle Beiträge sind mit einem Abstract und demnächst auch mit Videomitschnitten auf der Symposiums-Seite zu finden.

Mindestens gleich interessant wie die Präsentationen waren die Diskussionen, die auf mehreren Kanälen stattfanden. So wurde, was heute nichts Aussergewöhnliches mehr ist, ziemlich intensiv getwittert. Doch während bei den meisten Tagungen mit Twitter-Begleitung, die ich in den letzten Monaten erlebt habe, zumeist direkt zum Thema der gerade laufenden Vorträge getwittert wurde, passierte in Luxembourg etwas sehr Spannendes: Mehrmals entwickelte die Diskussion eine Eigendynamik und wir twitterten plötzlich über Fragen, die nur noch indirekt mit dem laufenden Vortrag zu tun hatte.

Die längste und vielleicht wichtigste Diskussion, die auf diese Weise aufkam, war die Frage, ob Digital Humanities als Ganzes Bestand haben werden oder ob nicht eher eine Aufteilung in Digital History, Digital Philology etc. zu erwarten sei. Und – daran anschliessend – ob dann das Digitale nicht bald schon so selbstverständlich sein wird, dass man davon gar nicht mehr wird sprechen müssen. Oder mit anderen Worten: Wie lange wird es den Begriff «Digital Humanities» überhaupt noch geben?

Ich wagte die Prophezeiung, dass in fünf Jahren der Begriff obsolet sein werde. Mein geschätzter Kollege Mark Tebeau tippte auf 10 Jahre und 6 Monate und schlug vor, einen Wettpool einzurichten.

Das führt mich dann auch zu einer anderen Tagung eine gute Woche zuvor, an welcher in München de.hypotheses.org vorgestellt wurde. Kollega Hodel (der, nun, wie er uns mitgeteilt hat, auf dem direktesten Weg zur Promotion sich befindet, bald also wirklich Kollege und nicht mehr Doktorand sein wird. Wir gratulieren!) wird auf die Tagung noch zurückkommen, weshalb ich nur einen einzigen Punkt aufgreifen möchte.

In meinem Schlussvortrag an der Tagung in München plädierte ich dafür, die einzelnen Kanäle wissenschaftlicher Kommunikation besser zu integrieren. Tweets in Blogs einfliessen zu lassen, Blogs zu Aufsätzen weiterzuverarbeiten und – nichts Neues – Aufsätze in Bücher aufgehen zu lassen.

Vor allem die Schnittstelle zwischen Twitter und Blogs beschäftigt mich seit der Tagung in Luxembourg. Wie kann man die Komplexität von Twitter-Diskussionen festhalten und abbilden? Bisher war das Höchste der Gefühle, die einschlägigen Tweets zu archivieren und als Excel-Datei herunterzuladen. Aber das kann es ja nicht gewesen sein, denn damit geht ein Teil der Komplexität verloren. An der gestern und heute laufenden DGI-Konferenz hat Agnes Mainka offenbar Möglichkeiten vorgestellt, um auch komplexere Twitter-Debatten abzubilden. Auf diese Weise sollte es möglich sein, wissenschaftliche Debatten, die in emergenten Medien entstehen, so festzuhalten, dass sie in andere, stabilere Systeme überführt werden können.

Es liegt in der Luft, dass die Suche nach neuen Publikationsformen, die eben nicht einfach das Gedruckte in die digitale Welt transformieren, sondern neue, komplexe Prozesse abzubilden in der Lage sind, vielleicht das grosse Thema der nächsten Zeit sein wird. Mit unserem Projekt Global Perspectives on Digital History sind wir bei einem der spannendsten Initiativen dabei: PressForward. Es scheint, dass zur Zeit völlig neue Strukturen und Netzwerke entstehen, die nicht nur die traditionellen Verlage aussen vor lassen, sondern auch Netzwerke wie H-Net oder H-Soz-u-Kult nicht mehr berücksichtigen. Was heisst das? Zeichnet sich eine neue Spaltung ab: die Projekte der Generation Web 1.0 auf der einen, die neuen, hochgradig vernetzten Netzwerke der Generation Web 2.0 auf der anderen Seite? Und lassen sich diese generativen Zuschreibungen – so sie denn überhaupt Sinn machen – auch auf das Zielpublikum übertragen? Ist H-Soz-u-Kult also das Medium der älteren Generation, während die jüngeren Historiker/innen sich auf hypotheses.org, digitalhumanitiesnow.org und gpdh.org einfinden?

(Anm.: Der Text wurde am 24. März leicht überarbeitet.)

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