Anmerkungen zur Episteme der Wissenschaften

Es war ein schöner Ausflug, neulich nach Köln. Die Forschungsschule a.r.t.e.s. der Uni Köln lud zu einem Forum zum Thema «Episteme». Gekommen waren einige Dutzend junge Artisten – so nennen sich die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Schule – und eine Handvoll Referenten. Geltung, Macht, Zeit und Kunst lauteten die vier Panelthemen, zu denen jeweils zwei Vorträge eingeplant waren.

Aber zuerst ein Wort zu a.r.t.e.s.: Mir scheint, dass diese Schule eine Art Sonderfall in unserer Forschungslandschaft darstellt. Zum einen werden da so wunderbare Themen bearbeitet wie «Der ‚Vogel‘ in der deutschen und französischen Liedlyrik des Hochmittelalters» (Eva-Maria Tönnies) oder «Der Diskurs der Beine. Das Zeichensystem der Capoeira» (Wolfgang Lange). Schon diese Themenwahl verdient Aufmerksamkeit in einer Zeit, da auch Grundlagenforschung immer mehr auf Verwertbarkeit getrimmt sein muss. Zum anderen scheint in dieser Schule eine geistige Offenheit, ein Interesse und ein Engagement zu herrschen, die ebenso aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Kurzum: bei a.r.t.e.s. eingeladen zu werden, ist ein Glücksfall.

Ein Glücksfall waren auch die Vorträge des Tages, von denen einige doch zumindest kurz erwähnt werden sollen. Martin Carrier, dem wir unter anderem so wichtige Publikationen wie zum Beispiel «Nachrichten aus der Wissensgesellschaft. Analysen zur Veränderung der Wissenschaft» (zusammen mit Peter Weingart und Wolfgang Krohn) zu verdanken haben, führte in das Thema Werte und Objektivität in der Wissenschaft ein und sprach einem pluralistischen Objektivitätsbegriff das Wort. Anregend auch der Beitrag von Alexander Becker, der seinem Beitrag den Titel «Was ist eigentlich Pseudowissenschaft?» gab. Als Beispiele nannte er (in dieser Reihenfolge und ohne weiteren Kommentar): Homöopathie, Astrologie, Psychoanalyse, Holocaustleugnung. Okay, darauf muss man auch erst kommen, die Psychoanalyse und die Holocaustleugnung so in eine Reihe zu bringen … Interessant aber die Parallelen, die Becker zwischen den heutigen Pseudowissenschaften und den Sophisten aufzeigte.

Und was wäre nach der Meinung von Nikita Dhawan die adäquate Reaktion der Postcolonial Studies zum Strukturwandel der Öffentlichkeit, wie er von Habermas beschrieben wurde? – Die Frage, woher denn bitteschön der Kaffee gekommen sei, den man(n) in den Kaffeehäusern der Aufklärung getrunken habe. Ach ja, die Aufklärung: Man solle sie, so die Spivak-Schülerin, nicht ablehnen oder ignorieren, sondern einfach neu besetzen. Ein auf alle Fälle anregender Vortrag!

Den Abschluss bildete (noch vor dem musikalischen Ausklang) ein Tischgespräch zwischen der Theologin Saskia Wendel und dem Leiter des Kolumba Museums Stefan Kraus. Charmant und energiegeladen moderiert von a.r.t.e.s.-Direktor Andreas Speer wurde über die Grenzen des Wissens, über Glaube, Kunst und Erfahrung diskutiert – ein Abschluss zu einem Tag über «episteme» [epistä’me] auf hohem Niveau.

Alles in allem ein Tag, um sich anregen zu lassen, neue Ideen zu tanken und das Thema der digitalen Episteme wieder einmal neu zu justieren. Vielen Dank.

Schreibe einen Kommentar