Stefan Weber und die Plagiatsfalle

plagiarius550.jpg

Stefan Weber ist ein scharfsinniger, ein gnadenloser und wohl ein ziemlich gestrenger Plagiatsjäger. Er hat zahlreiche Plagiatsfälle auffliegen lassen und strenge Regeln aufgestellt darüber, was rechtens und was nicht rechtens ist im edlen Feld der Wissenschaften. Auch wenn wir in vielen Fragen eine andere Meinung haben: Seine Hartnäckigkeit und sein entschiedenes Auftreten gegen den Sitten- und Niveauzerfall in den Wissenschaften („Textkultur ohne Hirn“) sind ihm hoch anzurechnen und mit seiner Arbeit übernimmt er eine wenig dankbare Rolle im gegenwärtigen Hype um alles Neue und Moderne.

Umso mehr mussten wir schmunzeln, als wir sahen, dass er bei seinen eigenen Buchtiteln nicht so gar strenge Masstäbe anzusetzen scheint, wenn es darum geht, einen originellen und auch noch originären Titel zu finden. Letztes Jahr erschien sein vielbeachtetes Buch mit dem Titel „Das Google-Copy-Paste-Syndrom„, ein schöner Mix aus „Google-Syndrom„, das wir vor Jahren als Begriff eingeführt hatten und dem Allerweltsausdruck „Copy/Paste“ (was aber immerhin der Titel eines Seminars von mir vor Jahren war …). Als ich augenzwinkernd über diesen kleinen Schönheitsfehler berichtete, schrieb er mir postwendend zurück, das sei ihm nicht bekannt gewesen …

Auch mit seinem neuen Buch ist der Plagiatsjäger – zumal seinen eigenen Kriterien gemäss – vermutlich in die Plagiatsfalle getrampt. „Die Medialisierungsfalle. Kritik der Neuen Medien“ heisst das für 2008 angekündigte Buch. Wir freuen uns schon heute auf die Lektüre und runzeln ob des phantasievollen Titels die Stirn: „Kritik der Neuen Medien. Ein eschatologischer Essay“ nannte Uwe Jochum, der demnächst in Basel auftreten wird, sein hübsches und provokatives Büchlein, Jahrgang 2003.

Und weil wir grad dran sind: Auch Lehrveranstaltungen laden zum – wie sollen wir das nun nennen? – Sich-inspirieren-lassen ein …: das da hat doch mit dem respektive dem eine gewisse Ählichkeit, oder haben wir etwas übersehen? Naja, das seminarbegleitende Weblog fehlt immerhin.

P.S.: Lesenswert indes der Beitrag von Weber auf Inetbib zur laufenden Debatte „Wikipedia vs. Brockhaus“

P.P.S.: Das Bild stammt von der digitalen Edition des Grossen Konversationslexikons von Meyer, das Peter Hug freundlicherweise ins Netz gestellt hat (nein, nicht der Peter Hug …).

11 Gedanken zu „Stefan Weber und die Plagiatsfalle“

  1. Sehr geehrter Herr Haber,

    ich habe Ende 2006 das Buch „Das Google-Copy-Paste-Syndrom“ veröffentlicht, das ich im Sommer 2006 geschrieben habe.

    Zu diesem Zeitpunkt war mir Ihr Aufsatz „Das Google-Syndrom“ nicht bekannt, der sich im Übrigen nur in einem kurzen Abschnitt mit Google bechäftigt und – wenn ich es genau in Erinnerung habe – auf nur ca. einer halben Seite mit Netzplagiaten. Die Lektüre dieses Aufsatzes, die ich mittlerweile nachgeholt habe, hat mir nichts gebracht, ich finde ihn sehr mäßig. Viel besser fand ich eine kurze Arbeit von Ihnen zur Cyberscience (diesen Begriff haben sicher auch Sie erfunden, richtig?).

    Copy-Paste ist, wie Sie ja selbst schreiben, ein allgemein gültiger Begriff. Die Rede von „Google-Copy-Paste“ tritt m. W. erstmals online 2003 auf, weder von mir noch von Ihnen.

    Der Vorwurf, hier etwas geklaut zu haben, ist üble Polemik und hat mit Plagiaten nichts zu tun. Es ist nicht einmal ein Ideenplagiat, und ich unterstelle Ihnen, das auch zu wissen.

    Zu den Wiener Lehrveranstaltungen: Anstatt dass Sie sich freuen, dass es noch eine LV zur netzbasierten Wissenskultur gibt („Zur Medienkultur des Netz-Wissens“ heißt Ihre, zum Henker, wo ist da ein Plagiat???) und dass wir gemeinsam zum selben Thema arbeiten, gingen Sie von Anfang an in die Abwehrhaltung und haben mir in Ihren Blogs wiederholt Dinge wie ein „schales“ Buch oder eben Ideenklau vorgeworfen.

    Peter Weibel und ich stehen als Zeugen dafür, dass wir nicht auf Herrn Haber zurückgreifen mussten, als wir die LV-Titel fixierten. Aber dass ich mich hier überhaupt korrigierend rechtfertigen muss, ist eher traurig.

    Es zeigt, wie kleinkariert Wissenschaftler sein können. Offenbar können Sie es nicht verkraften, dass ich Ihnen „Ihr“ Thema als Monographie weggeschnappt habe.

    Bitte schreiben Sie doch auch ein Buch zum Thema, ich würde es – im Gegensatz zu Ihnen! – mit reinem Interesse an den Inhalten und nicht mit Minderwertigkeitskomplexen lesen.

    PS: Untertitel des neuen Buchs: Ich wollte „Kritik des digitalen Zeitgeists“, will noch immer „Kritik des Lobs der neuen Medien“, der Verlag wollte kürzer „Kritik der neuen Medien“. Plagiatsvorwurf? Erneut eine Groteske.

    LG
    sw

    <<<<<<<<<<<<<<<<<<<<>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
    Priv. Doz. Dr. Stefan Weber Publizistik & Medienforschung
    Schillerstraße 12b 01326 Dresden Deutschland
    Tel. 0049/(0)351/442 57 42 Mobil (österr.) 0043/(0)664/13 13 444

    Publikationsliste: http://www.kfj.at/publikationsliste-stefanweber.htm

    2008 bei VaBene:
    http://www.amazon.de/dp/3851672097
    http://www.vabene.at/collect/analyse/209-1.htm

    2007 bei Heise:
    http://www.amazon.de/gp/product/3936931372
    http://www.dpunkt.de/buecher/3-936931-37-2.html

    LV 2007/2008 Angewandte Kunst/Medientheorie:
    http://sahara.uni-ak.ac.at/4DCGI/le_lv_display?S40256??&1RK56a21
    http://sahara.uni-ak.ac.at/4DCGI/le_lv_display?S40257??&1E56z2Du
    <<<<<<<<<<<<<<<<<<<<>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

  2. Sehr geehrter, lieber Herr Weber,

    Dass Sie mich missverstehen könnten, musste ich befürchen, deshalb noch ein Versuch. Mir geht es überhaupt nicht um einen Vorwurf an Ihre Adresse – mir geht es darum, zu zeigen, wie schwierig die Kategorien sind, mit denen Sie selbst operieren. Ich bin überzeugt – und ich finde, die von mir angeführten, ganz und gar harmlosen Beispiele veranschaulichen dies ganz schön – dass wir mit „weicheren“ Kategorien operieren müssen. Dass wir zumindest in den kulturwissenschaftlich orientierten Disziplinen neue Definitionen des Autoren-Begriffes haben müssen. Neu bennen müssen, was mit einer „eigenen Idee“ gemeint ist. Wenn wir jeden Tag ein paar Hundert Infoschnippsel konsumieren via RSS-Feed, Email und alle anderen Kanäle sowieso, dann ist das, was wir bisher mit einer „eigenen Idee“ bezeichnt haben, nicht mehr das Gleiche wie früher. Das war übrigens des Punkt, der mir in Ihrem Buch gefehlt hat.

    Und zu Ihren Lehrveranstaltungen: natürlich habe ich mich gefreut, dass das Thema, das mich beschäftigt, auch andernorts und mit vermutlich anderen Fragestellungen angegangen wird.

    Hätten Sie etwas gelassener auf meinen augenzwinkernden Kommentar reagiert, hätte ich gerne vorgeschlagen, die Ergebnisse der beiden Lehrveranstaltungen einmal abzugleichen und zu schauen, wo wir zum gleichen und wo wir zu anderen Ergebnissen gekommen sind. Am besten natürlich mit einem Workshop oder einem öffentlichen Videochat.

    Aber mit meinem „Minderwertigkeitskomplex“, den Sie mir charmanterweise angehängt haben, werde ich mich natürlich nicht mehr getrauen, Ihnen so etwas vorzuschlagen.

    Und zu Ihrer Vermutung, Herr Graf und ich würden da sozusagen eine unité de doctrine vertreten: Es ist noch keine Woche her, dass mich Herr Graf mit ähnlich charmanten Worten bedachte, wie Sie, lieber Herr Weber. Also zumindest dieses Verschwörungstheorem müsste nochmals verifiziert werden.

    Fazit: Ich stelle fest, dass im Feld der digitalen Geisteswissenschaften zur Zeit eine aggressive, wenig kooperative Stimmung herrscht. Normalerweise sind das Krisensymptome und es ist nicht auszuschliessen, dass wir tatsächlich in einer ziemlichen Krise stecken. Ich hatte in den letzten Wochen und Monaten allerdings den Eindruck, dass in die Szene ein wenig Bewegung geraten ist und dass jetzt der Zeitpunkt wäre, neue, gute und vor allem auch gemeinsame Projekte in die Wege zu leiten. Wie figura zeigt, ist dass allerdings nicht gerade einfach.

    Freundlich grüsst,

    PH

  3. Nur noch kurz, da ich jetzt längere Zeit offline sein werde: Der primordiale Angriff kam ja auch von Ihnen (zweimal warfen Sie mir schon ein Plagiat vor – und nun das dritte Mal: Sie sprechen ja dezidiert von der „Plagiatsfalle“, in die ich getappt bin). Nun sagen Sie, man könne mit mir nicht kooperieren, weil ich böse geworden bin. Du meine Güte….

  4. Und übrigens: Ihr Denken ist wieder mal rein technology- und media-driven. Der Punkt fehlt nicht in meinem Buch, sondern ich schreibe gerade im Kapitel über die Mythen gleich am Anfang, dass ich von genau diesem Denken weg will.

    Habers Argument (hier im Posting): Mit RSS feeds und Internet überhaupt und und und wird ein neuer Autorenbegriff fällig und ein neues Konzept von „eigener Idee“.

    Webers Argument: Vielleicht wollen wir den alten Autorenbegriff weiter haben und unser klassisches Konzept von „eigener Idee“ (seit ca. 1780, wenn ich es richtig im Kopf habe) und sollten unseren Mediengebrauch überdenken.

    Haber:
    „Neue Technologien erfordern einen neuen Autoren- und Wissensbegriff.“

    Weber:
    „Der alte Autoren- und Wissensbegriff erfordert eine Neubewertung der neuen Technologien.“

    Klar geworden?
    sw

  5. Es ist in meinen Augen eine begriffliche Falle. Wenn Plagiat so enggeführt wird, wie Sie das tun, dann passiert das. Aber wir hören jetzt lieber auf, uns da weiter zu streiten (= schweizerische Streitunkultur?). Mich interessiert nämlich wesentlich mehr, was bei Ihrem Seminar herausgekommen ist und ich hoffe, dass sich das auch im Netz wird finden lassen. Schöne Grüsse, PH

  6. P.S.: Da sich unsere Postings gekreuzt haben: Das was Sie da über die unterschiedlichen Positionen von Weber und Haber schreiben, ist eine sehr gute Auslegeordnung. Ich für meinen Teil würde das gerne weiterdenken, da Sie wirklich die wichtigen Fragen auf den Punkt gebracht haben.

  7. Ich empfinde Webers Ansicht hier eher als kulturkonservativen Rückschritt. Wenn „der alte Autoren- und Wissensbegriff“ eine Neubewertung der Technologien erfordert, dann hätte schon die Druckkunst mit beweglichen Lettern keine Chance gehabt. Das sture Festhalten an einem Begriff und die Bewertung alles anderen an seinen Maßstäben mag heuristisch sinnvoll sein, aber letztlich wird sich das doch als unhaltbar erweisen.

  8. Natürlich muss geistiges Eigentum im Sinne des Urhebers geschützt werden. Das steht nicht zur Debatte. Wobei zu beachten ist, ob der scharfsinnige und gnadenlose Jäger nicht irgendwann zum selbstherrlichen und paranoiden Inquisitor wird.

  9. Ad Andreas – Analogie zur „Druckkunst“:
    Wer sagt denn, dass jede Medienrevolution (Erfindung der Schrift, des Buchdrucks, der elektronischen Medien, des Internets) gleich zu bewerten ist? Muss immer stimmen, dass es zunächst auch Unkenrufe gegeben hat, aber die jeweilige Revolution in der Retrospektive positiv gesehen wird? Könnte nicht der Buchdruck rückblickend ein Fortschritt gewesen sein (Popularisierung des Wissens), das Internet aber – insbesondere neue Formen der Wissensorganisation im Web 2.0 – rückblickend oder schon jetzt ein Rückschritt? Liegt nicht genau der Fehler darin, dass man die gegenwärtige Situation immer mit der Vergangenheit vergleicht und dann in den Analogieschluss verfällt: die Schrift hat die Merkfähigkeit nach einem mündlichen Vortrag nicht abgetötet, durchs Bücherlesen sind wir nicht alle blass, krank und vereinsamt geworden, also muss mit dem Web 2.0 auch alles gut sein?

  10. Das behaupte ich doch gar nicht. Aber das neuen Medium fast schon ausschließlich an den doch gar nicht so alten Begriffen des Urhebers bzw. Plagiators zu messen, halte ich für verfehlt. Könnte nicht der Buchdruck rückblickend ein Rückschritt gewesen sein (starre Festschreibung des Wissens, Geniekult, fehlende Medienkompetenz anhand zu großer Gläubigkeit ans geschriebene Wort), das Internet aber – insbesondere neue Formen der Wissensorganisation im Web 2.0 – vorausblickend eine ältere, vor- und frühneuzeitliche Tradition des Wissens und Wissenserwerbs (die im Wissenschatsbetrieb m. E. doch eher verstorbene Rhetorik und Diskussionskultur) wenigstens _zusätzlich_ wieder möglich machen? Oder etwas niedriger gehängt: Ich sehe das Web 2.0 inklusive Blogosphäre und Wikipedia ganz gerne als Wiedergeburt der aufklärerischen Pamphletflut (oder nennen wir es meinetwegen Schriftstellerrepublik). Diese Zeit kann man nur nachvollziehen, wenn man sich auf die vielen vielen Kleinschriften einlässt und aus dem Grundrauschen versucht, seine Schlüsse zu ziehen. Die waren nicht alle originell, der Nachdruck blühte, die Polemiken und Entgegnungen ebenfalls. Heute heißt das halt Blog. Nur weil es zwischen 1849 und 2000 für so etwas in Deutschland kaum eine Kultur außerhalb von Nischen gab, muss das doch nicht von vornherein schlecht sein.

  11. Ich behaupte, der Schutz des geistigen Eigentums ist unerlässlich, speziell in einer schnelllebigen Zeit wie heute.
    Insbesondere das Internet, welches überfüllt ist mit pseudowissenschaftlichen und falschen Informationen, ist leider keine Revolution um posetiven Sinne.
    Die Menschen wissen oft nicht, ob die von ihnen abgerufenen Informationen nun richtig sind oder nicht. Schlimmer noch, sie werden automaisch als richtig betrachtet.
    Ich muss hier Herrn Dr. Stefan Weber in jedem Punkt rechtgeben.
    Auch der Plagiatsvorwurf gegen Herrn Dr.Weber ist vollkommen lachhaft und zeugt ebenfalls von Unwissenheit und Halbwissen. Kein Mensch kann ein Wort als sein geistiges Eigentium betrachten.
    Das ist kein Plagiatsvorfall von Herrn Mag. Dr. Weber sondern eine reine Schickane, die offensichtlich aus Neid oder Mißgunst entstanden ist.
    Herr Dr, ich zeuge Ihnen meinen vollsten Respekt, und ziehe meinen Hut vor Ihrer wirklich nicht einfachen, und nicht ungefährlichen Arbeit.
    Hochachtungsvoll
    Verena Priller

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert