Ein Eintrag im Adresscompoir unseres geschätzten Kollegen Tantner in Wien hat mich dazu angestiftet, über den Wandel des Rezensionswesens im Zeitalter von Weblogs und Web 2.0 nachzudenken. Tantner hat zusammen mit seinem Kollegen Michael Hochedlinger eine Quellenedition herausgegeben und ein weiteres Buch geschrieben. Beide Publikationen wurden unlängst in der Zeitschrift Historicum von einem gewissen – „gestrengen“, wie Tantner findet – Michael Pammer rezensiert.
Pammers Urteil sei, so Tantner, «in beiden Fällen positiv, die Edition hält er [Pammer] für gründlich und benutzerfreundlich, mein [Tantners] Buch für nicht nur kenntnisreich, sondern auch oft recht unterhaltsam; er findet dafür die abschließende Einschätzung: Insgesamt ein lesenswerter Band.»
Soweit so gut. Der Rezensent habe, so Tantner weiter, auch ein paar kleinere Kritikpunkte und Anregungen formuliert, auf die er, Tantner, gerne eingehen möchte, ist doch – und jetzt kommts – «ein Weblog gerade dafür wie geschaffen».
Sehr schön. Das Weblog als Medium der öffentlichen Privatkommunikation in den Wissenschaften. Tantner greift sich nämlich sechs Punkte aus der Pammerschen Rezension heraus und geht sehr sachlich und ausführlich auf die entsprechenden Kritikpunkte ein. Das ist wissenschaftliches Web 2.0 – wenn auch mit einem gewissen Retardierungsmoment: Die Quellenedition ist 2005 erschienen, die Monographie 2007. Die Historicum-Ausgabe mit der Rezension ist zwar datiert auf 2006, wurde offenbar erst in den ersten Jännertagen des Jahres 2008 ausgeliefert.
Bei der Lektüre von Adresscomptoir habe ich mich gefragt, wie denn diese Art von wissenschaftlicher Kommunikation früher, im analogen Zeitalter, abgewickelt wurde. Hat der Rezensierte dem Rezensenten einen Brief geschrieben oder eine Correspondenz-Karte? Hat er eine Entgegnung an die Redaktion geschickt? Oder hat er den Rezensenten an der nächsten Tagung, an der man sich wieder gesehen hat, auf die Kritikpunkte angesprochen?
Wir wissen es nicht. Oder vielmehr: ich weiss es nicht. Ich habe jedoch den Eindruck, dass es sich bei diesen und ähnlichen Themen um blinde Flecken in der Wissenschaftsforschung handelt. Der mikroskopische Blick auf die Praxen im wissenschaftlichen Feld wäre, so meine Vermutung, indes hochspannend und würde ganz neue Zugriffe auf die Wissenschaftsgeschichte ermöglichen. Aber vielleicht gibt es ja bereits entsprechende Untersuchungen?
Ich kann übrigens auch berichten wie’s dann noch weiterging: Ich habe Michael Pammer eine Mail geschrieben, in dem ich ihn auf den Weblogeintrag aufmerksam machte und aufgefordert, seinerseits nun zu kommentieren, falls er dies wollte. Er mailte dann zurück, dass dies nicht nötig sei.
Im analogen Zeitalter wäre es vermutlich gar nicht zu einer solchen Kommunikation gekommen, allenfalls bei einem persönlichen Treffen.