Wer der guten alten Zeitung mit vierspaltigem Umbruch, Titel, Lead und Lauftext nachtrauert, auf individuell zusammengestellte Informationsangebote aber nicht verzichten möchte, der ist bei Feedjournal genau richtig. Dieser Dienst – in der letzten Ausgabe von Digital Campus kurz vorgestellt – generiert aus einem beliebigen RSS-Feed eine PDF-Datei, die aussieht wie eine klassische Zeitung. Der Umbruch ist noch nicht perfekt und auch sind etliche Features noch nicht eingebaut. Aber alten Hasen, die ihr Studium damals, in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts, mit dem Schreiben von Artikeln für die Tagespresse finanziert hatten, dürfte dieser Dienst gefallen! Und so sieht es aus, wenn unser Weblog eine Zeitung wäre!
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20 Sendungen «Digital Campus» – wir gratulieren!
Vor wenigen Tagen stellten unsere Kollegen vom Center for History and New Media (CHNM) an der George Mason University die zwanzigste Ausgabe ihres Podcasts Digital Campus ins Netz. Wir gratulieren – und nehmen uns vor, uns bald auch mit dem Medium Podcast zu versuchen (schliesslich hat ja die Hälfte der hist.net-Truppe entsprechende Radioerfahrung).
«Digital Campus» wird vierzehntäglich produziert und dauert jeweils eine knappe Stunde. Moderator ist Dan Cohen, der Direktor des CHNM, im zugeschaltet sind Mills Kelly, Babelblogger bei hist.net, und Tom Scheinfeldt, Betreiber des Weblogs Found History.
Jede Sendung hat ein Hauptthema und mehrere Themen, die kurz aufgegriffen und besprochen werden. In der 20. Sendung ging es um Open Access von wissenschaftlichen Büchern und Texten. Dan Cohen berichtete von seinen Erfahrungen mit PublicDomainReprints.org und Mills Kelly stellte Flickr Commons vor, die er auch im Babelblog bereits beschrieb. Ausserdem gab es eine recht aufschlussreiche Besprechung des neuen MacBook Air (Thema: was heisst mobiles Arbeiten in Zukunft?) sowie etliche Tipps und Links aus der Szene.
Die Länge von fast einer Stunde scheint uns recht lange zu sein, aber für Pendler, Jogger und Hemdenbügler dürfte diese Länge ganz willkommen sein. Sehr angenehm ist, dass auf der Homepage jeweils eine kurze Inhaltsangabe sowie sämtliche Links aus der Sendung abrufbar sind.
Mir zumindest ist kein anderer Podcast bekannt, der regelmässig Themen an der Schnittstelle von Geschichtswissenschaft und Neue Medien aufgreift.
The Programming Historian
Wieviel technische Kenntnisse braucht der moderne Historiker, die moderen Historikerin? Welche Kenntnisse müssen wir uns in Zukunft aneignen im Umgang mit technischen und insbesondere digitalen Hilfsmitteln? Vor zehn Jahren war es selbstverständlich, dass Geschichtsstudierende in der Lage sind, ihre Magisterarbeit eigenhändig am Computer zu verfassen. Heute sollte es zum Standard gehören, dass angehende Historikerinnen und Historiker im Netz recherchieren und eine Website aktualisieren können. Und morgen? Werden wir dann selber programmieren können müssen? Tools für semantische Textanalysen bedienen? Bilder analysieren und bearbeiten? Komplexe Datenbanken erstellen?
Zeitbezogene geographische Informationen visualisieren
Martin Sauter berichet in seinem Weblog „Vogelschau. Blog über digitale Kartografie“ von verschiedenen Möglichkeiten, geographische Informationen so zu visualisieren, dass auch der Zeitfaktor einbezogen werden kann. Auf seinem zweiten Block open mind geht Sauter – Historiker und Informatiker von Haus aus und Kommunikationsberater von Beruf – noch ausführlicher auf das Thema ein. Lesenswert!
Wir – das heisst genaugenommen Kollega Hodel – sind schon vor geraumer Zeit an dieser Stelle auf dieses Thema eingegangen. Mir scheint, dass die Entwicklung noch sehr am Anfang steht und das Potential von Seiten der Geschichtswissenschaften erst sehr rudimentär genutzt wird.
Vermutlich ist der Aufwand noch zu gross, ist das Wissen, das es braucht, um solche Projekte aufzusetzen, doch noch recht speziell. Historische Karten allerdings erfreuen sich einer recht grossen Beliebtheit, wie zum Beispiel das kürzlich bewilligte und weitgehend offline konzipierte Projekt eines neuen Historischen Basler Atlasses zeigt.
Die letzten Zuckungen eines maroden Marktes?
Vor einigen Tagen ist in inetbib eine heftige Diskussion über den Verlag Dr. Müller oder auch VDM-Verlag (was ja schon Unsinn ist, wenn doch „Verlag“ in der Abkürzung enthalten ist) entbrannt. Dieser Verlag produziert jährlich Hunderte Bücher von zum Teil fragwürdigster Qualität und verkauft sie zu haarsträubenden Preisen an wissenschaftliche Bibliotheken. Zu den zahllosen Schwerpunkten des Verlages gehört auch der Bereich Bibliothekswesen. Die Mehrheit der Arbeiten basiert auf Diplomarbieten und erfüllt nur selten die Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit.
Eric Steinhauer, promovierter Jurist und Bibliotheksrat an der Bibliothek der Technischen Universität in Ilmenau/Thür, hat in seinem Weblog Skriptorium das Thema aufgegriffen und den Büchermarkt für Diplomarbeiten kurz skizziert (übrigens: ein äusserst lesenswertes Weblog!)
Mein Eindruck ist, dass im wissenschaftlichen Büchermarkt, der alles in allem äusserst marode ist, nun so eine Art von letzte Schlachtenrunde läuft. Bevor der Markt endgültig zusammenbrechen wird, versuchen einige Verlage noch einmal so viel Geld wie möglich abzuschöpfen. Mit dem bevorstehenden Kollaps meine ich übrigens weder die populärwissenschaftlichen Bücher noch den Bereich, der in einer internationalen Liga spielt, sondern den Niedrigstauflagenbereich von Sammel- und Tagungsbänden, Dissertationen und Diplomarbieten, der nur Dank DFG- und SNF-Geldern überleben kann.
Einen schönen Einblick in das Feld der geschichtswissenschaftlichen Buchproduktion gewährt der Sammelband (ja, manchmal gibt es auch gute …) von Olaf Blaschke und Hagen Schulze:
Olaf Blaschke / Hagen Schulze (Hg.): Geschichtswissenschaft und Buchhandel in der Krisenspirale? Eine Inspektion des Feldes in historischer, internationaler und wirtschaftlicher Perspektive, München: Oldenbourg 2006
Eine kurze Rezension des Buches gibt es bei sehepunkte.
Buch der Woche: Perspektiven der Forschung
Alle vier Jahre bilanziert die Deutsche Forschungsgemeinschaft ihre Arbeit in Form eines Berichtes, der jeweils auch in Buchform erscheint. Ziel ist, die Arbeit der letzten Jahre zu verbinden mit einem exemplarischen Ausblick auf die zu erwartende Wissenschaftentwicklung der nächsten Zeit. Nun liegt der 12. Band in dieser Reihe vor.
Auffallend dabei ist, dass – anders als bei ähnlichen Berichten aus der Schweiz – die Geisteswissenschaften nichts als eine randständige Last auftauchen, sondern als selbstverständlicher Teil des wissenschaftlichen Lebens dargestellt werden. So lesen wir in diesem Buch Beiträge vom Theologen Hubert Wolf („Von guten Gutachtern und schlechten Zensoren“) ebenso wie von der renommierten Historikerin Ute Frevert („Internationalisierung: Schlagwort oder Problem?“). Für weitere Informationen siehe hier.
Deutsche Forschungsgemeineschaft: Perspektiven der Forschung und ihrer Förderung. Aufgaben und Finanzierung 2007-2011, Weinheim 2008. 256 S., 49.90 €.
Das Buch der Woche: Geschichte. Ein Grundkurs
Das heutige Buch der Woche hat eigentlich mit digitaler Geschichtswissenschaft oder Neuen Medien gar nichts zu tun. Trotzdem möchten wir es heute hier kurz vorstellen, denn es ist ein hifreiches Kompendium durch die vielen Themen und Felder der aktuellen Geschichtsdebatten. Für die kürzlich erschienene dritte Auflage des von Hans-Jürgen Goertz herausgegebenen „Grundkurses“ wurden zahlreiche Beiträge gründlich überarbeitet und drei neue Themen fanden Eingang in das dickleibige, 860 Seiten umfassende Buch: Linguistic Turn, Diskursanalyse und Globalgeschichte.
Die drei Grosskapitel des Buches sind überschreiben mit „Der historische Erkenntnisprozess“, „Epochen der Geschichtsschreibung, historische Fächer und Spezialdisziplinen“ sowie „Konzeptualisierung von Geschichte“. Die einzelnen Beiträge sind dicht und knapp und mit weiterführenden Literaturhinweisen versehen. Die Themenpalette ist sehr gross, von der Kirchengeschichte über die „Varianten des historischen Erzählens“ bis hin zu Geschichtsdidaktik und Geschichtstheorie sind die meisten heute im Feld der Geschichtswissenschaft diskutierten Themen angesprochen.
Dass das Thema der Medialität der Geschichte und mithin die Frage nach den Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die Geschichtswissenschaft in einem Grundkurs gar keine Erwähnung findet, erstaunt auf den ersten Blick. Bleibt zu hoffen, dass in der vierten Auflage auch diese Aspekte Eingang finden werden.
Goertz, Hans-Jürgen (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs, Reinbek 2007 (3. Auflage).
Gesetz für Open Access in den USA verabschiedet
Wie die Informationsplattform Open Access heute meldet, hat US-Präsident Bush am 26. Dezember den neuen Consolidated Appropriations Act unterzeichnet, ein Paket von Gesetzesbestimmungen, das auch Bestimmungen zu Open Access enthält. Darin werden unter anderem die National Institutes of Health (NIH), die größte staatliche Gesundheitsbehörde und der größte Forschungsförderer im Bereich der Life Science, verpflichtet, Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung spätestens zwölf Monate nach ihrer Publikation kostenlos online der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Bisher galt dies lediglich auf freiwilliger Basis. Es ist das erste Mal, dass die US-Regierung ein Gesetz für den freien öffentlichen Zugang zu staatlich geförderter Forschung unterzeichnet.
Kurze Pause
Wir gönnen uns eine kurze Pause und melden uns rechtzeitig zum Jahreswechsel mit einigen Neuerungen wieder online!
Public Beta Litlink V3
Gerade rechtzeitig für die kommenden ruhigen Tage ist die Public Beta der neuen Litlink-Version 3.0 fertig geworden. Sie kann, zusammen mit einem sechzigseitigen Handbuch, kostenlos für Windows oder Mac OS X im Litlink-Foum heruntergeladen werden.
Aktive Forschungsverhinderung in Deutschland
Wir berichteten bereits vor einiger Zeit über den fulminanten Schildbürgerstreich deutscher Politiker und Richter, das Urheberrecht derart abstrus zu formulieren, dass Errungenschaften des digitalen Zeitalters gleich wieder gespült werden müssen. In einigen Jahrzehnten werden Wirtschaftshistoriker vermutlich die deutsche Urheberrechtspolitik als Beispiel ignoranter Anti-Standort-Förderung in den Schulbüchern behandeln (wenn es dann noch Bücher geben sollte).
Bis dahin – und konkret vor allem ab 1. Januar 2008, wenn die neuen Paragraphen greifen werden und Subito wieder analogen Rückbau betreiben wird – gilt es, sich nach valablen Alternativen umzusehen. Auf Inetbib wurde freundlicherweise das Thema heute lanciert und zum Beispiel darauf hingewiesen, dass die British Library ja wohl nicht unglücklich über die deutsche Entwicklung sein dürfte.
H-Soz-u-Kult in neuem Kleid
H-Soz-u-Kult ist seit heute mit einem neuen, zeitgemässeren Erscheinungsbild online.
Wikipedia: zitieren oder nicht zitieren?
Klaus Graf hat heute auf Inetbib ein sehr gutes Argumentarium verschickt, das ich gerne hier aufnehmen möchte:
(i) Jede Quelle ist „zitierfaehig“. Wenn ich etwas als „Quelle“ heranziehe, muss ich sie nennen.
(ii) Alles kann als „Quelle“ dienen. In einem Referat „Die duemmsten Irrtuemer der Wikipedia“ zitiert man selbstverstaendlich die Wikipedia als Quelle.
(iii) Bietet ein allgemeines Nachschlagewerk eine besonders gelungene oder griffige Definition, so ist es Usus, diese als woertliches Zitat anzufuehren. Bei der Wikipedia hat es sich nicht anders zu verhalten.
(iv) Es gibt hunderte wissenschaftlich zitierfaehige Artikel, die auf dem Niveau eines spezialisierten Nachschlagewerks (nicht: Allgemeinenzyklopädie) sind, das selbstverstaendlich im wissenschaftlichen Diskurs zitiert wird (Lexikon des Mittelalters, Enzyklopädie der Neuzeit usw.).
(v) Vor jedem Zitat hat eine kritische Inhaltspruefung zu erfolgen. Die Wikipedia ist als Online-Quelle genauso zitierfaehig oder nicht zitierfaehig wie die gedruckte „Zwischen Amper und Würm: Heimatbeilage für den Landkreis Starnberg und das Würmtal“.
(vi) In verschiedenen Disziplinen und Kontexten gibt es schon hinsichtlich traditioneller Publikationen unterschiedliche Ansichten darueber, was „zitierfaehig“ist.
Unproblematisch scheinen mir die Punkte (i) und (ii) zu sein – zumindest in der neueren Geschichtswissenschaft ist die Fixierung auf bestimmte Quellengattungen aufgeweicht zu sein. Und dass man zitiert, worauf man sich stützt, ist selbstverständlich.
Interessant wird es meiner Meinung nach bei den Punkten (iii), (iv) und (v) . Hier schreibt Graf zu recht, dass es eine „eine besonders gelungene oder griffige Definition“ sein soll, wenn aus einem Nachschlagewerk zitiert werden soll. Grundsätzlich bin ich mit Graf in diesem Punkt vollkommen einverstanden. Weiterlesen
Stefan Weber und die Plagiatsfalle
Stefan Weber ist ein scharfsinniger, ein gnadenloser und wohl ein ziemlich gestrenger Plagiatsjäger. Er hat zahlreiche Plagiatsfälle auffliegen lassen und strenge Regeln aufgestellt darüber, was rechtens und was nicht rechtens ist im edlen Feld der Wissenschaften. Auch wenn wir in vielen Fragen eine andere Meinung haben: Seine Hartnäckigkeit und sein entschiedenes Auftreten gegen den Sitten- und Niveauzerfall in den Wissenschaften („Textkultur ohne Hirn“) sind ihm hoch anzurechnen und mit seiner Arbeit übernimmt er eine wenig dankbare Rolle im gegenwärtigen Hype um alles Neue und Moderne.
Umso mehr mussten wir schmunzeln, als wir sahen, dass er bei seinen eigenen Buchtiteln nicht so gar strenge Masstäbe anzusetzen scheint, wenn es darum geht, einen originellen und auch noch originären Titel zu finden. Letztes Jahr erschien sein vielbeachtetes Buch mit dem Titel „Das Google-Copy-Paste-Syndrom„, ein schöner Mix aus „Google-Syndrom„, das wir vor Jahren als Begriff eingeführt hatten und dem Allerweltsausdruck „Copy/Paste“ (was aber immerhin der Titel eines Seminars von mir vor Jahren war …). Als ich augenzwinkernd über diesen kleinen Schönheitsfehler berichtete, schrieb er mir postwendend zurück, das sei ihm nicht bekannt gewesen …
Auch mit seinem neuen Buch ist der Plagiatsjäger – zumal seinen eigenen Kriterien gemäss – vermutlich in die Plagiatsfalle getrampt. „Die Medialisierungsfalle. Kritik der Neuen Medien“ heisst das für 2008 angekündigte Buch. Wir freuen uns schon heute auf die Lektüre und runzeln ob des phantasievollen Titels die Stirn: „Kritik der Neuen Medien. Ein eschatologischer Essay“ nannte Uwe Jochum, der demnächst in Basel auftreten wird, sein hübsches und provokatives Büchlein, Jahrgang 2003.
Und weil wir grad dran sind: Auch Lehrveranstaltungen laden zum – wie sollen wir das nun nennen? – Sich-inspirieren-lassen ein …: das da hat doch mit dem respektive dem eine gewisse Ählichkeit, oder haben wir etwas übersehen? Naja, das seminarbegleitende Weblog fehlt immerhin.
P.S.: Lesenswert indes der Beitrag von Weber auf Inetbib zur laufenden Debatte „Wikipedia vs. Brockhaus“
P.P.S.: Das Bild stammt von der digitalen Edition des Grossen Konversationslexikons von Meyer, das Peter Hug freundlicherweise ins Netz gestellt hat (nein, nicht der Peter Hug …).
Bibliographieren 2.0
Lambert Heller weist bei Netbib auf ein Interview mit Trevor Owen, Historiker, Blogger und Zotero-Entwickler hin, in welchem das Thema Bibliographieren im vernetzten Zeitalter thematisiert wird. Das knüpft sehr schön an die Ausführungen an, die ich anlässlich der Steinschneider-Tagung in Berlin hier gepostet habe.