Archiv der Kategorie: Forschung und Praxis

HOK Lesen/Schreiben: Stuff & Stir

Ich nutze eine kleine Gelegenheit, den historischen mit dem Online-Teil bei der Historischen Online-Kompetenz zu verbinden. Via Beats Blog bin ich auf die Unterscheidung zwischen Stuff and Stir in der Online-Didaktik (=eLearning) gestossen. Die Bezeichnung wurde vermutlich von Allison Rossett geprägt. Stuff steht für vorgegebene, stoffbasierte, zuweilen auch hochkomplexe und interaktive programmierte eLearning-Szenarien (Lernumgebungen und Online-Kurse), die vor allem für individuelles Selbstlernen genutzt werden. Stir steht für informelle Umgebungen, in welchen die Teilnehmer/innen sich vor allem selber organisieren, miteinander kommunizieren und die Themen und Fragestellungen selber formulieren müssen, also gemeinschaftlich lernen.

Nun, vereinfacht gesagt geht es da um den Gegensatz von Konstruktivismus (=Stir), den die Geschichtsdidaktik seit Jahrzehnten als bevorzugten Weg zu historischem Wissen (oder zu historischen Kompetenzen) postuliert, und Instruktionismus (=Stuff), der im real existierenden Geschichtsunterricht noch immer vorherrscht.

Die Geschichtswissenschaft neigt zur Gewissheit, in der Hochschullehre herrsche ein (geschichtstheoretisch begründetes) konstruktivistisches Paradigma. Ich wage das etwas zu bezweifeln. Nur weil man den Studierenden (abgesehen von inhaltlich vollgestopften und haarscharf am Instruktionismus vorbeischrammenden Einführungskursen) kaum Anleitung bei der Erlernung des geschichtswissenschaftlichen Handwerks zu teil werden lässt, sollte man nicht auf konstruktivistische didaktische Ansätze schliessen.

Vielleicht lohnte es sich, da einmal zwei Sekunden länger darüber nachzudenken, ehe man die „Copy/Paste“-Mentalität der Studierenden beklagt (dazu mehr unter dem Stichwort „Aggregatoren“).

Um auf Stuff and Stir zurückzukommen. Wo sind die Konzepte und Ideen, ICT/Neue Medien im Sinne des „Stir“ auch in den Geschichtswissenschaften (in Lehre und Forschung) anzuwenden? Insbesondere die Komponente des „gemeinschaftlichen“ (oder auch kollaborativen) Lernens ist ja meines Erachtens noch wenig ausgelotet worden. Darin fliessen die Kompetenz-Dimensionen des Lesens und des Schreibens in der Praxis zusammen. Eine erste (noch sehr luftig-abstrakte) Idee habe ich mit dem „hist.collaboratory“ mal skizziert. (PrePrint zum Download).

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HOK Lesen: Quellen: Urheberrecht (und ein leises Seufzen)

Ich fürchte, dass die Problematik des Urheberrechts für die Historische Online-Kompetenz von zentraler Bedeutung ist. Ich fürchte dies daher, weil ich zugeben muss, dass ich nicht besonders viel Elan beim Durchdringen dieser Problematik aufzubringen vermag: es ist mir zu verkopft und zu widersprüchlich. Vermutlich geht das 98% der Geschichtstudierenden (und Dozent/innen) auch so.

Kevin Kelly hat da ja seine eigenen Ansichten, und ich habe hier ja auch schon einmal einen ersten Versuch gestartet, diese Problematik anzuschneiden und (sehr verkürzt) darzustellen. Derweil geht die Diskussion um die Neuformulierung des Urheberrechts (in Deutschland beispielweise) munter weiter – und auch die Anstrengungen Googles, immer mehr Inhalte zu erschliessen, schreiten voran, ebenso wie die Bemühungen verschiedener anderer Gruppierungen (etwa Bibliothekskonsortien oder Verlage) oder der OpenAccess-Initiative.

Nun kommen schon die ersten Darstellungen als Kinderbuch und als Comic, um die Position der Copyright-freien Nutzung von Inhalten zu propagieren. Diese wenden sich zunächst einmal gegen die rigorose Haltung der Unterhaltungsindustrie, die Musik und Filme rigoros geschützt haben wollen (neuerdings sollen auch Rundfunkprogramme entsprechend vor digitaler Raubkopie geschützt werden…was jedoch nicht unwidersprochen bleibt). Schön.

Aber um die Problematik wirklich zu verstehen, ist wohl doch eine eingehende Auseinandersetzung mit der Sachlage, den Pros und Contras nötig…

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HOK Schreiben: Blog = Microcontent

Bei der Suche nach Ansätzen, Blogs für e-Learning einzusetzen, stiess ich auf den Begriff „Microcontent“. Der Begriff bezeichnet die einzelnen Blog-Einträge, was mir einleuchtend und auch aussagekräftig erscheint. Microcontent erfüllt idealtypisch die Voraussetzungen des Hypertexts auf kleine, in sich geschlossene Informationseinheiten, die modular beliebig miteinander kombiniert werden können.
Auch das Verfassen von Blog-Einträgen in vorliegendem Blog macht mir dies deutlich: die Hemmschwelle zur Publikation ist geringer, da der Kontext nicht a priori schon entwickelt sein muss. Die Zusammenhänge der Microcontents können auch nachträglich durch Verlinkung erstellt werden (wenn das überhaupt erwünscht ist). Sonst muss sich der Leser, die Leserin eben selber die Zusammenhänge erstellen, ganz in Sinne eines „schreibenden Lesens“, der Konstruktion von Sinn aus non-linearen Texten.

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HOK: Lesen – Vom Suchen und Finden XI: Die drei Königswege zur Ordnung im Chaos

Die Meldung von Heise, wonach Yahoo den Bookmark-Dienst Delicious (genauer de.lico.us) aufgekauft hat (ich erwähnte die Firma beim Thema „Tagging“ und „Communities„) stiess mich auf eine Erkenntnis. Yahoo ist einer der führenden Suchmaschinen-Dienste der Welt, ein Konkurrent von Google. Angefangen hatte Yahoo als Verzeichnisdienst, als redaktionell betreutes Angebot von Internet-Adressen, dessen Kategorisierungskriterien ebenso gut gehütet waren und sind wie die Such-Algorithmen und Ranking-Kriterien der Suchmaschinen. So sind nun bei Yahoo die „drei Königswege, Ordnung in das Chaos Internet zu bekommen“ unter einem Dach vereint:

  1. Der konventionelle Weg
  2. Der maschinelle Weg
  3. Der gruppenbasierte Weg

Der konventionelle Weg: Hier werden Fachredaktoren angestellt, die auf professioneller Basis nach fachlichen Kriterien Strukturen erstellen und Inhalte in diese Strukturen einfüllen. Die Analogie zur Arbeit der Bibliotheken ist offensichtlich, aber nicht immer so konsequent umgesetzt wie bei den Subject Gateways, etwa dem History-Guide. Drum ist die Arbeit der Subject Gateways wohl auch immer noch so unbekannt, dass nicht einmal ein Eintrag bei Wikipedia besteht (eine Übersicht über verschiedene Subject Gateways, wobei dort der Begriff sehr weit gefasst ist, ist bei Pinakes zu finden). Das Hauptproblem dieses Weges: die Arbeit ist schier endlos und ihre Bewältigung daher sehr teuer. Viele Projekte, die diesen Weg beschreiten, lassen in der Qualität nach, bzw. genügen wissenschaftlichen Kriterien nicht, oder müssen irgendwann die Arbeit einstellen.

Der maschinelle Weg: Die Hoffnung, dass Computerprogramme das Netz von alleine strukturieren können. Mit anderen Worten: die Suchmaschinen werden immer mehr besser programmiert, gesammelte Datenmengen zu strukturieren. Der Gipfel der Träume: Das semantische Web, in dem die Dokumente derart clever strukturiert sind, dass sie sich gegenseitig erkennen und aufsuchen können. Trotz jahrelangen Ankündigungen gibt es kaum Anzeichen dafür, dass der Durchbruch bevorstehe. Das Internet ist einfach schon zu chaotisch und voller unstrukturierter Inhalte. Das ist kaum „rückgängig“ zu machen.

Der gruppenorientierte Weg: Entweder Projekte im Sinne von Grassroot-Bewegungen: jeder leistet einen kleinen, freiwilligen Beitrag zum grossen Ganzen, und weil das Internet die ganze Welt verbindet, sind die Gruppen gross genug, dass aus dem vielen Kleinen etwas Grosses wird: siehe Open-Source-Software, Wikipedia oder das Webverzeichnis dmoz. Die Gruppenorientierung findet sich in vielen Feedback-Funktionalitäten: bei Amazon etwa „Menschen die diese Buch gekauft haben, kauften auch…“ oder „Kundenrezensionen“. Vom Tagging, dem freien Verwenden von Schlagworten, das auch für Suchmaschinen-Optimierungen gebraucht werden kann, hatten wir es schon mal.

So schliesst sich der Kreis. Bei Yahoo ist alles unter einem Dach. Und auch das hatten wir vor ein paar Jahren schon einmal. Damals hiess es „Portal“. Die Suche nach dem Gral oder dem Ei des Kolumbus wird wohl weitergehen auf den drei Königswegen. Wie ist Struktur in das Chaos zu bringen?

HOK: Lesen – Vom Suchen und Finden X: Browsen

Eibl (2004, 135) unterscheidet in Anlehnung an Kuhlen und MacAleese folgende Formen des Browsen:

  • Gerichtetes Browsen mit Mitnahmeeffekt
  • Gerichtetes Browsen Serendipity-Effekt
  • Ungerichtetes Browsen
  • Assoziatives Browsen

Beim gerichteten Browsen schränkt man die Menge der zu durchforschenden Informationen ein. Am Beispiel einer Bibliothek: man durchstöbert die Bücher einer bestimmten Signatur zu einem interessierenden Sachgebiet. Findet man ausser dem ursprünglich gesuchten Titel andere Bücher, die zum gewünschten Thema passen, nimmt man diese mit (Mitnahme). Findet man ein interessantes Buch zu einem anderen Thema, hat man einen Serendipity-Effekt erzeugt. (Ist es Zufall, dass hier als Beispiel wieder eine Bibliothek auftaucht?).

Das ungerichtete Browsen ist eher einem „internet-globetrotting“, einem ungezielten Wandern durch den Cyberspace zu vergleichen. Treffer sind zufällig (und können ebenfalls als Serendipity-Effekte bezeichnet werden). Assoziatives Browsing wird (irritierenderweise) etwas abschätzig, bzw. wissenschaftlich wenig relevant als „lustbetontes“ Stöbern bezeichnet, das zu Konzentrationsschwäche und Orientierungsverlust führe, weil man einfach den subjektiven Bedeutungszuweisungen bei Verknüpfungen folgen würde. Doch gerade das Bilden von Assoziationsketten scheint mir, sinnvoll eingesetzt, eine stark gestaltende Form des Hypertext-Lesens zu sein, hier wird der Reader zum Wreader.

Neben dem Browsen gibt es weitere Formen der Informationsentnahme aus Hypertexten:
das Anwenden von Suchalgorithmen (dazu gehören Suchmaschinen ebenso wie durchsuchbare Verzeichnissystem, aber auch Website-Suchfunktionen) und das Verfolgen vorgefertigte Pfade (wie bei „guided tours“).

Literatur:
Eibl, Thomas: Hypertext. Geschichte und Formen sowie Einsatz als Lern- und Lehrmedium. Darstellung und Diskussion aus medienpädagogischer Sicht, München: Kopaed 2004