Archivalien verwalten

Historiker arbeiten bekanntlich nicht nur mit gedruckten Quellen, sondern auch mit Archivalien. Erstaunlicherweise sind aber Bibliographierprogramme nicht in der Lage, Archivalien sauber zu verwalten. Das war für uns mit ein Grund, Lit-Link zu entwickeln und in der neuen Version eine eigene Eingabemaske für Archivmaterialien zu reservieren. In einem nächsten Schritt soll Lit-Link auch in der Lage sein, Einträge aus bestimmten Online-Findbüchern direkt zu übernehmen – so, wie dies bei etlichen grossen Bibliothekskatalogen bereits möglich ist mit dem Firefox-Plugin XMLdump von Florian Petran.

Historische Zeitschriften per RSS

Schon wieder die Wiener …! Der (Wiener) Kulturhistoriker Anton Tantner hat auf seinem (nicht nur für Hausnummer-Spezialisten absolut lesenswerten) Weblog namens Adresscomptoir einige geschichtswissenschaftliche Fachzeitschriften zusammengetragen, die ein RSS-Feed anbieten. Ich frage mich, wann die TOC-Dienste von H-Soz-u-Kult oder auch einiger Bibliotheken durch diese Entwicklung obsolet werden. Auf jeden Fall zeichnet sich eine Neustrukturierung des «TOC-Marktes» ab.

«Zeitenblicke» zu Wissenschaft im digitalen Zeitalter

Die geschichtswissenschaftliche Online-Zeitschrift „zeitenblicke“ widmet die jüngste Ausgabe dem Thema „Digitale Medien und Wissenschaftskultur„. Mit Geschichtswissenschaften im engeren Sinne haben nur einige der Artikel zu tun, etwa Jakob Krameritschs Überlegungen zu „Herausforderung Hypertext. Heilserwartungen und Potenziale eines Mediums“ oder Stefan Haas‘ Darlegungen zu „Vom Schreiben in Bildern. Visualität, Narrativität und digitale Medien in den historischen Wissenschaften„. Sonst befassen sich die Artikel von einer allgemeinen kulturwissenschaftlichen Warte aus mit den Phänomenen der „Cyberscience“, etwa im Bereich der Publikationsmöglichkeiten und der Informationssuche oder bezüglich Veränderungen bei der Bedeutung der Autorschaft.

Literatur:

Weblogs als «Frühwarnsystem» für wissenschaftliche Artikel

Mag die Frage, ob Weblogs selbst als wissenschaftlich Publikationen gelten können, noch offen sein, dass sie für das Auffinden von wissenschaftlichen Artikeln hilfreich sind, bekräftigt OpenAccess-Koryphäe Peter Suber in der jüngsten Ausgabe seines OpenAccess-Newsletters (gefunden dank einem Hinweis im Blog Archivalia…)

In 2006, for the first time, I discovered more useful new peer-reviewed literature by searching blogs than by searching journal tables of contents or general indices. Bloggers are very good at finding new articles, often because they are the authors or colleagues of the author. And unlike other discoverers of new articles, bloggers tend to share what they’ve found. There are more bloggers than ever before, including more academic bloggers than ever before. Bloggers are early birds because they’re willing to cover preprints and conference presentations. But they can even scoop journals in announcing published articles because so many journals take inexplicably long to publicize their own work. (Have you noticed that many journals publish a new issue on Day 0, update the online table of contents on Day 2, send out the email or RSS alert on Day 4?) Blogs are better connected to one another and to search engines than journals or even repositories. And for most people, running a couple of blog searches is much easier than running a dozen vertical searches at separate sites. For all these reasons blogs are becoming the Vehicle of First Exposure for a growing body of new research –if not the net’s very first notice of a new article, then its first widely noticed notice. (aus: Peter Suber, SPARC Open Access Newsletter, issue #105, Januar 2007)

Weblogs dienen nach Ansicht von Suber also gleichsam als Frühwarnsystem, das auf interessante Neuerscheinungen aufmerksam machen kann. Das erlebe ich auch so, und mittlerweile empfinde ich regelmässige Abklappern meiner „Stamm-Weblogs“ als ergiebiger als das Durchforsten von Newsletters und Neuerscheinungs-Listen.

Suber hält Weblogs darüber hinaus auch für eine valable Alternative bei gezielten Recherchen. Das müsste ich noch überprüfen, bislang gehört das Durchsuchen von Blog-Einträgen (bspw. bei technorati) nicht zu meinen Suchstrategien, wenn ich auf der Suche nach Publikationen bin.

Abgesehen davon, dass Artikel und andere Publikation hier schneller aufgenommen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sehe ich noch einen anderen Vorteil: In Blogeinträgen stehen die Literatur-Hinweise oft in einem Kontext, der erste Schlüsse darüber ermöglicht, ob der Inhalt für die eigene Arbeitssituation von Interesse ist.

Wichtige Bedingung für das Funktionieren dieser Vernetzungseffekte ist allerdings der Nachweis, wo man jeweils den Literaturhinweis gefunden hat. Das ermöglicht nicht nur die Rückverfolgung (Stichwort „Quellenkritik“), sondern ist auch eine Frage der Netiquette (Stichwort „wissenschaftliche Redlichkeit“).

Wikipedia im Unterricht (II)

Nicht nur Peter Haber: Auch ich werde mich im Sommersemester mit Wikipedia im Unterricht beschäftigen, aber auf eine etwas andere Weise. Ich führe eine Lehrveranstaltung mit dem Titel „Historisches Lernen mit Wikis und Wikipedia“ an der Pädagogischen Hochschule der FHNW durch. Es handelt sich um ein Forschungsatelier, in dem sich die Lehramtsstudierenden mit Themen und Methoden auseinandersetzen sollen, die sie dann für die Abfassung ihrer Diplomarbeit nutzen können.

Diese Lehrveranstaltung wird sich vor allem auf die Rolle von Wikipedia (aber auch generell von Wikis) beim historischen Lernen in der Schule konzentrieren. Ich bin gespannt, inwiefern sich hier Überschneidungen und/oder Ergänzungen zum kultur- und medienwissenschaftlich orientierten Kurs von Peter Haber ergeben.

Wikipedia im Unterricht

Alle reden von Wikipedia, in Basel werden wir konkret! Nachdem uns die Kollegen in Wien schon den Rang abgelaufen haben in Sachen „Erste geschichtswissenschaftliche Lehrveranstaltung mit Weblogs» werde ich im kommenden Sommersemester die vermutlich erste kulturwissenschaftliche Lehrveranstaltung mit und über Wikipedia abhalten. Im Rahmen eines Medienpraktischen Kurses am Institut für Medienwissenschaften der Universität Basel werde ich zusammen mit Studierenden der Medienwissenschaften und der Geschichte Wikipedia als neues mediales Phänomen der Wissenschaftskommunikation untersuchen. In einem zweiten Schritt werden wir selber wissenschaftliche Themen in Wikipedia bearbeiten und dabei beobachten, was mit den Texten geschieht. Dazu werden wir voraussichtlich im hauseigenen Wiki von hist.net einen Bereich einrichten, wo wir die Diskussionen werden führen können. Die Veranstaltung werde ich in vier Halbtagesblöcken zwischen April und Juni durchführen. Wenn ich die Gelder bewilligt bekomme, werde ich auch externe Fachleute nach Basel einladen.

Zum Bloggen in Lehrveranstaltungen (und in der Wissenschaft)

Ich habe zum Ausklang des alten Jahres mir die Zeit genommen, mich ausführlicher in den Weblogs der Lehrveranstaltung „Informatik und Medien in der Geschichtswissenschaft“ an der Universität Wien umzusehen. Hingewiesen habe ich auf diese erstmalige Verwendung von Blogs in einer Lehrveranstaltung der Geschichte im deutschsprachigen Raum bereits vor einigen Wochen zu Semesterbeginn. Ich hatte die Blogs zwar in den letzten Wochen immer wieder mal beobachtet, bislang jedoch noch wenig Anlass gehabt, mich dazu zu äusssern. Dazu gaben erst die letzten Einträge einen Anstoss, als es ums Bloggen ging. Die Studierenden äusserten sich zum Nutzen von Weblogs und reflektierten über ihre Erfahrungen, Einschätzungen und Erwartungen gegenüber diesem Medium. Dies gab mir Anlass, einige Einträge zu kommentieren. Dabei erlaubte ich mir den Luxus, im Gegensatz zu den Betreuer/innen der Lehrveranstaltung unvollständig bleiben zu können und nicht alle Blog-Einträge zu kommentieren.

Einige Erkenntnisse, die beim Durchlesen und Kommentieren zu Tage traten, seien hier kurz zusammengefasst.

Vielfalt
Zunächst fiel mir die formale Vielfalt der Weblogs auf. Da gibt es ausführliche, gegliederte Darstellungen neben kurzen, flachen und kompakten Einträgen. Hier wird die Individualität der Studierenden am deutlichsten sichtbar: man merkt, wem diese Art des schriftlichen Ausdrucks liegt, aber auch, wem es wichtig ist, dass keine Tippfehler oder stilistische Ungereimtheiten im Text vorkommen – entsprechende Korrekturen brauchen natürlich Zeit.

Andererseits weisen fast ausnahmslos alle Einträge nur wenige Links auf. Sie bestätigen damit ihren Charakter als Begleit-Texte zu einer Lehrveranstaltung, die eher „aus einer Lehrveranstaltung in einen Blog“ als „aus dem Web in einen Blog“ geschrieben werden.

In Bezug auf den Inhalt sind sich die Einträge sehr ähnlich, ja fast schon schematisch: sie rezipieren einen vorgegebenen Text, der zusammengefasst und kurz kommentiert wird. Das gibt wenig Anknüpfungspunkte für „Kommentare“ – die auch zum grossen Teil bislang fehlen.

Zeit
Zeit ist (entgegen dem landläufigen Vorurteil) auch für Studierende ein knappes Gut. Das merkt man den Blog-Einträgen zuweilen an: für viele ist dies eine Aufgabe neben anderen, nicht unbedingt ein Herzensanliegen, sondern eine Vorgabe der LV-Verantwortlichen. So halten sich die Einträge oft kurz und werden mit „heisser Nadel“ gestrickt, d.h. kurz vor dem vorgeschriebenen Termin verfasst. Teilweise sprechen die Studierenden die Zeitknappheit (bzw. den Zeitaufwand für die Abfassung von Blogeinträgen) gleich selber an (z.B. bei Barbara Trampitsch oder Julia Zauner). Ina Markova spricht das Thema Zeit auch an, aber anders herum: sie bezweifelt die Sinnhaftigkeit der Aussage, dass Weblogs eine Möglichkeit seien, auf den zunehmenden Zeitdruck im Studium zu reagiere. Nicht, weil sie es nicht für möglich, sondern weil sie es nicht für sinnvoll erachtet.

Öffentlichkeit
Einige Studierende thematisieren auch die Öffentlichkeit, in der die Lehrveranstaltung, bzw. ihre Beiträge dazu durch die Blog-Einträge stehen. In der Tat, hier wird die eigene Arbeit ja nicht einer Teilöffentlichkeit, die aus Dozent, Tutor/innen und Mitstudierenden besteht, präsentiert, sondern buchstäblich allen, die Zugriff auf das Netz haben und der deutschen Sprache mächtig sind (was Barbara Walkobinger im treffenden Titel „Paradoxon Weblog – das öffentliche Tagebuch“ zusammenfasst). So ein Blog-Eintrag mag jeweils nur ein kleiner Tropfen in die unendliche Informationsflut sein. Und doch: wie hätte ich das gefunden, wenn fremde, mir unbekannte Leute Äusserungen kommentierten, die ich im Rahmen einer Lehrveranstaltung formuliert habe? Wie finden das wohl die Studierenden in diesem konkreten Fall? Damit meine ich nicht den Umstand, sich in einer weltweiten Öffentlichkeit zu äussern (wo schon das Mitlesen in den Zusammenfassungen der Mitstudierenden eine neue Erfahrung ist, wie Andreas Schmidt erwähnt), sondern dass man dazu im Rahmen einer Lehrveranstaltung verpflichtet wird – es also nicht selber wählt.

Da kann man durchaus verschiedene Ansichten dazu haben: Ich bevorzuge (ähnlich wie Richard Valenta) die Sicht, dass der „Mut zur Praxis“ letztlich durch Erfahrungen belohnt wird, die sich mit rein theoretischen Auseinandersetzungen (z.B. ein Referat in einem Seminar zum Thema „Bloggen“: Powerpoint, mit schönen Screenshots und knackigen Zitaten) nicht erzielen lassen.

Kommunikation/Interaktion
Ebenfalls wird von einigen Blogger/innen bedauert, dass die Möglichkeiten des gegenseitigen Kommentierens, also des Online-Austausches zu wenig genutzt werde (z.B. Michael Weinrichter oder Peter Sniesko). Hier scheint sich zu bestätigen, was viele Foren-Gründer auch schon erfahren haben. Diskussionen stellen sich nicht von alleine ein. Dass sich hier (bislang) keine Online-Diskussion eingestellt hat, hat wohl verschiedene Ursachen (denk ich mir als Aussenstehender, der nicht Einblick in die Gesamtheit des Lehr/Lernprozesses hat). Einerseits treffen sich die Studierenden in den Präsenzveranstaltungen, deren Diskussionsformen vertrauter sind und daher bevorzugt werden. Zum Anderen gab es bis anhin wenig Anlass zur Diskussion: die Studierenden fassten Texte zusammen und haben bisher kaum abweichende Einschätzungen zu den vorgegebenen Inhalten entwickelt. Das kann sich allerdings schnell ändern, wenn die Aufgabenstellungen etwas anders gefasst werden, worauf auch Philipp Doerler hinweist. Generell wäre auch eine andere Konstellation denkbar, wie Blogs in Lehrveranstaltungen integriert werden: Wechselweise könnte ein Teil der Studierenden die Aufgabe erhalten, auf die Blogeinträge anderer zu reagieren und diese zu kommentieren.

Wissenschaftlichkeit
Hrovje Tokic fragt sich: Können Blogs zitierfähige wissenschaftliche Beiträge sein? Im Prinzip schon, wenn sie Anforderungen an wissenschaftliche Texte erfüllen, mit anderen Worten der Autor bekannt ist und dieser klar darlegt, auf welcher Grundlage er zu seinen Schlüssen gekommen ist (Quellen- und Literatur-Nachweis). Das scheint mir nicht eine grundsätzliche Frage des Formats, sondern eher eine seiner üblichen Verwendung zu sein: Weblogs sind in der Regel eher informell gehaltenes „lautes Denken“; ein Beleg dafür, dass sich im Web geschriebene und gesprochene Form der Auseinandersetzung durchmischen und die Grenzen zwischen Publikation und Kommunikation durchlässiger werden.

Soziale Kontakte
Am meisten beschäftigt die Studierenden die (vermeintliche) Aussage Martin Gasteiners und Jakob Krameritschs (deren Text zu Weblogs den Einträgen zugrunde lag, siehe unter Literatur – sehr ausführliche Zusammenfassung im Blog von Claudia Brandstetter), dass Weblogs im Stress des Studienalltags auch Funktionen sozialen Kontakts wahrnehmen können. Hier gehen alle Äusserungen in die Richtung, dass Weblogs die herkömmliche Form des Umgangs miteinander nicht ersetzen könne (z.B. bei Ina Markova, Michael Reiter, Andreas Schmidt, Dominik Schwarz und Barbara Walkobinger) Dabei geht es ja (wie oft in der Diskussion um Neue Medien) weniger um Ablösung und Ersatz bestehender Nutzungen als um die Erweiterung des Nutzungsmixes – und damit einhergehend die Notwendigkeit zur Entscheidung, in welchem Verhältnis man neue und alte Medien (und die damit zusammenhängenden Kontaktformen) mischen möchte.

Tanja Jenni bringt die letzten Punkte noch einmal anders aufgefädelt auf den Punkt: Sie fragt eigentlich danach, ob ein Blog seinen Sinn und Zweck erfüllen kann, wenn nicht eine aktive Gruppe an der Diskussion partizipiert, die durch die Einträge angeregt werden soll. Ich frage mich (und dies ist keine suggestive Frage): ist der Nutzen eines Weblog abhängig von der Grösse und der Aktivität der Leserschaft?

Mich selber interessiert am Bloggen weniger die Frage, ob es sich durchsetzt oder nicht. Vielmehr nimmt mich Wunder, wer genau zu welchen Zwecken und mit welchen Absichten als Wissenschafter Weblogs betreiben wird: als Hobby zu seinen Lieblingsfilmen, als Ventil, um den im Alltag der Scientific Community angestauten Frust zu verdauen, als Marketingmaschine, um auf die eigene Kompetenz (Forschungsprojekte, Publikationen) hinzuweisen, als Austausch- und Diskussionplattform, die der Themenfindung oder -abrundung dient. Und trennt sich die Scientific Community in eine Gruppe, die sich auf Tagungen trifft und solchen, die sich im Netz austauschen – wobei es beliebig grosse Schnittmengen geben kann?

Oder setzt sich in den Wissenschaften vielleicht nur das Edu-Bloggen als autodidaktische Spielwiese zur Schulung der Schreibkompetenz für angehende Jungakademiker (und als Plagiatsverminderungs-Strategie wie sie Sterngold vorschlägt) durch?

Immerhin haben einige der Studierenden geäussert, dass sie sich zumindest überlegen, ihren Weblog auch nach der Lehrveranstaltung weiter zu führen. Mal sehen.

Literatur:

  • Gasteiner, Martin; Krameritsch, Jakob: Schreiben für das WWW. Bloggen und Hypertexten, in: Schmale, Wolfgang (Hg.): Schreib-Guide Geschichte, Wien 2006, S. 243-271.