Eine Anekdote zwar nur, aber vielleicht lässt sich an ihr die Malaise des wissenschaftlichen Publikationswesens ein wenig aufzeigen. Ich gehöre zu derjenigen Kategorie Leser, die gerne und regelmässig nicht nur den Haupttext, sondern auch die Fussnoten und die bibliographischen Anhänge eines Textes lesen und auswerten. Es kommt sogar vor, dass ich mich zuerst durch die Fussnoten lese und erst dann mit dem Haupttext beginne. Meistens kann ich mir auf diese Weise wesentlich schneller ein Bild vom Inhalt des Textes machen, als wenn ich den Werbetext (sog. «Abstract») lesen würde.
Vor wenigen Minuten traf in meiner Mailbox ein Text ein, den ich über Subito bestellt hatte. Im Text wurde die moderne (und äusserst leser/innen-unfreundliche) Kurzzitierweise verwendet, bei welcher Autor und Jahreszahl in Klammer im Lauftext genannt werden. Das sieht nicht nur hässlich aus, sondern zwingt mich, dauernd zwischen Haupttext und Literaturverzeichnis hin und her zu wechseln. Aber die Anekdote soll von etwas anderem erzählen: Bei den ersten fünf Literaturangaben waren bei zweien die Jahreszahlen falsch, eine Angabe war falsch geschrieben und eine fehlte vollständig in der Literaturliste. Und das Thema des Aufsatzes? Die Geschichte des wissenschaftlichen Schreibens … (das ist kein Witz!)
Ich habe keine Ahnung, ob das Literaturverwaltungsprogramm des Autors von einem Virus heimgesucht wurde oder ob der Lektor den Text im Delirium gelesen hatte – ich als Leser komme mir auf jeden Fall reichlich blöd vor, wenn mir so ein Text vorgesetzt wird. Wenn nämlich dies das Niveau des wissenschaftlichen Publizierens sein soll, kann es nicht verwundern, dass immer lauter über den Nutzen der Geisteswissenschaften nachgedacht wird (übrigens ist diese hörenswerte Sendung, auf die ich hier verlinke, leider nicht mehr als Audiodatei im Netz; ob jemand diese vielen Podcasts irgendwo sammelt …?).