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«The making of» oder Weblogs als sekundäre Medien

Die Redaktion der Tagesschau betreibt ein offenbar recht erfolgreiches Weblog, viele andere klassische Medien machen das auch. Dort berichten Redakteure über ihren Alltag, über Recherchen, Frust und Hintergründe ihrer Arbeit. Ein klassischer «Making of»-Kanal also. Vielleicht würde der Begriff der «sekundären Medien» hier passen.

Auch unser Weblog ist letzlich nicht viel mehr, als ein «Making of»: Während Kollega Hodel mit viel Schwung und Elan an seiner Dissertation arbeitet, versuche ich mich auch gerade an einem allerdings eher theoretisch ausgerichteten Text zum Thema «Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter». Beide dokumentieren wir hier im Weblog gewissermassen unsere Streifzüge durch das Netz und durch die Bibliotheken, zeigen Fundstücke, die wir am Wegesrand gefunden haben, stellen Thesen und Theorien zur Diskussion. Das Weblog ist unser sekundäres Medium zum Primärmedium Buch, wo unsere Arbeiten schliesslich (demnächst) enden werden.

Damit agieren wir im Feld der Geisteswissenschafter und Geistesarbeiter eher atypisch. Geisteswissenschafter sitzen, so will es zumindest das Klischee, in ihrem Elfenbeinturm, brüten über den Büchern und Akten, die sie in Archiven und Bibliotheken ausgegraben haben, und schreiben dann, inspiriert alleine vom Geist der alten Papiere, ihren Text, Geniussen gleich, solitär und singulär.

Die Realität ist eine andere. Wir werden permanent geflutet von Informationen, wissenschaftlichen, halbwissenschaftlichen, pseudowissenschaftlichen, unwissenschaftlichen, von Medienberichten und Konferenzen, H-Soz-u-Kult-Mails und Weblogs. Kein Gedanke, den wir zu Papier bringen (oder zuerst auf den Bildschirm) ist unserem genialen Geiste allein entsprungen. Immer ist eine Assoziationskette, angelesenes Wissen, Erfahrung dabei.

Die Blogosphäre, die wissenschaftsaffine zumal, ist dabei ein besonderer Tummelplatz. Hier kämpfen zumeist institutionell schlecht verankerte Nachwuchsforscher um Aufmerksamkeit und versuchen, vom wervollsten Kapitel der Netzreisenden, von der Zeit, etwas zu ergattern. Sie tun dies in aller Regel in der Hoffnung, dabei indirekt auf dem gesicherten Boden der Offline-Welt mehr Standfestigkeit zu erhalten.

Das «Making of» hat dabei etwas Exhibitionistisches. Es lebt vom Reiz, dass die verbreiteten Informationen meist um eine imaginäre Scham- und Anstandsgrenze von Academia oszillieren.

Heute sind wissenschaftliche oder wissenschaftsaffine Weblogs eine Randerscheinung, eine quantité negligeable in jeder Hinsicht. Das könnte sich indes bald ändern und einiges spricht dafür, dass in wenigen Jahren, wenn die zweite Internet-Generation die Hörsäle füllt, die kulturellen Praxen im Umgang mit Öffentlichkeit und Wissen sich nochmals grundlegend ändern werden.

Habermas 2.0 – Strukturwandel der Öffentlichkeit reloaded

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«Strukturwandel der Öffentlichkeit» – da war doch etwas … ja, richtig, 1962, Jürgen Habermas, seine Habilitationsschrift, ein fulminantes Buch, historische Recherchen, soziologische Analysen.

Habermas beschrieb in diesem Buch Öffentlichkeit als eine zentrale Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, wie sie im Zuge der Aufklärung entstanden war. Die Entwicklung, wie sie durch die elektronischen Massenmedien angestossen wurde, hatte Habermas ja bekanntlich als einen eigentlichen Zerfallsprozess dieser bürgerlichen Öffentlichkeit beschrieben.

Nun hat sich Habermas wieder zu Wort gemeldet und seine Überlegungen auf das Internet und das Web 2.0 weiterentwickelt:

„Das World Wide Web scheint freilich mit der Internetkommunikation die Schwächen des anonymen und asymmetrischen Charakters der Massenkommunikation auszugleichen, indem es den Wiedereinzug interaktiver und deliberativer Elemente in einen unreglementierten Austausch zwischen Partner zulässt, die virtuell, aber auf gleicher Augenhöhe miteinander kommunizieren.

Habermas betont auch den grundsätzlichen Wandel, den das Internet ausgelöst hat:

Tatsächlich hat ja das Internet nicht nur neugierige Surfer hervorgebracht, sondern auch die historisch versunkene Gestalt eine egalitären Publikums von schreibenden und lesenden Konversationsteilnehmern und Briefpartnern wiederbelebt. Andererseits kann die computergestützte Kommunikation unzweideutige demokratische Verdienste nur für einen speziellen Kontext beanspruchen: Sie unterminiert die Zensur autoritärer Regime, die versuchen, spontane öffentliche Meinungen zu kontrollieren und zu unterdrücken. Im Kontext liberaler Regime überwiegt jedoch eine andere Tendenz. Hier fördert die Entstehung von Millionen von weltweit zerstreuten chat rooms und weltweit vernetzten issue publics eher die Fragmentierung jenes grossen, in politischen Öffentlichkeiten jedoch gleichzeitig auf gleiche Fragestellungen zentrierten Massenpublikums. Dieses Publikum zerfällt im virtuellen Raum in eine riesige Anzahl von zersplitterten, durch Spezialinteressen zusammengehaltenen Zufallsgruppen. Auf diese Weise scheinen die bestehenden nationalen Öffentlichkeiten eher unterminiert zu werden.

Schliesslich bringt Habermas die Sache mit den Öffentlichkeiten und dem Web 2.0 sehr schön auf den Punkt:

Das Web liefert die Hardware für die Enträumlichung einer verdichteten und beschleunigten Kommunikation, aber von sich aus kann es der zentrifugalen Tendenz nichts entgegensetzen. Vorerst fehlen im virtuellen Raum die funktionalen Äquivalente für die Öffentlichkeitsstrukturen, die die dezentralisierten Botschaften wieder auffangen, selegieren und in redigierter Form synthetisieren.

Nachzulesen in: Habermas, Jürgen: Ach, Europa. Kleine politische Schriften XI, Frankfurt am Main 2008, S. 161f.