Ich habe ja in den letzten Wochen bereits einige Male über verschiedene Studien berichtet, die den „Mythos“ der NetGeneration (oder Digital Natives oder Google Generation) kritisch hinterfagten und konstatierten, dass die Jugendlichen keineswegs dergestalt von den digitalen Medien sozialisiert werden, dass sie durchs Band neue Verhaltensformen beim Lernen und Forschen entwickelten. Die Digital Natives (so meine These) seien vermutlich eben nicht „Einheimische“, die in die digitale Kultur durch die Eltern eingeführt und sozialisiert werden, sondern wenn schon „Digital Secondos“, also Kinder von „Eingewanderten“, die sich selber auf sehr unterschiedliche Weise in der neuen (digitalen) Kultur zu behaupten wissen: Einige der Digital Immigrants neigen zur Überanpassung („Wow, der neuste Web-2.0 Trend – gleich ausprobieren und als Must-Have in meinem Blog anpreisen“); andere wiederum halten an der altvertrauten Ursprungskultur fest („Es gilt das gedruckte Wort“).
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Medienhandeln Jugendlicher
Der Bielefelder Erziehungswissenschafter Klaus Peter Treumann hat mit seinem Team letztes Jahr den Schlussbericht eines grossen mehrjährigen Forschungsprojekts zum jugendlichen Medienhandeln publiziert. ((Treumann, Klaus Peter; et al.: Medienhandeln Jugendlicher. Mediennutzung und Medienkompetenz: Bielefelder Medienkompetenzmodell, Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss. 2007.)) Über 3600 Jugendliche zwischen 12 und 20 Jahren wurden darüber befragt, wie sie im Alltag Medien nutzen. Dabei wurden die Fragen nach dem Bielefelder Medienkompetenz-Modell gegliedert: Sie zielten auf instrumentelle Medienkenntnisse, auf Kenntnisse des Mediensystems, auf Medienkritik und Mediengestaltung und zwar in den „alten“ Medien ebenso wie in den „neuen“.
Im Ergebnis bestätigt die Studie den Eindruck, den ich im Umgang mit Jugendlichen und Studierenden gewonnen habe: einige können sehr kompetent mit Neuen (und alten) Medien umgehen, andere nicht. Die Kompetenzen sind dabei sehr unterschiedlich verteilt, es gibt also nicht einfach ein Gruppe von Kompetenten und eine von Inkompetenten.
Digital Secondos – oder: No Net Generation?
Rolf Schulmeister wendet sich in einer kürzlich veröffentlichten Arbeit (Gibt es eine „Net Generation“?) gegen die Rede von einer Net Generation, die ein ganz eigenes Medienverhalten aufweise und daher auch besondere Bedürfnisse in die Bildungsinstitutionen mitbringe. ((Via beats blog, der auch zahlreiche Blog-Hinweise auf Schulmeisters Aufsatz auflistet)) Die Jugendlichen, so Schulmeister, seien keine einheitliche Generation, sondern sehr unterschiedlich in ihrem Medienverhalten, dass sich grundsätzliche nicht von jenem der Jugendlichen der vordigitalen Zeit unterscheide. Die Jugendlichen suchen soziale Kontakte zu Gleichaltrigen oder Unterhaltung.
So weit, so gut. Dennoch ist wohl unbestritten, dass die Jugendlichen heute unter anderen Medienverhältnissen aufwachsen als noch vor 15 Jahren – und ihr Verhältnis zu den digitalen Medien ein anderes sein dürfte. „The Internet just is“ ((Aus „Media Awareness Network: Young Canadians In A Wired World – Phase II Focus Groups 2004, S. 8; Verfügbar unter http://www.media-awareness.ca/english/special_initiatives/surveys/phase_two/ upload/yccww_phase_two_report.pdf)): Das Internet mitsamt Google und Wikipedia ist zu einem Teil des Alltags geworden. Dass diese „Digital Natives“ nicht alle einfach eine souveräne Kompetenz im Umgang mit den digitalen Medien an den Tag legen („Digital Naives“ nennt sie Beat Döbeli), widerlegt diese Tatsache noch nicht. Schliesslich sind die Jugendlichen auch in anderen Bereichen ihrer alltäglichen Umwelt unterschiedlich kompetent.
Möglicherweise bedarf das Konzept der „Digital Natives“ einer Anpassung. Statt davon auszugehen, dass der selbstverständliche Umgang mit digitalen Medien von kleinauf automatisch zu kompetenten Benutzer/innen führt, wäre (in der gegenwärtigen Situation zumal) eher von „Digital Secondos“ zu sprechen: Sie wachsen in einer Umgebung auf, die sie nicht „gewählt“ haben, in der sie (aller Alltäglichkeit zum Trotz) letztlich unerfahren sind. Denn niemand führt sie in diese „digitale Kultur“ ein, es gibt keine etablierten spezifischen Initiationsrituale von erfahrenen Kulturträgern. Die Erwachsenen sind ja selber noch damit beschäftigt, diese digitale Kultur zu meistern. Die „weisen Alten“ sind die einige Jahre älteren Peers, die Brüder und Schwester, die Kolleg/innen, zum Teil die digitalen Medien selbst, die berichten, wie und wo man was mit den digitalen Medien anfangen kann. In diesem Umfeld digitaler Medien kommen die einen besser zurecht als die anderen. Das liegt möglicherweise zum einen am individuellen Interesse an den digitalen Medien, wohl aber auch an Zufälligkeiten, wie sich die Rahmenbedingungen der Sozialisation konkret ausgestalten: was die Lehrpersonen, die Schule, die Eltern oder eben die Peers zum Einfinden in die digitale Kultur beitragen können und wollen.
Letztlich geht es um die grundsätzliche Frage, welche Bedeutung man den Medien und dem digitalen Medienwandel in unserer Gesellschaft beimessen will. Ist es nur eine leichte Variation des Status quo in der Gesellschaft, die durch ganz andere Kräfte gestaltet wird? Oder handelt es sich beim Umbruch von der Gutenberg-Galaxis zum Cyberspace um einen radikalen Schnitt, der die Gesellschaft auf völlig neue Grundlagen stellt? In diesem Spannungsfeld (wenngleich aus anderer Warte) sind auch die Habermas’schen Einschätzung zu Web 2.0 zu sehen. Weiterlesen