HOK Lesen/Schreiben/Reden: Bibliotheca Universalis – Reloaded? (2)

Kelly geht in seinem Artikel noch weiter: Die Internet-Technologien machen das Lesen von digitalen Büchern zu einer gemeinschaftlichen Tätigkeit.

Bookmarks can be shared with fellow readers. Marginalia can be broadcast. Bibliographies swapped. You might get an alert that your friend Carl has annotated a favorite book of yours. A moment later, his links are yours. In a curious way, the universal library becomes one very, very, very large single text: the world’s only book.

Das Offenlegen und gemeinsame Nutzen des Lesevorgangs mit all den strukturierenden und assoziativen Elemtent, die diesen Prozess begleiten, ist in der Tat ein faszinierender Gedanke. Allerdings wird hier das Problem der Informationsflut noch potenziert. Und die geschilderte Gemeinschaftlichkeit besteht ziemlich einseitig im Übernehmen von solchen Begleit-Produkten: diskursive Elemente einer Diskussion fehlen hier.
Diese Mini-Elemente (Margnialia, Annotationen, Exzerpte) bringen Kelly auf einen weiteren Gedanken:

books can be unraveled into single pages or be reduced further, into snippets of a page. These snippets will be remixed into reordered books and virtual bookshelves. Just as the music audience now juggles and reorders songs into new albums (or „playlists,“ as they are called in iTunes), the universal library will encourage the creation of virtual „bookshelves“ — a collection of texts, some as short as a paragraph, others as long as entire books.

Nun ja, hier sträubt sich schon etwas in mir: gemixte Bücher, Read-Lists mit Best-Of-Abschnitten aus verschiedenen Büchern? Wo ist da die Grenze zum verpönten „Shake and Paste„? Damit werden ja sämtliche Kontexte systematisch zerstört – und, einverstanden, neue geschaffen. Kann das funktionieren? Und: läuft in der Bildschirm-Gesellschaft des Hypertexts nicht ohnehin alles auf 1000-Zeichen-Texte hinaus, die schnell gelesen werden und beliebig verlinkt werden können?

Schliesslich geht Kelly noch eingehend auf die Copyright-Problematik ein, das auch beim ambitionierten Google-Projekt, möglichst viele Bücher zu digitalisieren (Book Search), ein ungelöstes Problem darstellt – und zwar weniger wegen der Urheberrechts-Ansprüche, die bekannt, sondern wegen jener, die nicht bekannt sind: Publikationen, die in den Bibliotheken stehen und von denen niemand mehr so genau weiss, wie die Urheberrechte geregelt und allenfalls abgegolten wurden.

Grundsätzlich ist Kelly der Meinung, dass Zeitalter der Kopien (und damit des Copyrights) sei vorbei – die Digitalisierung verlange nach neuen Rechts- und Geschäftsmodellen. Interessant erscheint mir seine Forderung nach einer Ergänzung des Urheberrechts durch eine Urheberpflicht:

Copyrights must be counterbalanced by copyduties. In exchange for public protection of a work’s copies (what we call copyright), a creator has an obligation to allow that work to be searched. No search, no copyright.

Denn die Bibliotheca Universalis, die Kelly im Internet wachsen sieht, ist nur so gut wie die Möglichkeiten, die gesuchten Informationen zu finden. Dafür müssen sie von Suchmaschinen oder anderen Orientierungs- und Strukturierungsinstitutionen erfasst werden können.

Was bleibt? Die unangenehme Erkenntnis, dass die komplexe Materie des Urheberrechts und des Copyrights, bzw. der jeweiligen gesetzlichen Regelungen und die Auseinandersetzungen darum, zum Pflichtstoff auch der Historiker/innen gehören könnte. Ausser, wir geben uns mit dem zufrieden, was auf dem Internet kostenfrei (oder illegal) an Literatur, Abhandlungen und Quellen besorgen können. Gerade die Bemühungen, Forschungsergebnisse als Gemeingut kostenfrei zu publizieren, berühren auch die Geschichtswissenschaften (Stichwort „OpenAccess“).

Und die etwas zwiespältige Ahnung, dass wir in Zukunft uns noch meht mit Text-Schnippselchen wie in diesem Blog auseinandersetzen werden: mit Micro-Content.

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