Fünf Merkmale digitaler Medien

Was heisst eigentlich «digital»? Im Kopf dieses Weblogs steht «Weblog zu Geschichte und Digitalen Medien» und in meinem Forschungsprojekt geht es um die «Geschichtswissenschaften im digitalen Zeitalter». Was also heisst «digital»?

Mein erster Computer war nicht nur digital, sondern er hatte auch den Anspruch, mir das Prinzip der Digitalität zu erklären. Auf der Packung stand:

Jeder kann ohne Schwierigkeit ein elektrisches Schaltgerät zusammensetzen, mit dem man das wesentliche Prinzip kennenlernt, nach dem auch die grössten Computer arbeiten.

Der Kosmos Spielcomputer LOGIKUS (siehe Bild!) war ein simpler, steckbarer Computer, den man als Tischrechner, Geheimschriftenübersetzer oder als «Intelligenztestgerät» (gemäss Packungsaufdruck) einsetzen konnte. Der LOGIKUS veranschaulichte mir und wohl einer ganzen Generation von technikbegeisterten Schülern, welche Auswirkungen das Dualsystem hatte.

In seinem Buch «The Language of New Media» hat Medientheoretiker Lev Manovich wesentlich präziser beschrieben, was Digitalität – hier im Kontext von Medien – bedeutet und hat fünf Merkmale digitaler Medien herausgearbeitet:

  • Numerische Repräsentation: Mit numerischer Repräsentation bezeichnet Manovich die Tatsache, dass in medialen Medien alle Objekte mathematisch beschreibbar und damit quantifizierbar werden. Ein digitales Photo zum Beispiel wird durch seine Auflösung, das heisst die Anzahl Bildpunkte («Pixel») pro Fläche bestimmt, ein Film durch die Anzahl Bilder pro Sekunde. Bei der Photographie konfiguriert die Auflösung den photorealistischen Effekt, da mit einer zu geringen Auflösung das Bild vom menschlichen Auge als «pixelig», das heisst als nicht-realistisch wahrgenommen wird.
  • Modularität: Digitale Medien basieren auf einzelnen Modulen, die voneinander unabhängig sind und alle einen identischen Aufbau aufweisen und dadurch beliebig rekombinierbar sind. Es ist für digitale Medien konstitutiv, dass die einzelnen Module oder Einheiten bei der Neukombination zu neuen Einheiten ihre Autonomie nicht verlieren.
  • Automation: Durch die modulare Struktur digitaler Medien ist es möglich, neue Medieninhalte automatisch zu generieren. Eine dynamische Internetseite wird automatisch aus Datenbankinhalten und aufgrund von entsprechenden Formatierungsregeln generiert. Ein Benachrichtigungsdienst wie zum Beispiel Google Alert generiert regelgestützt aus Datenbankinhalten Nachrichten, die als E-Mail verschickt werden.
  • Variabilität: Mit Variabilität bezeichnet Manovich den Umstand, dass digitale Medien nie endgültig fixiert sind und immer veränderbar bleiben. Dies unterscheidet digitale Medien von analogen Medien: Ein Buch, eine Photographie, ein Film oder ein Video lässt sich nicht mehr verändern, ohne das Medium zu zerstören, denn die Inhalte sind mit dem Trägermedium – Papier, Film, Magnetband – verbunden. Digitale Medien lassen sich aber beliebig variieren; so kann zum Beispiel die Darstellung einer Internetseite individuellen Bedürfnissen angepasst werden, zum Beispiel lässt sich die Schriftgrösse verändern, können die Farben angepasst werden oder es lassen sich gar die Inhalte personalisieren.
  • Transcodierung: Der Begriff der Transcodierung stammt ursprünglich aus der Videotechnik und bezeichnet Verfahren der verlustfreien Farbcodierung. Heute wird der Begriff aber auch breiter verwendet für die (auch verlustbehaftete) Umwandlung eines Medienobjektes in ein anderes Format. Zum Beispiel lassen sich Audiodateien einer Audio-CD in das platzsparende MP3-Format transcodieren. Manovich bezeichnet den Übergang von alten zu neuen, mithin den Übergang von analogen zu digitalen Medien als einen Prozess der Transcodierung zwischen Computer und Kultur.

2 Gedanken zu „Fünf Merkmale digitaler Medien“

  1. Ein paar Definitionsversuche zum Thema analog/digital liefern auch die Beiträge in:

    SCHRÖTER, Jens/BÖHNKE, Alexander: Analog/Digital – Opposition oder Kontinuum? Zur Theorie und Geschichte einer Unterscheidung. (=Medienumbrüche; 2). Bielefeld: transcript, 2004.

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