Kollega Mills Kelly hat die neue Suchmaschine Wolfram Alpha, die vor wenigen Wochen ihren Beta-Betrieb aufgenommen hat, etwas genauer unter die Lupe genommen. Er kommt dabei, wenig überraschend, aber überzeugend zum Schluss, dass sich die neue Suchmaschine, die nicht nach passenden Textstücken in gespeicherten Web-Seiten sucht, sondern die Frage der User mittels spezieller Algorithmen aus bestehenden, strukturieren Datenbeständen beantworten will, für geschichtswissenschaftliche Zwecke kaum nutzen lässt.
Kelly stellte eine Frage nach dem ungarischen Brutto-Sozialprodukt pro Kopf im Jahr 1989; dabei gab Wolphram Alpha nicht nur eine von den üblichen geprüften Quellen (in diesem Fall die Weltbank) abweichende Information – es wird auch nicht ersichtlich, auf welche Quellen sich die von Wolfram Alpha berechnete Angabe bezieht. Zwar kann man unter dem Suchergebnis auf „Source information“ klicken und erhält auch eine beachtliche Reihe von Referenzen – dazu aber auch den Satz:

This list is intended as a guide to further sources. The inclusion of an item in this list does not necessarily mean that its content was necessarily used for any Wolfram Alpha result.

Tja, Kelly fragt dazu rhetorisch: Wer würde eine Proseminar-Arbeit akzeptieren, in der das Literaturverzeichnis mit einem solchen Satz eingeleitet würde? Dabei weist Kelly darauf hin, dass ein einfach zu bedienender Zugang zu den Unmengen historisch relevanter numerischer Daten durchaus wichtig und sinnvoll wäre. Das Tüpfelchen auf dem i: Wolfram Alpha hat nicht nur keine Daten zum Bruttosozialprodukt der DDR im Jahr 1989 – die Suchmaschine macht überhaupt keine Unterscheidung zwischen BRD und DDR, sondern kennt nur «Deutschland». Revisionismus? Vielleicht handelt es sich um eine mutige Lösung eines sich für neutral haltenden Computers in Serverpark 52B, um die aktuelle, unter leichten Verzerrungen leidende Debatte um Stasi-Schütze Kurras, Opfer Ohnesorg und die deutsche Studentenbewegung im Keim zu ersticken.