Das hatte mich damals, 1982, seltsam berührt, als E.T. mit leuchtendem Finger „E.T. nach Hause telefonieren“ brabbelte ((im englischen Original „E.T. phone home“; aber das habe ich damals ebenso wenig mitbekommen wie das legendäre „Space – the final frontier„, das ich nur als „Der Weltraum – unendliche Weiten“ kannte; jaja, Filme oder gar Fernseh-Serien mit in Originalsprache mit Untertiteln lernte ich erst später kennen)): Ausserirdische, die Heimweh hatten – das machte das fremde Wesen doch viel weniger bedrohlich, das war ja schon fast eine vertraute menschliche Seite, die man aus eigener Schulausflug- und Pfadi-Lager-Erfahrung kannte.
Ich weiss nicht, wie das Team vom Stapferhaus auf ihren Titel gekommen ist, aber ganz offensichtlich geht es bei ihrer neusten Austellung („Home – Willkommen im digitalen Leben„), die am Freitag eröffnet wurde, auch darum, die Vertrautheit des „digitalen Heims“ zu thematisieren – und sei es nur, indem man das Fehlen einer solchen Vertrautheit feststellt, anprangert oder bedauert.
Die Vernissage-Gäste am Freitag Abend im imposanten Saal des Schlosses Lenzburg haben sich vermutlich in der überwiegenden Mehrheit im neuen digitalen Zuhause erst eingewöhnen müssen. Die anwesenden Gäste waren jedenfalls zu geschätzten 95% älter als Jahrgang 1980, was ja als Generationengrenze zwischen den „Digital Natives“ und den „Digital Immigrants“ gilt. So zumindest berichtete Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer, die zugleich mitteilte, dass sie (wie sie selber auch eben erst erfahren hatte) zu den „Digital Intermediates“ gehöre. (Bei Wikipedia steht zu diesem Stichwort zwar was ganz anderes – aber wahrscheinlich irrt sich Wikipedia; da kann ja jeder reinschreiben…)
So war Vermitteln und Übersetzen denn auch das Hauptthema der Ausstellungseröffnung und (so liessen die Äusserungen der Stapferhaus-Belegschaft vermuten) auch Kernanliegen der Ausstellung. Die Generationen sollen einander näher gebracht und zum Nachdenken über die Veränderung unseres Alltags, selbst im intimen heimischen Rahmen, anregen.
Es sei hier vermutet, dass die Vernissage-Gäste mehr mit den launigen und träfen Anmerkungen des Philosophen Ludwig Hasler anfangen konnten, der scharfsinnig die Widersprüchlichkeiten des digitalen Wandels und das Unbehagen und die Gedankenlosigkeit im Umgang damit auf den Punkt brachte. Er plädierte für Gelassenheit und distanzierte sich von kulturpessimistischen Untergangsszenarien. „Kleine Zwischenbilanz: Kulturpessimisten haben unrecht – dafür vermutlich mehr vom Leben“, meinte Hasler und begründete: Kulturpessimisten meckern rum, ziehen sich auf bewährte Technologien zurück und arrangieren sich dann doch mit den Neuerungen – wenn die Technologie-Euphoriker sich solange damit herumgeärgert haben, bis die neuen Technologien bewährt und billig und etabliert sind.
Wenig Widerspruch von meiner Seite gegen die abschliessenden Bemerkungen Haslers:
Die neuen Medien setzen sich aus einem bestimmten Grund durch: Das verfügbare Wissen nimmt rasend schnell zu, der menschliche Geist und seine Zeit aber nicht. Zum Glück helfen uns digitale Techniken, unseren kollektiven intellektuellen Output zu bewältigen, ihn zu durchsuchen, dabei fündig zu werden – auf unterschiedlichen Ebenen, von Twitter und Vorschauportalen bis zu E-Books und Online-Enzyklopädien. Diese Techniken sind weit entfernt, uns dumm zu machen. Einzig durch sie bleiben wir klug.
Während sich die Digital Immigrants an den philosophischen Erläuterungen erbauten, haben die (wenigen) anwesenden Digital Natives vermutlich bereits das iPhone-App zur Ausstellung runtergeladen.
Ach ja, es gab auch noch (digitale) Kunst zu sehen und zu hören. Das wirkte im Reigen der um Tiefsinn bemühten Reden und in den altehrwürdigen Gemäuern doch gar verfremdet und so gar nicht „Home“. Was am Shift-Festival vielleicht schon etwas altbacken (im Sinne von „Mainstream“) wirken könnte, schien hier im (digitalen) Kultur-(Kanton)-Provinz-Setting doch etwas gar avantgardistisch. Brav beklatscht wurde die Performance von Pixelpunx und Feldermelder aber doch.
Über die Ausstellung selber muss zu einem späteren Zeitpunkt berichtet werden, angesichts der über 400 Vernissage-Gäste beschloss ich, die Ausstellung in einem ruhigeren Moment zu besuchen.