Aus der Welt der Wikis: Systemwissenschaftliche Analyse von Wikipedia

Ingo Frost hat im Ergänzungsstudiengang Angewandte Systemwissenschaft an der Universität Osnabrück eine Diplomarbeit zu Wikipedia verfasst. Die Arbeit trägt den Titel: Zivilgesellschaftliches Engagement in virtuellen Gemeinschaften? Eine systemwissenschaftliche Analyse des deutschsprachigen Wikipedia-Projektes. Darin kommt Ingo Frost laut einleitendem Abstract zu folgenden Erkenntnissen:

Zwischen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten und dem Engagement der Wikipedia-Gemeinschaft lassen sich breite Überlappungen feststellen. Sie beziehen sich auf individuelle Motive, strukturelle Aspekte der Beteiligung und auf die Faktoren soziales Kapital und soziales Vertrauen (nach der Auslegung Putnams). Besonderheiten bei Wikipedia sind die fehlende Planungsphase, wodurch viele Vorgänge vereinfacht werden und die Tatsache, dass im Gegensatz zu Vereinen die Interaktionen zwischen den Engagierten relativ anonym ablaufen und meist sachbezogen sind. Generell ist festzuhalten, dass Wikipedia als funktionierendes Beispiel dafür zu nennen ist, wie sich trotz hoher Teilnehmerzahl jeder in jedem Bereich mit gleicher Stimme einbringen kann: Wikipedia dokumentiert Wissen demokratisch und kann als bürgerschaftlich selbstorganisiert angesehen werden.
Wikipedia erweist sich somit als Spiegel unserer Gesellschaft, die zunehmend geprägt wird von Individualisierung, Beteiligung und der wachsenden Bedeutung der Wissensgesellschaft. Wikipedia verbessert den Anschluss an die wissenschaftliche Öffentlichkeit. Gleichzeitig ist Wikipedia aber auch Austragungsort ideologischer Kon?ikte (ideologischer Vandalismus).

Dass die fehlende Planungsphase viele Vorgänge vereinfacht, ist eine für mich neue Erkenntnis der Systemwissenschaft – da kann man ja auch anderer Ansicht sein. Bei Wikipedia mag dies Teil des Erfolges sein, das wäre aber dann doch genauer auszuführen.

Dass hingegen die Interaktionen anonym sind, habe ich auch schon als Merkmal von Wikipedia festgestellt. Interessant wäre hier die These, ob dies zum Erfolg beiträgt, weil die Anonymität die Interaktionen vereinfacht, bzw. versachlicht.

Etwas gewagt finde ich die Aussage, dass Wikipedia der Spiegel gesellschaftlicher Entwicklung sein soll, und dass die Gesellschaft, in der Wikipedia entwickelt und genutzt wird (im Fall dieser Diplomarbeit die deutsche Gesellschaft, vielmehr die deutschsprachige Gesellschaft) von den gegenläufigen Tendenzen der Individualisierung und der Beteiligung geprägt sein sollen. Zudem ist Wikipedia ja ein internationales Projekt; hier wären also Differenzierungen angezeigt (auch wenn eine Diplomarbeit zugegebenermassen nicht der Ort für eine solche Differenzierung sien kann).

Auch die Aussage, dass Wikipedia den Anschluss an die wissenschaftliche Öffentlichkeit verbessere und generell ein Indiz für die wachsende Bedeutung der Wissensgesellschaft sein soll, halte ich (auch bei näherer Betrachtung von Frosts Argumentation) für nicht sehr stichhaltig, bzw. für eine zu allgemeine Aussage. Dennoch eine interessante Darstellung des Wikipedia-Projektes.

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