Noch ein Versuch, ferne Zeiten und alte Objekte ins Internet-Zeitalter zu transferieren: Der Teppich von Bayeux, der die Geschichte der normannischen Invasion in England anno 1066 erzählt, wird hier mit heutigen technischen Mitteln in seiner ursprünglichen Absicht weitergedacht.
Schlagwort-Archive: HOK Schreiben
Schreiberlings Traum
Es ist nun einmal so: Wir sind und bleiben Schreibtischtäter. Wir, damit meine ich die Angehörigen der Zunft der Historiker. Der grosse Michel de Certeau, den wir hier ja auch schon erwähnt haben, sprach zwar von der «opération historiographique» und liess mich damit weniger einen hölzernen Schreibtisch als vielmehr chromblitzende Operationsinstrumente assoziieren. Aber das ist nur eine Illusion, der schöne Schein der klinischen Reinheit, den wir aber nie erreichen werden. Nein, wir sitzen am Schreibtisch, vor uns ausgebreitet die Beute aus Bibliothek und Archiv, Papierstapel, wohin man schaut und viele Bücher natürlich.
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Narrationen im digitalen Zeitalter
Der folgende Beitrag fasst meine Ausführungen während der Tagung „Das Internet als Raum des historischen Lernens“ noch einmal in geraffter Form zusammen. Er befasst sich mit der Rolle, die Narrationen im digitalen Zeitalter spielen können und fokussiert auf die Situation des web 2.0, das heisst von Weblogs und Wikis.
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Plagiatsdebatte ff.
Vor einigen Tagen habe ich hier geschrieben, ich werde Stefan Webers Buch über Plagiate und das «Das Google-Copy-Paste-Syndrom» noch vorstellen. Das dünne Buch war schnell gelesen, der schale Eindruck, den es indes hinterlassen hat, wirkte noch recht lange nach.
Weber legt mit seinem Pamphlet zweifelsohne den Finger auf einen wunden Punkt: Moral, intellektuelle Disziplin und vor allem auch wissenschaftliches Interesse vieler Studierender lassen eindeutig zu wünschen übrig. Weber überspitzt diesen Befund allerdings, wenn er daraus eine „Austreibung des Geistes aus der Textproduktion“ konstruiert und von einer „Textkultur ohne Hirn“ schreibt.
Unter dem Titel „Vorboten“ übt sich Weber gleich zu Beginn des Buches in Rundumpolemik gegen die Medienwissenschaften. Zehn Mythen meint er identifizieren zu können, angefangen bei einer „Apriorisierung“ über den angeblichen Mythos der Substitutionseffekte bis hin zur „Rhetorik der Konstruktivität“ reicht die Brandbreite der Weberschen Kollegenschelte.
A propos Kollegenschelte: Sven Grampp, Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Instituts für Theater- und Medienwissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg, besprach unlängst Webers Habilitationsschrift mit dem Titel „Non-dualistische Medientheorie. Eine philosophische Grundlegung“ nicht ohne einige recht unmissverständliche Zustandsbeschreibungen der gegenwärtigen medientheoretischen Fachsimpeleien der Rezension voranzustellen:
„Schaut man sich neuere Publikationen aus diesem Bereich an, wird deutlich, dass der Avantgardegestus auch weiterhin fester Bestandteil medientheoretischer Legitimationsrhetorik ist.“ [S. 8]
Und weiter:
„‚Medienphilosophie‘ ist so eine Oppositionsmarkierung, die seit ein paar Jahren zirkuliert. Betrieben wird die Medienphilosophie vor allem von einigen philosophisch gestimmten Medientheoretikern, die das Versprechen eines Paradigmenwechsels ihrer Disziplin auch explizit und vollmundig artikulieren.“ [ebd.].
Aber kehren wir zum Plagiatsbuch von Stefan Weber zurück. Das Problem, das ich mit dem Buch oder vielmehr mit Stefan Webers Ansatz habe ist, dass ich nicht a priori davon ausgehe, dass alle Studierende faul und unehrlich sind. Für mich gilt grundsätzlich und bis ich mindestens einen konkreten Hinweis habe, dass es anders sein könnte, die Unschuldsvermutung. Ich möchte Weber auf keinen Fall unterstellen, dass er nicht auch von diesem Grundsatz ausgeht, aber ich habe vermisst, dass er dies auch klar formuliert.
Unter dem Titel „Bullshit-PR und heisse Luft: in neuen Medien und über neue Medien“ schreibt sich Weber gegen Ende des Buches seine Wut gegen die Kulturwissenschaften aus dem Bauch. Zugegeben, der folgende Absatz, den Weber zitiert, ist, um es höflich zu formulieren, ziemlich grenzwertig:
Meine transdisziplinäre Herangehensweise im Sinn einer kritischen Repräsentationstheorie verbindet Ansätze strukturaler psychoanalytischer Theorie mit Ansätzen neuerer Hegemonie- bzw. Demokratietheorie sowie der Film- und Medientheorie, der Gender- und der Cultural Studies, um Perspektiven auf aktuelle Medienkonstellationen zu eröffnen, die sich jenseits technikdeterministischer oder kulturpessimistischer Einschätzungen bewegen.*
Weber vergibt aber leider eine Chance, indem er in einem gehässigen Stil („Das Geschwafel von Transdisziplinarität […] heisse Luft statt Substanz“) zu einem Rundumschlag ausholt und es dabei leider selber hin und wieder an Substanz vermissen lässt. Er schliesst mit folgenden Worten:
Die Produktion von postmoderner heißer Luft durch eine gewisse Gruppe von Wissenschaftlern und die Reaktion mancher Studierender mit dem Google-Copy-Paste-Syndrom sind symptomatisch für die gegenwärtige akademische Kultur der Heuchelei: Copy/Paste als Reaktion auf Bullshit-Diskurse, auf gut Deutsch: die Verdopplung der Scheiße. [S. 147]
Schade. Eine differenzierte Darstellung der kulturwissenschaftlichen Diskussionskulturen – tatsächlich im Anschluss an Sokal und Bricmont, wie Weber schreibt – wäre notwendig und erwünscht. Aber wieso eigentlich in diesem aufgeregten Ton …?
Wikipedia im Unterricht (II)
Nicht nur Peter Haber: Auch ich werde mich im Sommersemester mit Wikipedia im Unterricht beschäftigen, aber auf eine etwas andere Weise. Ich führe eine Lehrveranstaltung mit dem Titel „Historisches Lernen mit Wikis und Wikipedia“ an der Pädagogischen Hochschule der FHNW durch. Es handelt sich um ein Forschungsatelier, in dem sich die Lehramtsstudierenden mit Themen und Methoden auseinandersetzen sollen, die sie dann für die Abfassung ihrer Diplomarbeit nutzen können.
Diese Lehrveranstaltung wird sich vor allem auf die Rolle von Wikipedia (aber auch generell von Wikis) beim historischen Lernen in der Schule konzentrieren. Ich bin gespannt, inwiefern sich hier Überschneidungen und/oder Ergänzungen zum kultur- und medienwissenschaftlich orientierten Kurs von Peter Haber ergeben.
Wikipedia im Unterricht
Alle reden von Wikipedia, in Basel werden wir konkret! Nachdem uns die Kollegen in Wien schon den Rang abgelaufen haben in Sachen „Erste geschichtswissenschaftliche Lehrveranstaltung mit Weblogs» werde ich im kommenden Sommersemester die vermutlich erste kulturwissenschaftliche Lehrveranstaltung mit und über Wikipedia abhalten. Im Rahmen eines Medienpraktischen Kurses am Institut für Medienwissenschaften der Universität Basel werde ich zusammen mit Studierenden der Medienwissenschaften und der Geschichte Wikipedia als neues mediales Phänomen der Wissenschaftskommunikation untersuchen. In einem zweiten Schritt werden wir selber wissenschaftliche Themen in Wikipedia bearbeiten und dabei beobachten, was mit den Texten geschieht. Dazu werden wir voraussichtlich im hauseigenen Wiki von hist.net einen Bereich einrichten, wo wir die Diskussionen werden führen können. Die Veranstaltung werde ich in vier Halbtagesblöcken zwischen April und Juni durchführen. Wenn ich die Gelder bewilligt bekomme, werde ich auch externe Fachleute nach Basel einladen.
Plagiatsdebatte
Stefan Weber, habilitierter Medienwissenschafter, Herausgeber eines sehr hilfreichen Readers und mehrfaches Plagiatsopfer, hat in einem kürzlich erschienenen Buch die leidige Plagiatsfrage aufgegriffen. Das Buch trägt den Titel «Das Google-Copy-Paste-Syndrom». Ein schöner und passender Titel. Ein schöner Zufall ist auch, dass die gleichen Elemente bereits im gleichen Kontext verwendet wurden: Unter dem Titel «copy/paste. Zur Kultur des Kopierens» fand 2004 an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel eine Lehrveranstaltung zum Thema Plagiate und Kopieren statt. Und zum Google-Syndrom erschien wenig später ein Aufsatz mit dem Titel «Google-Syndrom. Phantasmagorie des historischen Allwissens im World Wide Web». Wir freuen uns natürlich über diesen lustigen Zufall und werden das anregende Buch in Kürze ausführlicher hier vorstellen.
Welcome Wikipedia and goodbye?
Nach einer Flut von zum Teil unsäglich nichts sagenden Beiträgen zum Thema Wikipedia und die Geschichtswissenschaften scheint eine ernstzunehmende Debatte endlich auch im deutschen Sprachraum angekommen zu sein. In der neuesten Ausgabe der WerkstattGeschichte greift Maren Lorenz (Hamburg) das Thema fundiert und sachkundig auf. Sie beschreibt dabei die Mechanismen von Wikipedia und diskutiert Relevanz und Auswirkungen für das wissenschaftliche Schaffen. Ebenfalls in diesen Tagen scheint die Debatte um das Citizendium – citizens‘ compendium of everything – anzulaufen. Ob dieses vermeintliche Wikipedia 2.0 uns von den Grundübeln von Wikipedia befreien wird, darf allerdings bezweifelt werden.
HOK Reden: Plagiate – Fluch der Verfügbarkeit?
Ich habe letzthin über die Deutung zunehmender Plagiate sinniert. Darauf sind auch interessante Kommentare verfasst worden. Das Thema hat mich in der Auseinandersetzung mit einer Kollegin auf einen Artikel von Arthur Sterngold gebracht, der auf den Zusammenhang mit den Unterrichtsmethoden verwies. Er plädiert für einen Wechsel von einem instruktionsbasierten zu einem lernbasierten Unterrichtsstil: Besser durchdachte und begleitete Aufträge an die Studierenden und mehr Interaktion mit ihnen.
Dies führte mich zu folgender Überlegung, ob nicht einfach nur Faulheit der Studierenden, sondern eben auch unterschiedliche Verständnisse überr den Nutzen der erteilten Aufträge Plagiarismus fördert. Wenn Dozierende (und ich zähle mich jetzt selbstkritisch auch dazu) Aufträge erteilen, heisst es oft: Tragen Sie Informationen zum Thema X zusammen, vergleichen Sie diese und präsentieren Sie ihre Schlussfolgerungen. Erwartet wird oftmals Fleissarbeit: Zusammentragen möglichst vieler Literatur und klare Darstellung des Inhalts. Meist schliesst keine Auseinandersetzung daran an, oft sind diese Arbeiten am Ende des Semesters, oder gar danach abzuliefern und versanden mit einem kurzen Dank in der Schublade des Dozenten.
Im prädigitalen Zeitalter mag noch gegolten haben, dass das Zusammentragen und zusammenschreiben ein intellektueller Akt sei (Bücher finden und lesen, Inhalte neu formulieren), der zu einem Lernerfolg führe. Wiewohl selbst diese Auffassung umstritten ist, so ist ihr Sinn heutzutage erst recht nicht ersichtlich. Warum sollten die Studierenden Informationen zusammentragen, zusammenfassen, zusammenschreiben, da dies von unzähligen Vorgänger/innen bereits einmal geleistet worden ist und die Informationen ja ohnehin jederzeit zugänglich und in Sekundenschnelle abrufbar sind. Fluch der Verfügbarkeit.
Da erscheint mir die Forderung einsichtig, dass die Aufgaben an die Studierenden besser durchdacht, begründet und begleitet werden sollten. Sterngold macht folgende Vorschläge:
- Schriftliche Arbeiten in kleinere Aufträge aufteilen, und die Ergebnisse jeweils kontrollieren und besprechen, bevor die Studierenden weiterarbeiten
- Themen der schriftliche Arbeiten mit dem Inhalt des Kurses in Verbindung bringen
- (Zwischen-)Ergebnisse der individuellen schriftlichen Arbeiten in den Kurs integrieren
Im Vergleich mit der Praxis in den Geschichtswissenschaften klingt das vertraut, wenn man etwa an die Seminar-Referate denkt, die anschliessend zu schriftlichen Arbeiten ausgebaut werden. Doch wie konsequent wird das gehandhabt?
Literatur:
- Sterngold, Arthur: „Confronting plagiarism: how conventional teaching invites cyber-cheating„, in: Change 36 (2004) Nr. 3, S. 16-21.
- Harrigan, Cindy: Academic Integrity – Selected Ressources, Saint Mary University Library, Halifax, Canada, 11. September 2005 <http://www.smu.ca/administration/library/facultyplag.html> (14.12.2006)
Aus der Welt der Wikis: studentisches Wikipedia-Missverständnis
Heute überraschte mich eine Kollegin mit der erstaunten Frage: Könne es sein, dass ich unseren Lehramtsstudierenden gesagt habe, dass man in einer schriftlichen Arbeit aus Wikipedia zitieren dürfe?
Nun, offenbar habe ich die Differenzierungsfähigkeit der Studierenden etwas überschätzt. Denn: Nein, selbst Wikipedia-Gründer Jimmy Wales (wie hier im Blog bereits zitiert) sagt: aus Wikipedia soll man in schriftlichen Arbeiten auf Hochschulniveau nicht mehr zitieren. In der Regel. Natürlich sind Ausnahmen denkbar: wenn es etwa um den Vergleich von Definitionen geht, oder um die Darstellung spezieller Sachverhalte (etwa biografische Angaben zu Jimmy Wales), die nirgends sonst in zitierfähiger Form publiziert sind. Aber das heisst ja weder, dass „man aus Wikipedia zitieren darf“ noch, dass man „Wikipedia nicht brauchen darf“.
Jimmy Wales bringt es ganz gut auf den Punkt (auch dies im Blog bereits einmal zitiert):
Es ist einfach lächerlich, Studenten zu sagen, sie dürften die Wikipedia nicht nutzen. Sie tun es ja doch. Professoren sollten wieder ihre Verantwortung wahrnehmen, den Studenten beizubringen, mit der Welt auf eine erwachsene Art und Weise umzugehen.(…) Wenn Sie einen Roman über den Zweiten Weltkrieg lesen und da ein Begriff auftaucht, den sie nicht kennen, greifen Sie zu einer Enzyklopädie und schauen es nach. Müssen Sie eine Seminararbeit zu dem Begriff schreiben, sind weder Britannica noch Wikipedia die richtige Quelle.
(TR-Interview vom 11.8.2006)
Also mache ich das hier einmal ganz ausdrücklich. Ob Brockhaus oder Wikipedia: Lexikon-Einträge gelten nicht als wissenschaftliche Literatur. Wenn in wissenschaftlichen Arbeiten, wie sie an Hochschulen von den Studierenden erwartet werden, solche Literatur zitiert werden soll – dann kein Wikipedia.
Natürlich kann Wikipedia als aktuelle Quelle (wie ein Zeitungsartikel) zitiert werden. Dann ersetzt sie nicht die wissenschaftliche Literatur, sondern wird für die Erläuterung eines bestimmten Sachverhaltes beigezogen.
Ein Grenzfall sind wissenschaftliche Handbücher: Es ist möglich, dass einzelne Wikipedia-Artikel die Qualität von Handbuch-Artikeln haben (vor allem, wenn sie von dort abgeschrieben wurden, aber das Thema Plagiat wollen wir hier nicht vertiefen) und dass in wissenschaftlichen Arbeiten unter Umständen auch aus Handbüchern zitiert werden kann (vor allem bei Begriffsbestimmungen). Daraus lässt sich aber keine allgemeine „man kann aus Wikipedia zitieren“-Regel ableiten.
Hingegen können gute Lexikon-Artikel (und solche finden sich auch in Wikipedia) durchaus als erste Orientierung und als Einstieg in eine Recherche zu einem wissenschaftlichen Sachverhalt geeignet sein.
Übersicht: Aus der Welt der Wikis
HOK Lesen/Schreiben: OpenAccess (Übersicht)
Wer sich zu OpenAccess informieren will, ist beim Weblog Archivalia bestens bedient, gleich mehrere Einträge der letzten Zeit fassen wesentliche Informationen zusammen und verweisen auf wichtige weitergehende Quellen:
- Allgemeine Informationen zu OpenAccess (Definition, Geschichte, Informationen)
- OpenAccess-Server (wo frei verwendbare Arbeiten gefunden werden können)
- OpenAccess-Journale (in welchen frei verwendbare Artikel publiziert werden)
Auch sonst ist die Rubrik „OpenAccess“ dieses Weblogs als Informationsquelle zu empfehlen, zusammen mit dem Blog von OpenAccess-Spezialist Peter Suber. Siehe auch die in diesem Eintrag besprochenen Artikel zu OpenAccess in Telepolis.
Übersicht HOK Lesen/Schreiben, HOK Lesen: Quellen
HOK Lesen/Schreiben: Plagiate – oder: vom Abschreiben zum Fotokopieren zum Copy/Paste
Der bekannte Wikipedia-Kritiker Daniel Brandt (von wikipedia.watch) kommt in einer selbst durchgeführten Studie zum Schluss, dass mindestens 1% der Artikel in der englischen Wikipedia Plagiate enthalten (via Wikimetrics). Brandts Vorgehen klingt zwar plausibel, ist aber nur schwer nachzuvollziehen. Einerseits sind die Original-Daten (offenbar eine Liste von Biographien von Menschen, die vor 1890 lebten) nicht offengelegt. Auch die Ergebnisse seiner Auswertungen, die Sätze aus den Artikeln, mit welchen er ein Plagiat zu identifizieren sucht, ja noch nicht einmal die 142 Artikel, die aus seinem Sample von 16750 Artikeln als mit Plagiaten versehen identifizierte, sind zugänglich. So bleibt die Aussagekraft dieser Untersuchung unklar.
Schade, denn das Problem mit Plagiaten interessiert in der Bildungsszene (in Schulen und Universitäten) brennend, wenngleich auch eher umgekehrt – nämlich da, wo aus Wikipedia abgeschrieben wird. Die Lage ist gerade bei Wikipedia noch etwas komplizierter, weil dort das Kopieren von Inhalten explizit erlaubt ist – als Ausdruck eines „freien“, nicht durch Urheberrechte geknebelten Wissens (hier passt der Link zur OpenAccess-Debatte). Doch beim Problem des Plagiats geht es weniger um Urheberrechtsfragen als um das Konzept wissenschaftlicher Redlichkeit, wonach fremde Leistungen nicht als eigene ausgegeben werden dürfen.
Hier wird dann gerne von Seiten der Lehrenden das mangelnde Verständnis der Schüler, Schülerinnen und Studierenden (=Lernende) für dieses Prinzip angemahnt, bzw. ein fehlendes Unrechtsbewusstsein beklagt.
Aber vielleicht gibt es auch eine andere Sichtweise, die stärker von den Effizienz-Potentialen medialer Praktiken (bzw. dem Bequemlichkeitspotential der Lernenden) ausgeht. Hier meine These. Das Prinzip der wissenschaftlichen Lauterkeit wird von Lernenden nicht verstanden, weil sie die ihnen gestellten Aufgaben einfach nur sehen als „Zusammentragen und Reproduzieren von Informationen, die andere Personen geschrieben haben“. Ob man das in eigene Worte fasst oder nicht – es ist ohnehin eine Reproduktion von Gedanken eines Anderen, da ist „Copy/Paste“ viel effizienter. Die gesparte intellektuelle Energie wird dann in die Produktion eigener Outputs investiert. Im Idealfall in die zusammenfassende Auswertung, vielleicht aber auch in das nächste Level des neuen XBox-Games oder in eine Viertel-Stunde Online-Chat.
Man könnte die „Copy/Paste-Seuche“ auch als Fortsetzung der Verdrängung von Exzerpten durch Fotokopien sehen. Auch das wurde ja mal als Verlust intellektueller Betätigung beklagt, war auch von Effizienz-Überlegungen getrieben und war auch urheberrechtlich nicht unproblematisch (aber halt noch kein Plagiat). Die Überlegung lautete damals: „ich hab’s kopiert, also hab ich’s auch gelesen“, nun heisst es: „ich hab’s kopiert, also hab ich’s auch geschrieben“. Ich warte noch auf Berichte, dass Schüler mit Foto-Handy die Wandtafel-Anschrifen abfotografieren und der Lehrperson mitteilen, dass sie Foto dann ausdrucken und ins Heft kleben.
Vielleicht bedeutet das Plagiats-Problem für die Lehrenden nicht nur, dass sie „besser“ kontrollieren und über die Wichtigkeit des Redlichkeitsprinzips „aufklären“ müssen. Wäre ja eine Überlegung wert, welche Bedeutung dem „Zusammentragen und Wiedergeben“ von Informationen gegeben wird, bzw. wie diese begründet („Verstehen durch Erklären in eigenen Worten“) und eingebettet werden („Ausgangslage für Entwicklung eigener Argumentation“). Das bedeutet nicht, dass die Lernenden auf Anhieb verstehen, warum das „Copy/Paste“-Verhalten nicht nur von den Lehrenden verpönt, sondern am Ende auch für sie selber (bzw. ihr Sachverständnis) wenig gewinnbringend ist.
Bestätigt fühle ich mich durch die Analyse des Medienwissenschaftlers Stefan Weber, der das Problem der seiner Ansicht nach grassierenden Plagiate folgendermassen auf den Punkt bringt:
Die Universitäten fördern in ihrer Unbeholfenheit den Trend zur Umschreib-Mentalität, zur Textkultur ohne Hirn. (aus „Textueller Missbrauch„)
Bei der Beurteilung des Verhaltens der Lernenden ist auch zu berücksichtigen, inwiefern die Lehrenden selber hier mit gutem Beispiel vorangehen (oder eben nicht). Bedenke: auch die Lernenden können mit einer Google-Recherche ausfindig machen, ob das Arbeitsblatt, die Aufgabenstellung oder die Zusammenfassung von wo anders stammt.
Zum Wandel des Schreibprozesses im digitalen Zeitalter im Zusammenahng mit der Frage von Plagiaten lohnt, nebst der pessimistischen Analyse von Stefan Weber zum Google-Copy-Paste-Syndrom, die Lektüre des Artikels Pimp My Text von Frank Hartmann.
Literatur:
- Hartmann, Frank: „Pimp My Text!“, in: Telepolis, 28.8.2006, (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/13/13777/1.html [26.9.2006]).
- Weber, Stefan: Das Google-Copy-Paste-Syndrom. Wie Netzplagiate Ausbildung und Wissen gefährden, Hannover: heise 2006.
- Weber, Stefan: „Textueller Missbrauch“, in: Telepolis, 23.11.2006, (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24006/1.html [1.12.2006]).
Übersicht HOK: Lesen/Schreiben, HOK Lesen: Quellen
Axis of Evel Knievel: Geschichtsblog des Monats November 2006
Dieser Blog hatte es mir schon mit seinem Titel angetan. Das Wortspiel mit der „Achse des Bösen“ und dem historischen Evel Knievel (fast ein Held meiner Kindheit, aber ich stand nicht so auf Motorräder – der Name jedoch hat seinen 70er-Jahre-Glanz bis heute behalten) lässt auf einen humorvollen Zugang zum historischen Geschäft schliessen. Der Humor wächst sich glücklicherweise nicht aus zur Spassmacherei, sondern bleibt im augenzwinkernden Jargon, den die Amerikaner auch in der Wissenschaft so gut beherrschen.
Der Inhalt der Blog-Einträge ist nämlich eigentlich gar nicht so spassig. Der Untertitel „another day, another pointless atrocity“ deutet darauf hin: Hier werden Jahrestage von Massakern, Anschlägen, Katastrophen, Todesurteile aus der näheren und weiteren Vergangenheit behandelt: Ereignisse, bei welchen Menschen ums Leben kamen.
Der ereignisorientierte Ansatz bringt einige interessante Erkenntnisse zutage, denn die beschriebenen Sachverhalte sind ja eigentlich zufällig aneinandergereiht und beschreiben jeweils dunkle Kapitel der Geschichte. Das klingt schwerer als es sich liest, im Gegenteil wirkt dieser Zugang recht frisch und die Beiträge sind gut geschrieben. Bedauerlich hingegen ist der Verzicht auf jegliche Quellen/Literatur-Angaben. Sollte man da nicht auch bei Blogs wissenschaftliche Masstäbe anlegen?
Durchmischt werden die makabren Einträge durch Übersichten über aktuelle Einträge aus der Welt der Blogs (History Carnival) – was belegt, wie selbstreferentiell die Blogs sind.
Eckdaten
Titel: Axis of Evel Knievel
URL: http://axisofevelknievel.blogspot.com/
Autor:? David H. Noon,? Assistenz-Professor für Geschichte an der University of Alaska, Southeast, in Juneau
Region: USA
Frequenz: täglich bis wöchentlich
Übersicht Geschichtsblogs des Monats
HOK Lesen/Schreiben: Visualisierungen III
Mit etwas Verzögerung gefunden, passt aber zum Anfang der Karnevalszeit: auch eine Möglichkeit politische (oder historische) Sachverhalte und Prozesse (in diesem Fall den erzwungenen Rücktritt von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld) mittels ICT zu veranschaulichen:
aus: Rumsfeld resignation summarized in Mac OSX screenshot gefunden bei BoingBoing
Übersicht: HOK Lesen/Schreiben
HOK Lesen/Schreiben: Visualisierungen II
So lieber nicht. In Beats Blog fand ich vor längerer Zeit einen Hinweis auf einen Visualisierungsversuch historischer Prozesse, der alle Klischees von Historiker/innen gegenüber ICT (bzw. Neuen Medien) bestätigt: oberflächlich, vereinfachend, ästhetisierend. Es handelt sich um eine „Map of Wars“ des Vorderen Orients (oder des nahen Ostens, wie man will), der die verschiedenen Herrschaftsgebiete darstellt, die in den letzten 2000 Jahren in dieser Region entstanden und vergingen. Die Kernaussage soll woll sein (deklariert ist sie nicht, sie lässt sich aus dem Schnelldurchlauf-Blitzlichtgewitter am Ende und der Hervorhebung der Städte Jerusalem und Bagdad erschliessen): Kein Wunder geht im nahen Osten die Post ab, das war schon seit jeher ein ständiges kriegerisches Hin und Her, wo mal jene und dann diese Herrscher die Oberhand gewannen und die Gebiete mal zu jenem, dann zu diesem Reich gehörten.
(Quelle: http://mapsofwar.com/ind/imperial-history.html)
Also, weil sich da in 2500 Jahren neun Reiche bilden und wieder zerfallen, gibt es hier ein besonderes Gewaltpotential? Wie sieht denn das in Indien, China oder in Europa aus? Und inwiefern ging es da um ökonomisches Gefälle, geostrategische Verbindungen oder religiöse Gegensätze, wie bei den heutigen Konflikten? Da bleibt doch eigentlich nur ein Kopfschütteln, denn auch im Detail bleiben viele Fragen offen: Auf welcher Grundlage wurden die Jahreszahlen gewählt? Wie breiteten sich diese Herrschaftsgebiete aus? Lagen da kriegerische Auseinandersetzungen zu Grunde, oder waren das andere Arten der Gebietserwerbung? Wie waren diese Herrschaftsgebiete strukturiert: waren das Staaten oder Staatenverbünde, wie war die Herrschaftsform und so weiter und so weiter.
Dabei halte ich Karten (wie bereits erwähnt) für eines der interessantesten Gebiete, bei welchen sich multimedial Möglichkeiten inhaltlich gewinnbringend anwenden lassen.
Übersicht: HOK Lesen/Schreiben; HOK Lesen: Quellen