Mit Web 2.0 hat alles angefangen. Es folgten Geschichte 2.0, Library 2.0, Habermas 2.0, Wittgenstein 2.0. Alles wurde plötzlich 2.0
Wir verkünden nun hiermit feierlich die Lancierung von „Genug 2.0„.
Es ist wie mit allen neuen Begriffen: Sobald sie im Mainstream des öffentlichen Diskurses (ja, natürlich, Habermas 2.0) angekommen sind, werden sie schal. Inhaltsleer und beliebig. Das wollen wir nicht, denn wir finden das Web 2.0 interessant und eine Herausforderung für die Wissenschaft. Mit Web 2.0 stellen sich ganz grundlegende Fragen der Wissenschaft neu oder erneut, es geht um Kommunikation und Partizipation, um Transparenz und Authentizität. Kurzum: Es geht um Macht.
Bevor nun jemand unter dem Motto „Macht 2.0“ diese Debatte lanciert, plädieren wir dafür, das labelhafte Reden vom „2.0“ zu hinterfragen – gerade weil es so wichtig ist. Es ist nämlich nicht so, dass wie bei einem neuen Software Release von einem Tag auf den anderen alles (oder vieles) anders wird. Es ist nicht so, dass das Web 1.0 (das niemand so genannt hat) keine Elemente von Web 2.0 enthalten hätte. Und auch das Web 0.9, die Beta-Version des World Wide Web gleichsam, die hochspannende Mischung aus Mail, FTP, Gopher und Archie also, keine Elemente des „Mitmach-Web“ enthalten hätte. Und vor allem ist es gar nicht so, dass bei der Entwicklung des Web 1.0 die tragenden Elemente des Web 2.0 nicht mitgedacht worden wären. Im Gegenteil. Wer heute die Texte von Tim Berners-Lee liest, in denen er beschreibt, wie das Web entstand, dem wird schnell klar, dass Web 1.0 nichts anderes als eine transitorische Lösung war, ein Zwischengeplänkel zwischen der Gutenberg Galaxis und Cybersciene.
Aber eben: Genau diese plakativen Zuschreibungen wollen wir vermeiden. Wir wollen nicht ein neues mediengeschichtliches Phasenmodell entwickeln, das uns die Übergänge vom Buchdruck zum Web 1.0 erklärt und womöglich noch auf einer Timeline linear und stringent visualisiert.
Wir wollen die Bruchstellen suchen und über die Sprünge nachdenken. Wir wollen statt immer nur über die Geschichte der Medien nachzudenken, lieber über die Medien der Geschichte nachdenken. Und wir wollen über die Geschichte der Medien der Geschichte nachdenken.
Und dann passen die Schablonen aus der Werbesprache, die schliesslich auch Web 2.0 geboren hat, einfach nicht mehr.
Ich finde den Begriff gar nicht so schlimm. Aber nur, wenn man 2.0 nicht einfach als inkrementelles Update von 1.0 versteht, sondern eher als dialektischen Prozess. Insofern finde ich Macht 2.0 gar nicht übel um Foucaultsche Hybride aus Freiheit + Fremdbestimmung zu beschreiben. Oder Web 2.0 als Konzentration und Pluralisierung.
Ich sage nur: endlich 2.0! Wird Zeit, dass wir Phänomene wieder mit Begriffen bezeichnen, und sie nicht fortlaufend numerieren.
Der Begriff bedeutete mir gar nichts, bis ich diesen Aufsatz von Tim O’Reilly aus dem Jahre 2005 las:
http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html
Ein Bekannter von mir berichtet, dass dieser Aufsatz beim Bibliothek-Konferenzen haeufig erwaehnt wird. Was ihm stoere, is das der Begriff Web 2.0 das Allmaehliche des Prozesses ueberdecke.