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HOK: Fallstudie: „Rendezvous mit dem Tod“ – Fazit

Die kleine Fallstudie (die mich doch einiges an Zeit gekostet hat) zeigte meines Erachtens folgendes:

  • Die Rolle der etablierten Medien (auch in Online-Versionen) als Meinungsführer und Ort der Debatten ist noch immer bedeutend,
  • Blogs begnügen sich (in diesem Fall) zumeist im Verweisen auf und Kommentieren von Nachrichten oder Ereignissen, wobei darunter auch interessante Beobachtungen zu finden sind,
  • Wikipedia hat die Fakten in angemessener Weise (nämlich mit Verweis auf den Kontext der Informationen), umfassend und schnell in die einschlägigen Artikel aufgenommen. Eine Diskussion über die Aussage des Films wurde jedoch nur angedeutet.

Der Film selber hat mich enttäuscht, ich fand ihn weder formal noch inhaltlich wirklich überzeugend. Die filmische Aufarbeitung des Falles hat eher Fragen aufgeworfen als sie beantwortet. Solange wichtige Quellen (in diesem Falle besonders die kubanischen Geheimdienstunterlagen) nicht zugänglich sind, muss mit Vermutungen und Plausibilitäten vorgegangen werden. Und ob man glauben will, dass Castro sich zu diesem Zeitpunkt wirklich zu solch einem Husarenstreich entschied, hängt davon ab, was man persönlich von diesem Mensch hält.

Übersicht: HOK: Fallstudie „Rendezvous mit dem Tod“

HOK: Fallstudie: „Rendezvous mit dem Tod“ – Etablierte Medien (Pro)

Nils Minkmar, Feuilleton-Redaktor der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, kann dem Beitrag in seiner Besprechung in FAZ.net (Wie ein geladenes Gewehr) am meisten abgewinnen. Er hält die Argumentation von Huismann für überzeugend, das geht dann soweit, dass er den kubanischen Geheimdienst als den „Verein“ bezeichnet, „der den Mord an JFK geplant und in Auftrag gegeben hat“. Da wird aus der These bereits Gewissheit. Gegen Ende wird Minkmar dann philosophischer und grundsätzlicher.

Der ehemalige kubanische Geheimdienstchef Fabian Escalante etwa greift zur Verwirrungstaktik: „Was ist denn schon die Wahrheit?” fragt er und „Waren denn die Amerikaner je auf dem Mond? Viele bezweifeln es!” Es klingt, als hätte man Markus Wolf 1987 gefragt, ob die DDR RAF-Täter versteckt.
An diesem Punkt wird deutlich, worum es in diesem Dokumentarfilm geht: In den vergangenen zehn Jahren wurde der gesamte Komplex Kennedy-Mord dem Bereich des Irrationalen, ja Spinnerten zugerechnet. Wer hier mehr wissen wollte, konnte ebensogut die Realität der Mondflüge anzweifeln, nach vergrabenen Ufos suchen oder sich von schwarzen Helikoptern verfolgt fühlen. Dabei gab und gibt es noch etwas zu entdecken. Keine andere Verschwörungsthese konnte bislang mit einem Zeugen aufwarten. Freilich: Kuba ist nach wie vor eine Diktatur, und die Macht Castros ist nahezu unumschränkt. Es wird erst nach dem Ende des Systems möglich sein, das wahre Ausmaß und die Natur der Kontakte zwischen den kubanischen Diensten und Lee Harvey Oswald darzustellen und noch weitere Zeugen zu finden.

Auch bei Spiegel Online bespricht Minkmar den Film („Befahl Castro den Mord an JFK?“, Übernahme aus der FAZ am Sonntag), lobt seine „Dichte“ und seinen „konzentrierten Stil“, die der Vernebelungstaktik eines Fabian Escalante Paroli biete, weil er auf der Suche nach der Wahrheit sei, und diese nicht verschleiern wolle. Er endet mit dem Lob:

Es ist wieder Bewegung in die Ermittlungen gekommen. Dass hieran ausgerechnet die ARD beteiligt ist, dafür kann man ihr so manchen Stadl verzeihen.

Auch Stern.de (Claus Lutterbeck: „Castro hat Kennedy zuerst erwischt„) widmet sich ausführlich der im Film vertretenen These und schildert die Vorgänge in einer Art, wonach die Wirklichkeit eigentlich offen zu Tage liegt:

Erstmals spricht auch der ehemalige Chef des kubanischen Geheimdienstes, Fabian Escalante. Seit Jahren versucht er erfolgreich, der CIA die Tat in die Schuhe zu schieben. Natürlich weist er jede kubanische Verstrickung weit von sich: „Wir hatten kein Motiv“ behauptet er.
Ach ja? Dem damaligen AP-Korrespondenten Daniel Harker vertraute Castro an: „Wenn die Kennedys mir weiter nach dem Leben trachten, können sie sich ihres Lebens nicht sicher sein.“ Dem WDR liegt ein geheimgehaltenes Memo an den Kennedy-Nachfolger Lyndon B. Johnson vor, in dem beschrieben wird, wie Escalante im November 1963 via Mexiko City nach Dallas flog, um die Ermordung Kennedys zu überwachen.

Übersicht HOK Fallstudie „Rendezvous mit dem Tod“ und zu Reaktion etablierter Medien

HOK: Fallstudie: „Rendezvous mit dem Tod“ – Blogosphäre

Wie reagiert die Blogosphäre auf den Dokumentarfilm von Wilfried Huismann? Einige Einträge sind Blogs etablierter Medien, die ich gesondert betrachte: hier gibt es (getreu den allgemeinen Beobachtungen zu Blogs) eben Überschneidungen… Eher überraschend als die kritschen und zustimmenden Äusserungen ist die Vielzahl abgeklärter Reaktionen: Ach, noch so eine Komplott-Theorie…

Die Statistik

  • Es finden sich bei technorati 175 Blog-Einträge mit den Suchworten „Huismann AND Kennedy“ (20.1.2006; 209 am 30.1.2006).
  • Am meisten Einträge wurden am 6.1.2006 angelegt.
  • Es gibt Einträge in Spanisch, Englisch, Deutsch, Holländisch, Französisch.

Die Berichterstatter
Der früheste Eintrag stammt von Ende November und ist eine Abschrift einer AP-Meldung, die die wesentlichen inhaltlichen Aussagen von Huismanns Film wiedergibt, sich aber jeglicher Einschätzung enthält. Dies tun auch die meisten Blog-Einträge, die oft ganze Abschnitte von Agentur-Meldungen abdrucken.

Die Zustimmer

  • I believe that in the wider interests of the world, this trail was not pursued to Cuba. (southwestsun, 9.1.2006)
  • This would fit the idea that the assassination was Oswald’s idea, by virtue of him being a lone assassin type. But I think it’s more than plausible that if he walked into the Cuban embassy and said he was going to assassinate JFK that the Cubans might have said, “Hey, what do we have to lose by helping this guy out a little?” (Lee, Right Thinking on the Left Coast, 7.1.2006)
  • So please tell me why it is that the United States refuses to ever, ever, ever deal with Premier Fidel Castro…?
    Surely it’s not because of lack of human rights in the country. Remember China has “favored nation” status.
    Nope. It has been a sneaky suspicion of mine that just maybe Castro might be a pariah in Washington because of that nasty business of November 22, 1963. Maybe Castro had more than a little something to do with it.
    I mean, after all, Kennedy was gun-ho in trying to bump Castro off. Perhaps Castro figured that he would return the favor; and what was good for the gander was good for the goose; in this case, Kennedy’s goose. He had Kennedy killed before he could kill him. (…) In a documentary being aired in Germany this week, Wilfried Huismann, a world renown filmaker, provides evidence that strongly supports Castro had Kennedy killed in retaliation for the many attempts on his own life.
    (howlinglatina, 6.1.2005)
  • While this isn’t necessarily a new theory, I guess it offers the most compelling case for a Cuba backed assassination. (peachflavour, 5.1.2006)
  • This film sounds like it would be of interest, and I just might have to check it out if I ever get the chance. And for those of you wondering about the legitimacy of this project, the director spent three years researching „Rendezvous with Death“, so it sounds like he put a lot of work and effort into this. (thatsdougslife, 5.1.2006)
  • as a believer in conspiracy theories, this one actually makes sense (Fakeplasticnews; 4.1.2006)
  • Dieser [atemberaubende Dokumentarfilm] belegt nichts weniger als den Verdacht, dass Fidel Castro John F.Kennendy ermorden ließ. (Richard Herzinger, Ideen und Irrtümer, 1.1.2006)

Die Abgeklärten

  • Huismann lässt Ex-Geheimdienstler, Mitwisser und Zeugen auftreten, zeigt Verstrickungen und versteckte Absichten und lässt den Zuschauer an den Originalschauplätzen Geheimdienstatmosphäre spüren. Eine Frage bleibt: Haben diese alten Männer, die als Zeitzeugen auftreten, noch eine Rechnung offen – oder sagen sie die Wahrheit? (…)
    Selbst wenn an Huismann-These nichts dran sein sollte, allein die Minuten mit den Kubanischen Ex-Geheimdienstchef General Escalante vor der Kamera sind ein schauerlicher Genuss. Escalante, die Unschuld in Person im blütenweißen, kurzärmeligen Hemd: „Wissen Sie, ob die Amerikaner wirklich auf dem Mond waren?“ fragt er den Interviewer und relativiert mit diesem Satz die ganze Arbeit Huismanns. Er würde Huismann alles erzählen, nur nicht wie es wirklich war. – „Hey Gringo, weißt du eigentlich, dass du mit dem Feuer spielst?“ Ist die Botschaft seines Lächelns, und man spürt: Escalante kann auch anders, mit ihm möchte man keine nähere Bekanntschaft machen. (Robert Lynd, handelsblatt-blog „ad hoc“, 7.1.2006)
  • Ob die angeblichen Geständnisse ehemaliger kubanischer Geheimdienstmitarbeiter ausreichen, Castro als Auftraggeber des Attentats zu entlarven, ist fraglich. Nicht, weil dem kubanischen Staatschef der Mordauftrag nicht zuzutrauen wäre, sondern eher, weil keiner der von Huismann präsentierten „Kronzeugen“ an der Geheimdienstoperation persönlich beteiligt war. Mit anderen Worten: Deren „Geständnisse“ stammen letztlich nur vom Hörensagen bzw. beruhen auf der Interpretation von Beobachtungen. Wer hinter dem Kennedy-Mord steckt, bleibt folglich weiterhin offen. (Michael Schöfer, Leisetreter, 9.1.2006)
  • Huismanns Film deckt – mehr oder minder freiwillig – die dürftige Beweislage auf und gibt damit den Anstoss zu Überlegungen – ganz im Gegensatz zu seinen Behauptungen – den Fall eben doch nicht als abgeschlossen zu den Akten zu legen. (amy, Amys Welt, 8.1.2006)
  • Ich persönlich denke nicht, dass Wilfried Huismann mit seiner gestern bei der ARD ausgestrahlten Doku “Rendezvous mit dem Tod” allzuklares Licht in den Fall Kennedy bringt. (hein3301, Trierer Medienblog, 7.1.2006)
  • Will it ever stop? The conspiracy theories about Kennedy’s assassination, I mean. It’s a rhetorical question. Heck, there are still strange stories about Lincoln’s assassination that still pop up now and then. (oldhickorysweblog, 1.6.2006)
  • As if by clockwork, here’s more fuel for the JFK assassination conspiracy theory. This kind of thing pops-up pretty regularly. (Steven Moyer, the tension, 5.1.2006)
  • Mysteries; they surround us (…) Who was behind the assassination? Did Lee Oswald act alone? Was the CIA involved? What about the mob? Some have even suggested that Lyndon Johnson had a hand in it. Maybe aliens even? The possibilities are endless and so too, those who dabble in them. The latest comes from German filmmaker Wilfried Huismann and is called “Rendezvous with Death”. (..) For anyone even mildly interested in the subject, I recommend reading the full article. Like so many conspiracy theories, it offers compelling evidence of how the entire thing actually happened but this one also gives us a taste of the forbidden fruit of a foreign connection. (SinCity, 5.1.2006)

Die Kritiker

  • Bei näherem Hinsehen löst sich die Beweisführung jedoch in Schall und Rauch auf (Ulrich Speck, Kosmoblog, 5.1.2006)
  • Im Auftrag eines großen deutschen Verlags habe ich im Sommer Huismanns Material und Thesen überprüft. (Er wollte den Film zu einem Buch verarbeiten.) Ich kam zu dem Ergebnis, dass seine These, so charmant sie auch ist, leider nicht haltbar ist. Oder besser: dass Huismann seine These nicht beweisen kann. (Alan Posener, Apocalypso, 5.1.2006/30.8.2005)

Übersicht zu HOK: Fallstudie: „Rendezvous mit dem Tod“