Schlagwort-Archive: Plagiatsjäger

Plagiatsjäger im off

Die Reihe der aufgedeckten Plagiatsfälle insbesondere bürgerlicher Politiker nimmt ja in Deutschland kein Ende. Es gäbe vieles zu berichten und zu kommentieren, aber Kollegen wie Klaus Graf und andere tun das ja weitaus akribischer, als wir das hier tun können und wollen.

Was mir aber in letzter Zeit auffällt, ist, dass einige Kommentatoren vorab in den Medien langsam das vernünftige Augenmass zu verlieren scheinen. So konnte man gestern bei Spiegel online lesen, dass Kultusminister Althusmann in seiner Dissertation seinen eigenen Doktorvater falsch zitiert habe. Das ist natürlich peinlich, sowohl für Althusmann, aber mindestens so sehr für den Doktorvater, der das offenbar nicht bemerkt hat.
Weiterlesen

«Schreibst du noch selbst oder guttest du schon» und andere Guttenberg-Witze

Kennen Sie den Unterschied zwischen Gutenberg und Guttenberg? Der eine hat die Technik der beweglichen Lettern perfektioniert, der andere diejenige der beweglichen Textpassagen. Im Netz kursieren bereits zahlreiche Gutti-Witze und auch die ersten Songs verhöhnen nun Deutschlands prominentesten Schummler. Vielleicht schon bald findet ein neues Wort Eingang in den Wortschatz der deutschen Sprache: «gutten» – das ist schliesslich viel handlicher als «plagiieren».

Neben allen amüsanten Aspekten droht aber der Gutti-Skandal vor allem auch dem Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu schaden. Dass die Uni Bayreuth («buy right») für Spott nicht mehr sorgen muss, ist klar. Aber was ist das für ein Wissenschaftssystem, in dem ein derart wurstiges Textkonvolut alle Schranken der Qualitätskontrolle hat passieren können, ohne dass jemand aufmerksam wurde? Da wäre zuerst einmal der betreuende Doktorvater Peter Häberle (was für ein Name …), der diesem Werk ein „summa cum laude“ verpasst hat. Es spricht nicht gerade für eine besonders genaue Lektüre, dass er dabei einfach nichts gemerkt haben soll. Dann hat es ja wohl auch noch einen Zweitgutachter namens Rudolf Streinz gegeben. Auch geschlafen? Und was haben eigentlich die Kollegen vom Verlag Duncker & Humblodt gemacht, als ihnen das Manuskript vorgelegt wurde? ISBN vergeben, die Druckmaschinen angeworfen und dann die hohle Hand gemacht? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass dank Gutti wenigstens die sprichwörtliche Spitze eines langsam auftauenden Eisberges sichtbar geworden ist.
Weiterlesen

Stefan Weber und die Plagiatsfalle

plagiarius550.jpg

Stefan Weber ist ein scharfsinniger, ein gnadenloser und wohl ein ziemlich gestrenger Plagiatsjäger. Er hat zahlreiche Plagiatsfälle auffliegen lassen und strenge Regeln aufgestellt darüber, was rechtens und was nicht rechtens ist im edlen Feld der Wissenschaften. Auch wenn wir in vielen Fragen eine andere Meinung haben: Seine Hartnäckigkeit und sein entschiedenes Auftreten gegen den Sitten- und Niveauzerfall in den Wissenschaften („Textkultur ohne Hirn“) sind ihm hoch anzurechnen und mit seiner Arbeit übernimmt er eine wenig dankbare Rolle im gegenwärtigen Hype um alles Neue und Moderne.

Umso mehr mussten wir schmunzeln, als wir sahen, dass er bei seinen eigenen Buchtiteln nicht so gar strenge Masstäbe anzusetzen scheint, wenn es darum geht, einen originellen und auch noch originären Titel zu finden. Letztes Jahr erschien sein vielbeachtetes Buch mit dem Titel „Das Google-Copy-Paste-Syndrom„, ein schöner Mix aus „Google-Syndrom„, das wir vor Jahren als Begriff eingeführt hatten und dem Allerweltsausdruck „Copy/Paste“ (was aber immerhin der Titel eines Seminars von mir vor Jahren war …). Als ich augenzwinkernd über diesen kleinen Schönheitsfehler berichtete, schrieb er mir postwendend zurück, das sei ihm nicht bekannt gewesen …

Auch mit seinem neuen Buch ist der Plagiatsjäger – zumal seinen eigenen Kriterien gemäss – vermutlich in die Plagiatsfalle getrampt. „Die Medialisierungsfalle. Kritik der Neuen Medien“ heisst das für 2008 angekündigte Buch. Wir freuen uns schon heute auf die Lektüre und runzeln ob des phantasievollen Titels die Stirn: „Kritik der Neuen Medien. Ein eschatologischer Essay“ nannte Uwe Jochum, der demnächst in Basel auftreten wird, sein hübsches und provokatives Büchlein, Jahrgang 2003.

Und weil wir grad dran sind: Auch Lehrveranstaltungen laden zum – wie sollen wir das nun nennen? – Sich-inspirieren-lassen ein …: das da hat doch mit dem respektive dem eine gewisse Ählichkeit, oder haben wir etwas übersehen? Naja, das seminarbegleitende Weblog fehlt immerhin.

P.S.: Lesenswert indes der Beitrag von Weber auf Inetbib zur laufenden Debatte „Wikipedia vs. Brockhaus“

P.P.S.: Das Bild stammt von der digitalen Edition des Grossen Konversationslexikons von Meyer, das Peter Hug freundlicherweise ins Netz gestellt hat (nein, nicht der Peter Hug …).