Archiv der Kategorie: Diverses

Horror vacui

Im lesenswerten Weblog «digitale Regionalgeschichte» (das ich hiermit dem Herrn Kollegen Hodel gerne als Kandidat für seine Trophäe «Weblog des Monats» beliebt machen möchte …) haben wir soeben einen Verweis auf einen wahrhaftigen Horrorfilm entdecken können: Kinder befragen Politiker zum Thema Internet … Vielleicht erklärt dieser kurze Film wesentlich besser, wieso der Status quo in Sachen Netzpolitik in Deutschland (und in der Schweiz ist es leider nicht anders) ist, wie er ist.

«Subito» vor dem Aus? Wie der Wissenschaftsstandort Deutschland ausgehöhlt wird

subito500×38.jpg

Es ist wirklich absurd. Moderne Scanner und schnelle Datenleitungen machen möglich, was vor einigen Jahrzehnten wie eine ferne Vision getönt haben mag: Man recherchiert am Bildschirm nach gewünschten Fachaufsätzen, bestellt sich online eine digitale Kopie und erhält wenige Stunden später oder am nächsten Tag eine PDF-Datei mit dem gewünschten Text in die heimische Mailbox geliefert. Das ganze zwar nicht kostenlos, aber für einen Preis, der wissenschaftliches Arbeiten zumindest nicht verhindert. Nun wird dieser Service, der im deutschen Sprachraum seit Jahren von «Subito» in hoher Qualität und zur Zufriedenheit aller Beteiligten angeboten wird, wohl demnächst dich gemacht werden müssen. Auf heise.de lesen wir, dass die deutsche Bundesregierung plant, die Urheberrechtsreform im Express-Verfahren durchzupeitschen und zwar so, dass «Subito» die rechtliche Grundlage entzogen wird. Schöne neue Welt der Schildbürger … Da reden deutsche Wissenschaftspolitiker seit Monaten von Exzellenz und von der Stärkung des Wissenschaftsstandortes Deutschland und sind doch nicht in der Lage, ein derartiges Debakel zu verhindern. Peinlich. Treffen wird es natürlich vor allem diejenigen Fachgebiete, die auf eine möglichst umfassende Literaturversorgung auch mit exotischen und selten verlangten Texten angewiesen sind, sprich: die Geisteswissenschaften. Das drohende Ende von «Subito» ist nur ein weiteres Mosaiksteinchen in der seit Jahren andauernden systematischen Demontage der Geisteswissenschaften.

«insert photoblog name here»

sub_goettingen_windisch.jpg

Dieses ganz wunderschöne Bild von Nils K. Windisch fanden wir auf seinem Photoblog mit dem geheimnisvollen Namen «insert photoblog name here». Windisch ist nicht nur ein grossartiger Photograph, er ist auch Bibliothekar. Und zwar nicht irgendwo, sondern an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Und dieser Bibliothek haben wir, das heisst hist.net, nicht nur dieses (und dieses) schöne Photo zu verdanken, sondern auch die Anregung für das erste grössere Projekt, das im Rahmen von hist.net stattfand: die History Toolbox. Das Vorbild der History Toolbox war nämlich der HistoryGuide, der Ende der neunziger Jahre von Wilfried Enderle ins Leben gerufen wurde und der heute Partner des Fachportals Clio-online ist. Und so führte uns unsere erste Dienstreise nach Göttingen, dem Mekka der modernen – und eben auch der alten – Bibliothekswelten.

Wir danken Nils K. Windisch herzlich für die Erlaubnis, dieses Bild hier veröffentlichen zu dürfen!

Bibliotheca Universalis

4reclam500.jpg

Regelmässige Leser dieses Weblog wissen um unsere Vorlieben und die Ideengeschichte der «Bibliotheca Universalis» gehört auf jeden Fall dazu. Am 28. Juni feiert einer der wichtigsten Realisatoren einer Bibliotheca Universalis, Anton Philipp Reclam, seinen 200. Geburtstag. Reclam war der Begründer der legendären Universalbibliothek, die noch heute in keinem Klassenzimmer fehlen darf.

Die kleinen gelben Bändchen hatten mich schon immer fasziniert. Stundenlang konnte ich im engbedruckten Verlagskatalog blättern und ein kleines Bändchen über die Geschichte des Reclam-Verlages war wohl die erste der unzähligen Verlagsgeschichten, die ich in den letzten Jahren verschlang.

Zum Geburtstag von Anton Philipp Reclam schlendern wir kurz durch unsere Bücherregale und greifen vier Bändchen heraus: Die vergilbte Ausgabe von «Lohnarbeit und Kapital» ist eine DDR-Ausgabe aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, gedruckt auf brüchigem Papier und mit Metallklammern zusammengebunden. Hesses «Eine Bibliothek der Weltliteratur» habe ich unzählige Mal gelesen und vieles aus der Weltliteratur lernte ich in diesem belehrenden Textlein von Hermann Hesse kennen. In der Erzählung «Die Bilbiothek von Babel» hat der blinde Bibliothekar Borges die sagenhafte unendliche Bibliothek beschrieben, die heute viele mit dem Internet verwechseln. Und «Kaba und Liebe» schliesslich ist ein vor wenigen Jahren erschienene Sammlung von vollgekritzelten und liebevoll verzierten, von kalauernden und augenzwinkernden Buchumschlägen aus der Reclam’schen Universalbibliothek.

Alles Gute, lieber Reclam-Verlag!

«Das Ende des Buchs ist seine Zukunft»

Ich persönlich finde die Diskussion über das Ende des Buches (morgen? übermorgen?) je länger je weniger interessant. In aller Regel läuft sie nämlich auf die Frage hinaus, ob das Buch nun verschwinden wird oder nicht und wenn ja, wann das sein wird und daran anschliessend kommt dann meistens die Frage, ob das nun der Untergang der zivilisierten Kulturmenschheit sei oder nicht. Gähn. Was mir viel spannender scheint, ist die Frage, welche medialen Elemente des Buches haben sich bewährt und welche nicht? Und natürlich dazu ergänzend: Welche medialen Elemente der sogenannten neuen Medien interessieren und welche nicht. Und vor allem: Diese Fragen gilt es natürlich für alle möglichen Szenarien der Buchnutzung zu stellen. Der Krimi am Strand in Form eines gut gebundenen, unkaputtbaren, leicht transportierbaren Taschenbuches lässt sich durch rein gar nichts ersetzen. Das Fachwörterbuch, das ich mir vor zehn Jahren gekauft habe und das seither viermal neu aufgelegt wurde und das ich immer nur häppchenweise konsumiere, hingegen sehr wohl.

Auf dem Hintergrund dieses doch eher intellektuell schmalbrüstigen Diskussionsstandes scheint mir eine Nachricht der Technology Review, die letzte Woche über den Ticker ging, interessant. An der «Tools of Change for Publishing»-Konferenz von O´Reilly Media wurde ein Buch mit eingebauten Schaltkreisen präsentiert, das Textpassagen wie im Browser zum lebendigen Link macht. Spannend!

SecondLife: Die Parodie

Heisst es nicht, dass sich der Erfolg eines Produkts daran misst, ob es kopiert, oder noch besser, parodiert wird? Dann wäre SecondLife nun endgültig im Mainstream angekommen. Denn die folgende Parodie ist nur für jene witzig, die sich schon einmal in SecondLife umgesehen haben: Zusammenstösse mit Gegenständen, Wänden und Menschen, Vogelperspektive, in die Luft tippende Menschen, oder solche, die sich in kargen Räumen seltsam bewegen. Kann das FirstLife vom SecondLife noch etwas lernen?

web 2.0: Überblick

webware 100

Wer sich einen Überblick darüber verschaffen will, was eigentlich mit „web 2.0“ alles gemeint ist, kriegt bei der Zusammenstellung der 100 besten Web-Anwendungen bei Webware („We know because you told us“) eine gute Gelegenheit dazu. Neben Klassikern wie Web-Browsern und Suchmaschinen kommen auch weitere „usual suspects“ zum Zuge: Google Docs, Flickr, YouTube, WordPress (mit dem auch unser Weblog läuft), Wikipedia. Daneben sind aber (jedenfalls hierzulande) noch nicht ganz so bekannte Dienste zu finden wie unter anderen Bebo, Facebook, Wikia, BitTorrent und Feeburner oder eher kleinere wie Silverlight, Mundu-Radio, Pandora, Chacha oder Geni. Die Dienste werden immer kurz erklärt und ermöglichen einen schnellen Einblick in die Welt des Web 2.0 im Jahre 2007 – denn schon nächstes Jahr wird es wohl viele Dienste dieser Liste nicht mehr geben…

Passend dazu die Meldung bei Newscom, wonach immer mehr Anbieter von Online-Communities auch in der realen Welt Treffen ihrer Mitglieder organisieren und damit versuchen, der (geschäftsschädigenden) Schnelllebigkeit von digitalen sozialen Netzwerken entgegen zu wirken.

Tempo, Tempo!

Landläufig heisst es immer, zu den grossen Vorteilen des World Wide Web gehöre die Schnelligkeit. Anders als beim Druck sei es mit dem neuen Medium möglich, sehr schnell zu reagieren und über Ereignisse, zum Beispiel eine Tagung, zeitnah zu berichten. Dieser Meinung sind auch wir von hist.net, weshalb wir an den ersten Schweizerischen Geschichtstagen live von der Tagung in unserem Weblog berichtet hatten. Heute – nach ein bisschen mehr als einem Viertel Jahr – haben auch die Kollegen von H-Soz-u-Kult nachgezogen und ihren Tagungsbericht ins Netz gestellt.

Und sie existiert doch!

swissminiature500x139.jpg

Irgendwann in grauer Vorzeit, kurz nach der Wende in Osteuropa und kurz bevor das World Wide Web unsere sinnliche Wahrnehmung der Welt zu verstümmeln begann, kam ein Künstler auf die Idee, die Parole «La suisse n’existe pas» in die Welt zu setzen. Ein Aufschrei der Entrüstung ging durch die Landen und zehn Jahre später sah sich der damalige Bundespräsident der Schweiz, Kaspar Villiger, genötigt, seinen «lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern» anlässlich der Eröffnung der Landesausstellung EXPO’02 zu verkünden, wie falsch doch diese ketzerische Behauptung gewesen sein. Wir möchten im vehement zustimmen und ihn aber darauf hinweisen, dass es für diesen Beweis die EXPO’02 nicht gebraucht hätte, sondern ein Spaziergang durch die Swissminiature in Melide (Tessin, im Süden des Landes) genügt hätte, um beherzt ausrufen zu können: «Und sie existiert doch!». Bis also auch Helvetien im virtuellen Raum nachgebaut sein wird, empfehlen wir deshalb allen Zeithistorikerinnen und Zeithistorikern einen Bildungsauflug nach Melide! Sie werden es nicht bereuen!

Die virtuelle Zeitmaschine: Rome Reborn 1.0

romereborn500x139.jpg

Würden wir in diesen Spalten kurzatmigen Journalismus betreiben, müssten wir wohl von einem Boom oder, noch moderner, einem Hype sprechen. Nachdem wir vor wenigen Tagen hier freudig über den virtuellen Wiederaufbau des alten England berichten konnte, steht mit «Rome Reborn 1.0» bereits eine weitere Wiederauferstehung in den Schlagzeilen. Wir zitieren aus der Agenturmeldung, wie sie von der Basler Zeitung abgedruckt wurde: «Experten aus aller Welt haben am Montag die nach ihren Angaben bislang grösste und umfassendste Computersimulation des antiken Rom vorgestellt. In der virtuellen Stadt können Besucher durch die Gänge des Kolosseums wandern oder die Inschriften auf Triumphbögen lesen.» Rund 7000 Gebäude sind nach Angaben der Zeitung digital wieder aufgebaut worden und die Kosten beliefen sich auf rund 2,5 Millionen Franken. Rund zehn Jahre haben Forscher der University of Virginia zusammen mit Kollegen in Italien, Deutschland und Grossbritannien an diesem Projekt gearbeitet. Projektleiter Bernard Frischer sprach von einer «virtuellen Zeitmaschine, die unsere Kinder und Enkel nutzen werden, um die Geschichte Roms und vieler anderer grossartiger Städte in aller Welt zu studieren.»

Collaboratories in den Geschichtswissenschaften: Tagungsband zu .hist 06 erschienen

Gestern ist die Online-Publikation „.hist 06 – Geschichte im Netz: Praxis, Chancen, Visionen – Beiträge der Tagung .hist 06“ erschienen. Darin werden auch die Referate der Sektion „Collaboratories. Über das gemeinschaftliche Schreiben von Geschichte“ dokumentiert: Nebst den Beiträgen von Peter Haber (Einleitung „Collaboratories. Das Schreiben der Geschichte im vernetzten Zeitalter„) und Jan Hodel („hist.collaboratory – Werkstatt für die Historische Online-Kompetenz„) sind auch jene von Jakob Voss, Jakob Krameritsch, Karl-Joseph Hummel, Dörte Hein, Gisela Minn und Tamara Stazic-Wendt zu finden.

Geschichte 2.0: Präsentation des Projektes

Für alle, die Interesse an einer Kurz-Präsentation meines Dissertations-Projektes haben: Ich werde das Projekt an der Tagung „geschichtsdidaktik empirisch 07“ vorstellen, die vom 23. bis 25. August 2007 in Basel stattfinden wird. Als Mitorganisator der Tagung möchte ich darauf hinweisen, dass auch andere interessante Beiträge aus der aktuellen empirischen Forschung zur Geschichtsdidaktik anzutreffen sein werden, die eine Anreise lohnen. Die Rolle digitaler Medien steht allerdings nicht im Zentrum der Tagung: nebst meinem Projekt hat noch Bettina Alavi einen Beitrag angekündigt. Mehr Informationen und Anmeldemöglichkeiten auf der Tagungs-Website.

Kurztest: Neue akademische Suchmaschine BASE

base_60.gif

Es ist nicht einfach, sich einen Überblick über die aktuelle Entwicklung im Bereich der wissenschaftlichen Suchmaschinen zu verschaffen. Etwas wehmütig erinnere ich mich an die Internet-Steinzeit, als wir in unseren Kursen die Schöne Neue Onlinewelt einteilen konnten in Verzeichnisse, Suchmaschinen und dann später in Subject Gateways. Tempi passati, ich weiss. Heute haben wir ein dichtes Netz von unterschiedlich aggregierten und syndizierten Recherchetools, die auf unüberschaubare Mengen von freien, werbefinanzierten und lizenzierten Angeboten zugreifen und diese nach verschiedenen Regeln der Kunst uns, den seit der Internetsteinzeit nicht wesentlich medienkompetenter gewordenen Usern präsentieren.
Weiterlesen

Datenbank LISTA neu als «open access»

Wie der Weblog der Informationswissenschaften an der Uni Saarbrücken meldet, schaltet der Datenbankanbieter EBSCO die Datenbank LISTA (Library, Information Science and Technology Abstract) sofort frei. Die Datenbank enthält mehr als eine Million Einträge und ist eine wertvolle Quelle für Recherchen im Bereich Informations- und Bibliothekswissenschaften. Eine Suche nach dem Begriff «Wikipedia» zum Beispiel ergab 236 Treffer, «Memex» erzielte 39 Treffer und beim Begriff «Otlet» förderte die Datenbank immerhin 30 Nachweise zu diesem vergessenen WWW-Vordenker an den Tag. Nicht schlecht!