Schlagwort-Archive: Didaktik

Ein Blog ist ein Blog ist ein Blog oder: die Causa «zeittaucher.de»

Nachdem nun die werten Kollegen Klaus Graf, Daniel Eisenmenger und Alexander König dem armen Christian Jung – nicht ganz zu Unrecht – die Leviten gelesen haben, scheint es auch uns an der Zeit, die ganze Sache ein wenig einzuordnen.

Die Fakten vorweg: Christan Jung, Gymnasiallehrer und Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg sowie seit enigen Monaten Betreiber des Geschichtsblogs «Zeittaucher» hat im Rahmen einer Lehrveranstaltung seine Studierenden beauftragt, Weblogs mit historischen Themen zu besprechen. Die Rezensionen erschienen im «Zeittaucher», namentlich gekennzeichnet zwar von den entsprechenden Studierenden, aber mit dem Vermerk «Redaktion: Christian Jung». Von einer redaktionellen Bearbeitung allerdings war nicht immer etwas zu bemerken, die Texte sind zum Teil voller Schreibfehler und auch recht holprig geschrieben.

So weit, so schlecht.
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Zur Chronologie der Geschichte und ihrer Vermittlung

Daniel Eisenmanger hat meinen polemischen Einwurf von gestern verdankenswerterweise ausführlich kommentiert. Er schreibt, wenn ich das ganz kurz zusammenfassen darf, dass es u. a. sinnvoll sei, einen chronologisch orientierten Geschichtsunterricht zu durchbrechen, gerade weil die Schülerinnen und Schüler von einer chronologischen Darstellung überfordert seien.

Als Beispiel nennt er die attische Demokratie, die im herkömmlichen Lehrplan im 7. Schuljahr thematisiert wird und wohl eher zwei Jahre später behandelt werden sollte, denn in «diesem Alter ist politische Teilhabe den Schülern wesentlich näher, weil eine gewisse Reife und ein Interesse an gesellschaftspolitischen Zusammenhängen wächst.»
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Brandenburg will Geschichtsunterricht im Rückwärtsgang einführen

Die spinnen, die Brandenburger! Weil die Schüler in Brandeburg zu wenig über die DDR wüssten, will man vom chronologischen Geschichtsunterricht wegkommen, wie Daniel Eisenmenger in seinem Blog berichtet:

Brandenburg plant ab dem Schuljahr 2011/12 den chronologischen Durchgang zugunsten von Themenfeldern aufzugeben, so dass u.a. die DDR-Geschichte früher behandelt werden kann. Diese soll dann auch schon in Klasse 7 Thema werden im Themenbereich «Schule in Diktatur und Demokratie», also einem schülernahen Erfahrungsraum. Ausgelöst wurde die Änderung durch den Befund, dass Schüler so wenig über DDR-Geschichte wissen. Ähnliches gilt wohl auch für andere Gebiete.»

Wieso nicht gleich konsequent die Geschichte rückwärts erzählen? Dass also auf den Realsozialismus der Nationalsozialismus folgt und dann die Weltwirtschaftskrise! Wir schlagen vor, dass konsequenterweise in Brandenburg in Zukunft das Bruchrechnen vor dem kleinen Einmaleins unterrichtet wird und der Französischunterricht mit dem gérondif II beginnt. Alternativ könnte man ja die Mathematik auch mit dem «Themenfeld» Dualsystem beginnen lassen und in der ersten Französisch-Stunde Foucault lesen. Zum Beispiel «Wahnsinn und Gesellschaft». Das wäre dann auch ziemlich «schülernah».

Was ist eigentlich «Forschendes Lernen»?

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Letzte Woche luden Ricarda T. D. Reimer vom E-Learning Center und Dr. Peter Tremp von der Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich zu einem «wissenschaftlichen Tagesgespräch» an den runden Tisch nach Zürich. Es ging um die Frage, wie das Konzept der «Forschenden Lehre» sinnvoll im Hochschulbereich eingesetzt werden kann und welche Perspektiven netzbasierte Arbeitsumgebungen für die «Forschende Lehre» bieten könnten.
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Digital Creativity

«Digital Creativity» ist eine interdisziplinär ausgerichtete Zeitschrift, welche sich dem Themenkomplex rund um die Nutzung digitaler Medien widmet und viermal jährlich erscheint. Der kreative Geist scheint die aus unterschiedlichen Richtungen stammenden Artikel zu beleben. Die Beiträge handeln entweder von der Implementierung brandneuer Gadgets (wie z.B. Wearables) oder es geht um deren Einsatz in einem mediendidaktischen Umfeld.
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Hochschullehre 2.0

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In einem halben Dutzend Lehrveranstaltungen an den Univeristäten Basel, Luzern und Zürich habe ich in den letzten Semestern mit Wiki-Systemen und Weblogs gearbeitet. In jeder Lehrveranstaltung variierte ich das Szenario, um Erfahrungen zu sammeln und die unterschiedlichen Nutzungspotentiale auszuloten.

Die (Zwischen-)Bilanz ist durchaus positiv: Die Möglichkeiten sind enorm, die Bereitschaft der Studierenden, auf diese neuen Tools einzusteigen (mit ganz wenigen Ausnahmen) auch. Die Ergebnisse sind alles in allem erfreulich, und zwar auch dann, wenn die Nutzung und der Einsatz nicht oder kaum reglementiert und besprochen werden.

Ich habe eine erste Beschreibung der verschiedenen Szenarien auf unserer Plattform hist.net zusammengestellt. Im Laufe des Sommers soll eine ausführlichere und auch didaktisch fundiertere Auswertung folgen. Anregungen und Hinweise zu ähnlichen Unterfangen werden gerne und dankend in den Kommentarzeilen entgegengenommen!

Für das kommende Herbstsemester sind übrigens in Basel ein Forschungsseminar zum Thema «Wikipedistik. Medienpraktische Forschungen im Web.2.0» geplant sowie ein reguläres und intensiv mit einem Weblog begleitetes Seminar mit dem Titel «Archiv, Speicher, Gedächtnis. Wissenschaftshistorische und medientheoretische Erkundungen».

Das Buch der Woche: Geschichte. Ein Grundkurs

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Das heutige Buch der Woche hat eigentlich mit digitaler Geschichtswissenschaft oder Neuen Medien gar nichts zu tun. Trotzdem möchten wir es heute hier kurz vorstellen, denn es ist ein hifreiches Kompendium durch die vielen Themen und Felder der aktuellen Geschichtsdebatten. Für die kürzlich erschienene dritte Auflage des von Hans-Jürgen Goertz herausgegebenen „Grundkurses“ wurden zahlreiche Beiträge gründlich überarbeitet und drei neue Themen fanden Eingang in das dickleibige, 860 Seiten umfassende Buch: Linguistic Turn, Diskursanalyse und Globalgeschichte.

Die drei Grosskapitel des Buches sind überschreiben mit „Der historische Erkenntnisprozess“, „Epochen der Geschichtsschreibung, historische Fächer und Spezialdisziplinen“ sowie „Konzeptualisierung von Geschichte“. Die einzelnen Beiträge sind dicht und knapp und mit weiterführenden Literaturhinweisen versehen. Die Themenpalette ist sehr gross, von der Kirchengeschichte über die „Varianten des historischen Erzählens“ bis hin zu Geschichtsdidaktik und Geschichtstheorie sind die meisten heute im Feld der Geschichtswissenschaft diskutierten Themen angesprochen.

Dass das Thema der Medialität der Geschichte und mithin die Frage nach den Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die Geschichtswissenschaft in einem Grundkurs gar keine Erwähnung findet, erstaunt auf den ersten Blick. Bleibt zu hoffen, dass in der vierten Auflage auch diese Aspekte Eingang finden werden.

Goertz, Hans-Jürgen (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs, Reinbek 2007 (3. Auflage).

Feldnotizen Geschichte 2.0: Volltext-Suche, Klicken, Vergleichen

Aus Anlass einer Podiumsdiskussion in Wien, zu der ich als Diskutant eingeladen wurde, habe ich versucht, einige Erkenntnisse aus meiner bisherigen Forschungsarbeit zusammenzufassen. Dabei interessierte mich (ausgehend von der Frage des Podiums nach der Rolle von Hypertext und digitalen Medien im universitären Alltag) als Historiker und Kulturwissenschaftler, ob Nutzungstechniken ausgemacht werden können, die die den digitalen Medien inhärent sind, also nicht von anderen Medien (etwa Büchern oder elektronischen Medien) auf die digitalen Medien übertragen werden. Natürlich interessiert mich als Didaktiker die Frage, ob daraus Schlussfolgerungen für E-Learning-Szenarien gezogen werden können. Weiterlesen

(Another?) Roadmap e-Sciences

Es kam dann aber doch ganz anders…

Das Leben eines Blogger steckt voller Unwägbarkeiten: Da habe ich mich am Montag abend in einer wunderschönen Umgebung (Semper-Depot der Akademie der Bildenden Künste) installiert, um möglichst direkt über die Buchvorstellung zu berichten, zu der das gesamte hist.net-Team auf das Podium eingeladen wurde – dann kommt es hier zu einem Gespräch, dort zu einem Glas Wein, dann ist im Blog-Beitrag da noch eine Aussage, die unklar formuliert erscheint, und noch ein Link, der fehlt; schliesslich wird es spät und im Hotel gibt es ja (einen teuren) Internet-Anschluss, folglich kann ich (so denk ich) ja dort den Beitrag zu Ende schreiben… – tja, und dann geht der Internet-Anschluss eben nicht, und bis ich wieder im Internet-Empfangsbereich bin, hat Kollege Haber alles Wesentliche bereits der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt, sogar die wunderschöne Idee von Jakob Krameritsch mit den T-Shirts (auch ein medienwissenschaftlich noch kaum erforschtes Objekt). So bleibt mir nur, ein paar Eindrücke von meiner Seite nachzuliefern.

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GMW 07: Medidaprix-Finalisten

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Der Medida-Prix ist ein prominent dotierter Preis (100000 €), der alljährlich an der GMW-Tagung vergeben wird. Aus diesem Grund erhalten jene zehn Projekte, die von der Jury als beste beurteilt werden, die Gelegenheit, sich dem Tagungspublikum vorzustellen. In diesem der Online-Didaktik gewidmeten Umfeld sind Projekte aus dem Fach Geschichte weniger selten, als man annehmen möchte. So gewannen 2004 die Wiener Kollegen von past.perfect einen Drittel des Preise (und den Publikumspreis), 2002 gewannen die Zürcher Kollegen von ad fontes die Hälfte des Preises (der Preis wird seit Jahren auf zwei bis drei Projekte verteilt). Ein interessantes Projekt aus dem Grenzbereich ist das letztjährige Gewinnerprojekt elibrary aus Österreich. Weiterlesen

Wikis in Education: kleine Literaturübersicht

Wie kann man Wikis im Unterricht, bzw. in der Lehre einsetzen? Dazu gibt es schon eine ganze Reihe von Vorschlägen und auch erste Erfahrungsberichte. Einen guten Einstieg bietet die Liste von Wolfgang Neuhaus in seinem Blog Mediendidaktik (via Blog Geschichte und Neue Medien). Ergänzend möchte ich noch auf zwei neuere Artikel von Piotr Konieczny ((Konieczny, Piotr: „Wikis and Wikipedia as a Teaching Tool“, in: International Journal of Instructional Technology And Distance Learning, 2007, Nr. 1 (http://www.itdl.org/Journal/Jan_07/article02.htm [13.4.2007]).)) und Kevin Parker ((Parker, Kevin R.; Chao, Joseph T.: „Wiki as a Teaching Tool“, in: Interdisciplinary Journal of Knowledge and Learning Objects 3 (2007) (http://ijklo.org/Volume3/IJKLOv3p057-072Parker284.pdf [25.5.2007]).)) hinweisen.

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Digitale Demenz?

Florian Rötzer berichtet in einem Telepolis-Beitrag von der „Digitalen Demenz„. Gemeint ist damit die schwindende Fähigkeit, sich Namen, Nummern oder Sachverhalte zu merken, da diese in digitalen Speichergeräten abgelegt und ständig verfügbar seien. Es werde kaum mehr auswendig gelernt und die Abhängigkeit von den digitalen Speichergeräten nehme dafür zu. Der Bericht bezieht sich auf eine aktuelle Diskussion in Korea, wo die Durchdringung mit digitalen Informationstechnologien besonders weit fortgeschritten ist, und wo bei 20 bis 30-jährigen sich bereits Symptome zeigten, die von den behandelnden Ärzten als digitaler Alzheimer bezeichnet werden. Allerdings handelt es sich in diesen Fällen vor allem um eine Überlastung durch die grosse Menge an Informationen, welche die Patienten zu verarbeiten haben. Das Problem lässt sich also nicht darauf reduzieren, dass „wir heute nichts mehr auswendig lernen, wie noch zu Grossvaters Zeiten“. Man sollte hier nicht einer Verklärung vordigitaler Umstände anheim fallen. Weiterlesen

Neue Lerntechnologien und messbare Schülerleistungen

Die Sonntagszeitung hat’s berichtet, bei Beats Weblog hab ich’s gefunden: Neue Lerntechnologien (= Elektronische Medien), so neuste US-Studien, verbesserten die Schülerleistungen nicht. ((Shapley, Kelly; et al.: Evaluation of the Texas Technology Immersion Pilot. Findings from the Second Year, Austin: Texas Center for Educational Research 2007 (http://www.etxtip.info/images/eTxTIP_Year2EvalReport.pdf [26.6.2007]).)) Das passt bestens zu den Berichten, dass einige US-Schulen in Zukunft wieder auf den Einsatz von Laptops im Unterricht verzichten wollen.

Abgesehen von der Frage, ob bei diesen Studien erfasst wird, ob die digitalen Medien didaktisch sinnvoll eingesetzt werden, möchte ich auf den Blog-Eintrag von Stewart Mader hinweisen, der ein grundsätzliches Problem anspricht (basierend auf einem Beitrag in BusinessWeek: ((Kind, Ron: „A Flawed Measure of Ed Tech“, in: BusinessWeek, 10.4.2007, (http://www.businessweek.com/technology/content/apr2007/tc20070410_846623.htm?chan=top+news_top+news+index_technology [26.6.2007]).))

“ […] The magic of technology is that it works for students with a variety of learning styles instead of requiring them to learn in a style that isn’t optimal, and that’s the opposite of training for standardized tests. […]“

Mit anderen Worten: Solange die Schülerleistungen in standardisierten Tests erhoben werden, wohingegen die Neuen Lerntechnologien gerade nicht standardisiert messbare Bildungsprozesse fördern will (wobei zu fragen ist, wie die Einlösung dieses Anspruchs überprüft werden kann), soll sich niemand wundern, dass Neue Lerntechnologien keine „messbaren Verbesserungen der Schülerleistungen“ hervorbringen – einmal ganz unabhängig davon, ob sie didaktisch sinnvoll eingesetzt werden, oder eben nicht.